Österreichische Justiz sucht in Nidwalden nach Bestechungsgeldern

8. November 2012

Beim Kauf von neuen Kampfjets in Österreich sollen 170 Millionen Euro an Schmiergeldern geflossen sein. Eine Spur führt zu einer Firma in der Schweiz.

Die Aktion war bestens orchestriert: Am Dienstagmorgen durchsuchten in Deutschland, Österreich und der Schweiz 60 Polizisten insgesamt 13 Wohnungen und Büros. In Österreich wurden Firmen in Oberösterreich und Tirol durchsucht, in Deutschland drei Standorte des europäischen Flugzeug- und Rüstungskonzerns EADS im Grossraum München. Die Durchsuchungen erfolgten auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft Wien, die Schmiergeldzahlungen beim Kauf der Eurofighter-Kampfflugzeuge für die österreichische Luftwaffe vermutet. Es gehe um «Geldwäsche, Betrug, Bestechung und Abgabenhinterziehung», bestätigt Thomas Vecsey, Sprecher der Wiener Staatsanwaltschaft.

In der Schweiz wurden am Dienstag zwei Büros in Beckenried und auf dem Bürgenstock im Kanton Nidwalden durchsucht. Die Niederlassung von EADS in Bern war nicht dabei. Die beiden durchsuchten Büros gehören zur Firma VIL Industrieberatung AG, für die der aus Hamburg stammende Frank Walter P. zeichnungsberechtigt ist. Eine Mail-Anfrage blieb gestern ebenso unbeantwortet wie Telefonanrufe. Allerdings gelang es, P.s Bruder zu erreichen, der in einer anderen Firma an derselben Adresse arbeitet. Er sagte, dass er von den Durchsuchungen nichts wisse. Weder er noch sein Bruder hätten speziellen Bezug zur Rüstungs- und Aerobranche. Auf einer älteren Version ihres Internetauftritts bietet die VIL jedoch explizit ihre Beratungsdienste «for the international civilian and military industry» an. Auf der Seite waren zwei Abfangjäger im Flug über die Alpen abgebildet. Foto und Text fehlen nun, die Seite ist «under construction».

Eines von sechs Netzwerken

Die Ermittlungen der Wiener Staatsanwaltschaft betreffen den vermutlich grössten Korruptionsskandal in der jüngeren Geschichte Österreichs. Der grüne Abgeordnete Peter Pilz vermutet, dass rund 170 Millionen Euro an Bestechungsgeldern geflossen sind. Pilz recherchiert seit Jahren die Geldflüsse im Zusammenhang mit dem Kauf der Abfangjäger und spricht von sechs Schmiergeld-Netzwerken: Die Durchsuchungen diese Woche beträfen eines dieser Netzwerke. Das sichergestellte Material könnte wesentlich zur Aufklärung beitragen und «möglicherweise auch zur Anklage führen».

Die Entscheidung, neue Kampfflugzeuge für das österreichische Heer zu kaufen, liegt mehr als zehn Jahre zurück. Damals stand die schwarz-blaue Koalitionsregierung unter Wolfgang Schüssel vor der Wahl zwischen dem günstigen, erprobten Gripen der schwedischen Firma Saab und dem teuren und völlig neuen Typhoon der EADS-Tochterfirma Eurofighter. Der damalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser plädierte lange für den Gripen, schwenkte aber plötzlich auf den Eurofighter um. Schliesslich wurden 18 Stück für knapp 2 Milliarden Euro gekauft.

Seit damals steht der Verdacht im Raum, dass Grasser und die damaligen Regierungsparteien FPÖ und ÖVP von EADS für ihre Entscheidung bezahlt wurden. Eine Hausdurchsuchung 2011 begründete die Staatsanwaltschaft laut dem Magazin «Format» damit, dass EADS versucht habe, «Schmiergeldzahlungen an Unternehmen und Beamte zu leisten». Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss fand 2007 etliche Ungereimtheiten und Zahlungen an parteinahe Lobbyisten. Eine Zahlung ging an eine ungarische Firma namens Hortobagy Consulting HCM. Laut dem Wiener Nachrichtenmagazin «Profil» war der deutsche Unternehmer Frank Walter P. Miteigentümer und Geschäftsführer dieser Firma. Gesichert ist, dass HCM 2003 von einem EADSLobbyisten 220 000 Euro erhielt.

87 Millionen von EADS verteilt

Auf die Spur in die Schweiz aufmerksam wurden die Ermittler wohl durch ein Geständnis in Rom. Dort sitzt der Italiener Gianfranco Lande in Haft, weil er Anleger mit einem Schneeballsystem um ihr Geld brachte. Vor dem Untersuchungsrichter sagte Lande aus, dass seine Londoner Briefkastenfirma Vector Aerospace von EADS 87 Millionen Euro erhielt und diese unter anderem in Österreich über ein Firmennetzwerk verteilt wurden. Die Hausdurchsuchungen diese Woche sollen alle in Zusammenhang mit Landes Netzwerk stehen. Peter Pilz glaubt, dass entscheidenden Dokumente eher in München und Hamburg liegen als in der Schweiz.

Für die Wiener Staatsanwaltschaft wird nun entscheidend sein, wie lange sie auf die im Ausland beschlagnahmten Unterlagen warten muss. Mit der Schweiz hat sie in einem anderen Fall schlechte Erfahrungen gemacht. Zudem gibt der Rechtsweg den Betroffenen die Möglichkeit, die Auslieferung des Materials lange zu verzögern. Schöpfen sie alle Rechtsmittel aus, könnte es Jahre dauern, bis die Akten in Wien ankommen.