Der Rechte war nicht der Richtige

10. Juni 2012

Eine Wienerin vertraute einem FPÖ-Politiker ihr Vermögen an. Das bereut sie jetzt bitter.

Was tun, wenn man im neunten Jahrzehnt seines Lebens steht, eine Million Euro auf dem Konto aber keine Erben hat? Diese Frage stellte sich vor einiger Zeit Gertrud Meschar, eine freundliche Dame aus dem Wiener Bezirk Donaustadt. Und sie hatte eine Idee: Da war dieser gut aussehende Herr aus der Nachbarschaft, der sie immer so freundlich grüsste. Der war Politiker, dritter Präsident des österreichischen Parlaments sogar. Und von der Freiheitlichen Partei noch dazu. Frau Meschar mochte die FPÖ, weil deren fescher Vorsitzender Heinz-Christian Strache den Mächtigen ordentlich die Meinung sagte und sich für den kleinen Mann einsetzte.

Und so vertraute Frau Meschar dem FPÖ-Politiker Martin Graf ihr Vermögen an. Und Graf half. Mit Rat und mit Tat. Er gründete eine Stiftung, die für den Unterhalt der alten Frau und im Notfall auch für ihre Pflege aufkommen sollte. Sagte Graf. Und Meschar glaubte ihm. Sechs Jahre lang. Bis sie sich fragte, wieso sie von der Stiftung pro Jahr nur ein paar Tausend Euro erhielt. Und sie (oder ihr Anwalt) Erstaunliches entdeckte. Zum Beispiel, dass sie sich laut Statut gar nicht in die Angelegenheiten ihrer eigenen Stiftung einmischen durfte. Das durfte nur der Vorstand, und in dem sassen Graf plus einige Freunde und Parteigenossen, allesamt aus der FPÖ, einige auch Mitglieder schlagender Burschenschaften.

Die rechten Recken hatten aus dem Stiftungsvermögen ein Haus gekauft, in dem Grafs Bruder ein Restaurant betreibt. Graf selbst meldete dort seine Internetsite «unzensuriert» an, die böse Machenschaften der linkslinken Presse aufdecken will. Auf dieser Seite ist unter anderem zu lesen, dass die alte Dame «wie ein Kind in die Fänge einer Sekte geraten ist» und Graf alles unternehmen werde, um die Frau zu schützen. Und natürlich sei nichts von den Vorwürfen wahr: Alle Aktivitäten der Stiftung dienten nur dem Wohl der Stifterin.

Aber wie sie nun einmal so ist, die linkslinke Presse: Sie glaubt dem freiheitlichen Präsidenten nicht, sie dreht ihm das Wort im Mund um, sie behauptet, der anständige Herr Graf habe sich das Vertrauen einer ahnungslosen Frau erschlichen und sie um ihr Vermögen gebracht.

Die Freiheitliche Partei hat jetzt ein Problem.

Dass Graf Mitglied einer deutschnationalen Burschenschaft ist, dass er Mitarbeiter hat, die online bei einem Neonazi-Versandhaus bestellten, dass er sich selbst zur «deutschen Volksgemeinschaft» bekannte, konnte ihm nichts anhaben. Aber «eine alte Frau machen», wie es im Wiener Gaunermilieu heisst? Ausgerechnet als Repräsentant einer Partei, die sich angeblich für die kleinen Leute einsetzt? Da ruft selbst die sonst so loyale «Kronen Zeitung» zum Rücktritt auf. Und das wiederum macht Parteichef Strache ziemlich unrund: Zum ersten Mal seit vielen Jahren rutscht die FPÖ in den Umfragen wieder auf Platz drei ab, hinter SPÖ und ÖVP. Wer sich an Tieren oder alten Damen vergreift, ist bei den Österreichern einfach unten durch.

Strache würde Graf ohnehin gerne loswerden. Die Nähe zu Deutschnationalen und Neonazis bringt der FPÖ keine Stimmen mehr, dafür gerät die Partei ob ihnen immer mal wieder in Argumentationsnotstand. Aber leider: Der junge Strache «darhebt» den alten Graf nicht, wie man in der österreichischen Politik zu sagen pflegt. Graf hat zu viele einflussreiche Freunde um sich geschart, und ohne Unterstützung der Jungs mit den zerkratzten Gesichtern könnte sich die FPÖ ihre nächsten Wahlerfolge höchstens aufmalen. Also muss Strache seinen ungeliebten Parlamentspräsidenten gegen «skandalöse Verleumdungen» verteidigen. Um jeden Preis.

Gestern erklärte Graf nun seinen Rückzug aus dem Stiftungsvorstand der Frau Meschar. Das ist für ihn sehr bequem: Stifterin Meschar strebt nämlich ein Gerichtsverfahren an. Der nette Herr aus der Nachbarschaft, dem sie einst ihr Geld anvertraute, kann nun nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden.