Österreichs Ex-Finanzminister brachte 500 000 Euro aus der Schweiz bar über die Grenze.
«Wie bitte, schon wieder Karl-Heinz Grasser?» Der strenge Redaktor ist genervt: «Hat der seit Jahresbeginn nicht schon geschätzte fünf kleine Geschichten bekommen?» Das schon, muss der Autor zugeben. Aber Grasser ist halt in so ziemlich jeden Skandal verstrickt, der Österreich erschüttert. Und langweilig waren die Geschichten doch nie? Die abgehörten Telefongespräche, in denen Grassers Freunde fragten, wie sie vor der Polizei den Erhalt von Millionen Euro rechtfertigen sollten: «Wo war mei Leistung?» Oder die TV-Diskussion, in der Grasser voll Stolz den Brief einer Verehrerin zitierte: «Herr Minister, Sie sind zu schön, Sie sind zu erfolgreich für diese Welt.» Oder auch «Schon gut», brummt der Redaktor: «Also, um was geht es dieses Mal?»
Die heutige Episode aus der Serie «Karl-Heinz und das liebe Geld» verdanken wir dem österreichischen Magazin «Format». Das hat die Protokolle jener Verhöre, in denen Grasser, von 2000 bis 2007 österreichischer Finanzminister, dem Staatsanwalt Auskunft geben musste, wieso er 2005 insgesamt 500 000 Euro in bar aus der Schweiz nach Österreich brachte und auf sein eigenes Konto einzahlte. Der Ex-Jungstar der blau-schwarzen Regierung hatte den seltsamen Transport zuvor damit begründet, dass er das Geld von Marina Giori-Swarovski, der Mutter seiner Frau Fiona, erhalten habe, um es für sie anzulegen. Den Verdacht, das Geld könne in Tat und Wahrheit für ihn bestimmt und Schmiergeld aus der Privatisierung der staatlichen Wohnbaugesellschaft gewesen sein, bestreiten Grasser und sein Anwalt entschieden: Alles sei «supersauber» und transparent abgelaufen. Und in solchen Fällen gilt in Österreich die Unschuldsvermutung.Wie müssen wir uns Geldgeschäfte bei Grassers vorstellen? Laut «Format» beschrieb der Ex-Minister die Übergabe im Haus von Frau Giori-Swarovski in Zug so: «Es hat sich einfach im Gespräch ergeben. Sie hat gesagt: ‹Schau, nimm 100 000 Euro, und schauen wir einmal, wie du das Geld anlegen kannst.› Dann habe ich gesagt: ‹Wir brauchen eine vernünftige Grössenordnung› und so sind die 500 000 Euro entstanden.» So einfach, so logisch. Supersauber. Die Schwiegermutter, so Grasser weiter, sei dann gegen Ende des Mittagessens zum Safe gegangen («... nach der Eingangstür irgendwo rechts»), habe die Scheine herausgenommen und sie ihm in die Hand gedrückt. Der Mann mit der goldenen Hand fürs Geld gab das Bündel in ein Kuvert («ich weiss nicht mehr, ob eine Schleife drauf war oder nicht»), legte es in sein Auto, fuhr nach Wien und trug es dort auf seine Bank.
Im November 2005 wickelte Finanzminister Grasser den nächsten Geldtransport ab. Wieder mit dem Auto, wieder von Zug nach Wien. Dieses Mal mit 300 000 Euro. Gezählt habe er die Scheine nicht. Der Staatsanwalt fragte: «Kann man das Geld in ein Kuvert geben?» Grasser antwortete: «In ein schmales geht das nicht hinein, nein. Ich habe es reingegeben in ein grösseres A4-Kuvert.»Von seiner Bank reisten die 500 000 Euro elektronisch weiter: erst zurück in die Schweiz, auf das Konto der Briefkastenfirma «Ferint», von dort weiter als Wertpapiere der Kärntner Hypo Bank. Und durch den masslos überteuerten Verkauf der Bank nach Bayern wurde innert kurzer Zeit aus der halben eine Dreiviertelmillion Euro. Ein blendendes Geschäft für die Schwiegermutter? Glaubt man Grassers Darstellung, sicher. Komischerweise sagte Frau Giora-Swarovski laut «Format» der Polizei, dass «das alles nicht stimmt» und sie mit der Sache nichts zu tun habe. Die Aussage vor der Staatsanwaltschaft verweigerte sie. Als Familienmitglied hat sie das Recht dazu. Grasser sitze jetzt in der «Schwiegermutter-Falle», titelte der «Kurier». Grasser selbst sagt zurzeit gar nichts - und für seinen Anwalt ist der Geldtransport in Briefkuverts ein «völlig harmloser Vorgang». Gut informierte Beobachter wollen allerdings wissen, dass der Umgangston in der Familie Grasser-Swarovski derzeit ziemlich unterkühlt ist.