Bankprofessor Janssen liest österreichischer Bank die Leviten

26. Juli 2012

Für Verluste der Stadt Linz aus einer Währungswette macht Uniprofessor Martin Janssen vor allem deren Hausbank verantwortlich.

Von Bernhard Odehnal, Wien

So klare Worte hatte der Kontrollausschuss des Linzer Gemeinderates noch selten gehört. Von einem «unethischen Geschäft» sprach der Vortragende, von «Dummheit gepaart mit Überheblichkeit», von «Betrug im landläufigen Sinn». Die Stadt Linz sei «über den Tisch gezogen worden». Dieses Urteil stammt von Martin Janssen, Professor am Institut für Banking und Finance der Universität Zürich. Er war vom Gemeinderat Linz beauftragt worden, Verträge der Linzer mit der Bank für Arbeit und Wirtschaft (Bawag) zu prüfen und zu beurteilen. Am Dienstag dieser Woche präsentierte er in Linz das Ergebnis.

«Janssens Urteil ist deutlich und für uns nicht sehr erfreulich», sagt die Vorsitzende des Kontrollausschusses, die grüne Abgeordnete Ursula Roschger. «Aber er bestätigt auch unsere Position gegenüber der Bawag.» Die Stadt Linz und ihre Hausbank sind in einen teuren Rechtsstreit verwickelt. Linz fordert von der Bawag 30 Millionen Euro, die Bank hat ihrerseits die Stadt auf 417 Millionen eingeklagt. Zusätzlich ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den früheren Linzer Finanzdirektor. Diesem Verfahren hat sich die Stadt als Privatklägerin angeschlossen. Linz verfügt über ein Jahresbudget von 660 Millionen Euro; sollte die Stadt die Verfahren verlieren, wäre sie praktisch bankrott. «Wir müssen jetzt schauen, dass wir nicht untergehen», erklärt die Abgeordnete Roschger.

Verdacht der Korruption

Die Linzer Probleme begannen 2005, als die Stadt bei der Bawag eine Anleihe über 195 Millionen Franken mit einer Laufzeit von 22 Jahren aufnahm. Zwei Jahre später bot die Bawag der Stadt eine Währungswette an, um die Kreditkosten zu senken. Der Franken-Swap wurde vom Linzer Finanzdirektor alleine unterzeichnet, ohne Wissen der Kontrollorgane. Es gibt auch den Verdacht der Korruption: Ein Finanzbeamter der Stadt soll für den Abschluss der Franken-Wette eine Provision kassiert haben.

Solange der Franken gegenüber dem Euro fiel, konnte Linz den Gewinn der Wette einstreichen und damit die Zinsen des Fremdwährungskredits bezahlen. Dann aber stieg der Franken, und die Linzer mussten doppelt zahlen - für den Kredit und für die hoch riskante Währungswette. Im vergangenen Jahr überwiesen die Linzer 30 Millionen Euro an die Bawag, bevor sie die Ratenzahlung aus dem Swap stoppten. Worauf die Bank den Vertrag kündigte und den entstandenen Schaden mit über 400 Millionen Euro berechnete. Nun soll ein Gericht entscheiden, ob Linz die Bank bezahlen muss oder ob die Bawag das Geschäft rückabwickeln und der Stadt die zwei bezahlten Raten zurückgeben muss.In seinem Gutachten nimmt Janssen beide Vertragspartner in die Pflicht, wobei er deutlich mehr Verantwortung bei der Bank sieht. Die Gemeinde Linz habe gegen das Prinzip der guten Organisation verstossen: Ein so grosses Geschäft hätte organisatorisch in eine Entscheidvorbereitung und Entscheidung, in die Durchführung und eine Kontrolle aufgeteilt und von unterschiedlichen Stellen abgewickelt werden müssen. «Stattdessen wurde es von einer einzigen Person abgeschlossen, die noch dazu kaum genügend qualifiziert war.» Ungenügend organisiert zu sein und ein Geschäft abzuschliessen, das man nicht versteht, sei zwar dumm und überheblich, aber nicht verboten, sagt Janssen.

Die Bawag hingegen habe genau gewusst, was sie anbiete: «Die Bank hat gegen das Prinzip des Anstands, gegen die ordentliche Geschäftsführung und gegen die Kundeninteressen verstossen. Das ist unethisch und - aus der Sicht eines Nicht-Juristen - vermutlich auch gesetzwidrig.»

Bei der Bawag zweifelt man an Janssens Kompetenz. Er habe von dem Professor noch keine einschlägige Publikation gelesen, sagt Alexander Schaller, Leiter der Rechtsabteilung: «Wir haben uns sehr über Wortwahl und Methodik des Gutachters gewundert.» Aus Sicht der Bank sei das Geschäft in Ordnung gewesen, sagt Schaller, «die Linzer haben ja vier Jahre davon profitiert. Aber sie hatten kein Risikomanagement.» Die Bawag sei nun für jede vernünftige Lösung zu haben. Nur: «Die 417 Millionen Euro müssen die Linzer zahlen.»

Was die Linzer zusätzlich beunruhigt, ist Janssens Blick in die Zukunft. Die Schweizerische Nationalbank werde die Bindung des Frankens an den Euro nicht halten können, erklärte der Finanzexperte. Die Schweizer Währung könnte zu einem neuen Höhenflug ansetzen, er rate deshalb dringend, den Frankenkredit in Euro zu wandeln. Diese Warnung sei sehr ernst zu nehmen, sagt die Abgeordnete Roschger: «Da haben wir Handlungsbedarf.»