Der Fränk schnallt sich nicht an

7. September 2013

Spitzenkandidat Frank Stronach nimmt es mit den Gesetzen in Österreich nicht so genau.

So geht es, wenn man im Auto sitzt. Und nicht aufpasst. Man fährt gegen die Wand. Und auch wenn es nur metaphorisch ist – es kann ganz schön wehtun. Das musste jetzt Frank Stronach erfahren, der Selfmade-Milliardär mit steirisch-kanadischem Akzent, der mit seinem Team bei den Wahlen in drei Wochen die österreichische Politik aufmischen will. Weil Stronach während einer vom österreichischen Fernsehen ORF gefilmten Autofahrt offen über seine Sympathie für die Todesstrafe plauderte, ist jetzt der Teufel los. Zum ersten Mal gehen seine Jünger vorsichtig auf Distanz zum «Fränk».

Der ORF hat im Wahlkampf ein neues Format: In der «Wahlfahrt» setzen sich die Spitzenkandidaten aller Parteien in einen alten Mercedes und plaudern mit einem Reporter über Gott und die Welt und ihr Programm. Der Reporter steuert selbst, alles wird mit kleinen Kameras im Auto festgehalten. Stronach war der Erste im Auto, am Rücksitz durfte seine rechte Hand und politische Beraterin Kathrin Nachbaur Platz nehmen. Die Sendung wird erst am 11. September ausgestrahlt, aber die entscheidende Szene hat das Fernsehen schon jetzt online gestellt. Der Reporter fragt Stronach, wie er denn zur Todesstrafe steht. Stronach verzieht kurz den Mund, dann: «Ein geplanter Berufsmord (kurze Pause) – Todesstrafe.» Und weiter: «Mafia-Type Berufsmord … ja. Hast du mich gehört, Kathrin?» Er dreht sich um, Nachbaur beugt sich nach vorn. Stronach: «Das kommt dann auch in unser Parteiprogramm, man muss noch erweitern müssen.»


Stronach und Kathrin Nachbaur in der Sendung «Wahlfahrt» des ORF

Erweitert wird man aber doch nicht müssen. Der Fränk musste zurückrudern, nachdem selbst seine Stellvertreterin Nachbaur seinen Weg nicht mitgehen wollte. Das sei mit ihren christlichen Werten nicht vereinbar. Spott und Hohn ist Stronach dennoch sicher. In vielen Varianten ist der Todesstrafen-Dialog im Internet zu sehen, er wird den Protagonisten von «Pulp Fiction» und «Breaking Bad» in den Mund gelegt, er führt zu Protesten einer «Gewerkschaft der Berufskiller», die sich über Diskriminierung einer ehrenwerten Profession beschwert.

So weit, so lustig. Was aber in dem Tohuwabohu um Stronachs Zitat unterging: Während der Kandidat im Auto die Strenge des Gesetzes einforderte, verletzte er selbst eine Vorschrift. So wie in der Schweiz gibt es auch in Österreich die Anschnallpflicht. Der Fränk aber fuhr unangeschnallt. Seine rechte Hand Nachbaur ebenso. Lässig hängt der 80-Jährige im Sitz, lässig baumelt der Gurt zu seiner rechten. Unbenutzt. Auf einem Standfoto des ORF hat Stronach den Gurt zwar über der rechten Schulter, aber er hält ihn bloss in der Hand.

«Hier kommt Kurt – ohne Helm und ohne Gurt» sang der deutsche Klamaukrocker Frank Zander. Hier kommt Fränk. Völlig losgelöst von den Zwängen der Strassenverkehrsvorschrift. Hunderttausende Österreicher werden am 11. September diese Bilder sehen. Was will Stronach seinen Wählern sagen? Ich bin der Fränk, für mich gelten keine Vorschriften? Oder: Ich mache mir die Gesetze selbst? Oder wollte er die Fesseln sprengen, die seiner Meinung nach die Politik der Wirtschaft (und damit Leuten wie ihm) anlegt?

Ein Anruf beim Team Stronach bringt keine Klärung: «Sie sind Journalist?», fragt die Frau. «Geht es um ein spezielles Angebot?» Äh, nein, machen denn Journalisten dem Team Stronach für gewöhnlich Angebote? «Ich dachte, Sie wollen über Inserate reden.» Nein, ich möchte eine Auskunft, wie es Stronach mit Österreichs Gesetzen hält. Doch auch der Pressesprecher verweigert die Antwort.

In Österreich gibt es rund sechs Millionen Autofahrer, zehn Prozent von ihnen schnallen sich nie oder nur bei längeren Fahrten an. Von diesen 600 000 würde sicher ein Teil die Wiedereinführung der Todesstrafe (wenn auch nur für gewerbliche Killer) begrüssen. Vermutlich deutlich mehr als zehn Prozent. Die Wähler wären also da. Stronach muss sie nur noch abholen. Ohne Helm und ohne Gurt.