Als Bahnfahren noch chic war

12. Juni 2010

Die Österreichischen Bundesbahnen stellen ihren Paradezug Transalpin aufs Abstellgleis.

Von Bernhard Odehnal, Wien

Um 16.40 Uhr (vielleicht auch etwas später) werden die Lautsprecher auf dem Wiener Westbahnhof heute zum letzten Mal verkünden: «ÖBB Eurocity 163 Transalpin aus Zürich fährt ein». Der Zug bleibt - aber der Name verschwindet. Statt des Transalpin fährt ab Sonntag der namenlose RJ 163: Der rot-graue Railjet, der von den Österreichischen Bundesbahnen als das beste und modernste Luxusprodukt auf Europas Schienen beworben wird.

Welchen Vorteil die Reisenden von der Umstellung haben werden, ist jedoch schwer zu erkennen. Der neue Railjet wird nicht bequemer und nicht schneller sein als der alte Transalpin - und die Verspätungen werden durch die Umstellung wohl auch nicht weniger.

Schnell erkennbar ist hingegen, was ab morgen fehlt: Der Speisewagen zum Beispiel, der von einem viel kleineren Bistro im Railjet ersetzt wird. Oder der schöne Panoramawagen der SBB, aus dessen Glasdach man die Bergspitzen der Churfirsten und die Innsbrucker Nordkette betrachten konnte. Auch der Velotransport ist Geschichte. Im Railjet ist kein Platz mehr für Fahrräder: «Wir wollen mit diesem Topprodukt eine optimale Fahrzeit erreichen, deshalb sind keine längeren Aufenthalte vorgesehen», erklärt die Chefin des ÖBB-Personenverkehrs, Gabriele Lutter.

Warum die Österreichische Bahn aber auch auf den traditionsreichen Namen Transalpin verzichtet, bleibt ihr Geheimnis. Vielleicht möchte sie die Kunden nicht an Zeiten erinnern, als Bahnfahren noch chic und komfortabel war.

Seit seiner Einführung 1958 war der Transalpin immer der österreichische Paradezug in die Schweiz, der in einem Atemzug mit europäischen Luxuszügen wie Orient-Express oder Rheingold genannt wurde. In den 60er-Jahren liessen die ÖBB eigens für diesen Zug neue Triebwagengarnituren bauen. Unzählige Reiseerinnerungen, unzählige Interrail-Bekanntschaften sind mit dem Namen Transalpin verbunden. In der Ankündigung «Ich fahre mit dem Transalpin» schwang immer ein wenig die grosse weite Welt mit. «Ich fahre mit dem RJ 163» - da hört man höchstens die Angst vor übervollen Grossraumwagen heraus.

Was will der Name Railjet überhaupt sagen? In den 90er-Jahren wäre er vielleicht noch cool gewesen. Heute wirken solche Anglizismen leicht verstaubt. Und in einer Zeit, in der das Flugzeug zu einem schnellen, aber ungeliebten und unsicheren Massenverkehrsmittel geworden ist, klingt die Bezeichnung «Jet» für einen Zug nicht gerade einladend.

Anderseits: Andere österreichische Züge heissen heute «Hollywood Megaplex Kino» oder «TelefonSeelsorge Ruf 142». Das klingt zwar dämlich («Schatz, ich komme heute mit dem ‚betriebliche-altersfürsorge.at’ aus Salzburg»), aber es bringt der Bahn Geld. Namen wie Transalpin oder Mozart kann man hingegen schlecht verkaufen.

Freitag, 16.40 Uhr: An seinem vorletzten Tag kommt der Transalpin pünktlich aus Zürich in Wien an. 14 Waggons hat er, an manchen Tagen waren es bis zu 18. DerRailjet hingegen wird immer nur aus 14 Wagen bestehen, Verstärkung ist auch bei stärkstem Reiseverkehr nicht möglich. Auf dem Bahnsteig stehen ein paar Eisenbahnfreaks und notieren fleissig Waggonnummern. Einer von ihnen ist von Wien nach Salzburg und zurück gefahren, um noch einmal im Schweizer Panoramawagen zu sitzen.

Ein anderer kommt aus Zürich und kann nicht verstehen, warum die Österreichische Bahn ihren schönsten Zug aus dem Verkehr zieht. Der Kinderspielraum, das Extraabteil für stillende Mütter, der Mehrzweckraum für Velos oder Pakete: Das alles werde es im Railjet nicht mehr geben, seufzt der Mann: «Es ist eine Katastrophe.»