Das «politische Gulasch» lag ihm zu schwer im Magen

17. Juni 2013

Tschechiens Premier Petr Nečas hat nach einem Korruptionsskandal seinen Rücktritt erklärt

Mehrmals schon stand seine Regierung vor dem Scheitern. Mehrmals konnte sie Petr Nečas (48) in letzter Sekunde retten. Mit Tricks und Geld. Diesmal gelang dem tschechischen Regierungschef das Kunststück nicht: Gestern am späten Abend hat der konservative Politiker seinen Rücktritt erklärt.

Am Freitag versuchte Nečas noch, sich mit einer wütenden Rede im Parlament zu verteidigen: Die Medien würden aus «mehreren Geschichten ein politisches Gulasch machen». Tags darauf liess er seine engsten Vertrauten fallen, um den eigenen Kopf zu retten. Er entschuldigte sich bei Personen, die vom militärischen Geheimdienst beschattet wurden, und distanzierte sich von seiner Büroleiterin Jana Nagyová: Sie könne nicht mehr mit der Rückkehr ins Amt rechnen. Davon kann ohnehin keine Rede sein: Nagyová sitzt derzeit in Untersuchungshaft.<--break->

Ausgelöst wurde die Krise durch die grösste Polizeiaktion gegen Korruption in Tschechien. Am Donnerstag durchsuchten auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Polizisten rund 50 Wohnungen und Büros von Politikern der konservativen Regierungspartei ODS und der Partei nahestehender Lobbyisten. Dabei wurden 150 Millionen Kronen (rund 710 000 Franken) beschlagnahmt. Drei frühere Abgeordnete und Nečas’ Büroleiterin wurden festgenommen.

Die Ermittlungen richten sich gegen Mafiapaten, die in Verbindung zur Regierungspartei standen, und gegen ein schmutziges politisches Geschäft: Drei Abgeordnete der ODS hatten versucht, ein Steuergesetz zu verhindern, das Nečas unbedingt durchbringen wollte. Die Rebellen gaben ihre Parlamentssitze auf, bekamen aber kurz danach auffallend hoch dotierte Verwaltungsratsposten. Die Staatsanwaltschaft vermutet Bestechung.

Der dritte Strang der Ermittlungen trifft Nečas persönlich. Im vergangenen Jahr trennte er sich von seiner Frau, und seither spekulierten tschechische Medien über ein Verhältnis zu Nagyová. Sie ist bei Mitarbeitern wegen ihrer arroganten Art gefürchtet und gilt als graue Eminenz der Regierung. Nun fanden die Ermittler heraus, dass die Büroleiterin im vergangenen Jahr den Chef des Militärgeheimdienstes beauftragt hatte, die Ehefrau von Nečas zu beschatten. Der Geheimdienstchef gestand bereits, den Auftrag angenommen und ausgeführt zu haben. Necas behauptet, er habe die Beschattung weder angeordnet noch davon gewusst.

Seine Partei ODS sprach ihrem Vorsitzenden zu Beginn des Skandals noch das Vertrauen aus. Doch unumstritten war der studierte Physiker nie. Seit 1992 ist er in der Politik, seit 1995 (mit Unterbrüchen) in der tschechischen Regierung. Im ersten Anlauf an die Parteispitze scheiterte er an seinem Konkurrenten Mirek Topolanek. Erst als dieser 2010 zurücktreten musste, schlug Nečas’ Stunde. Er hatte damals zwar die Unterstützung von Vaclav Klaus, die Zustimmung der Partei blieb mit 87 Prozent aber bescheiden. Die anschliessenden Parlamentswahlen endeten mit einer bitteren Niederlage. Dennoch wagte er gemeinsam mit zwei neuen bürgerlichen Parteien eine Dreierkoalition. Die Bündnispartner hielten bis zuletzt noch zum Regierungschef – aus Überlebenstrieb. Denn seit den Razzien steht fest: Mit Nečas Rücktritt wird sich das bürgerliche Lager für lange Zeit von der Regierung verabschieden müssen.