Der Schuss ging nach hinten los

27. Juni 2012

Adrian Nastase Rumäniens Ex-Premier muss ins Gefängnis. Ein Suizidversuch war offenbar nur vorgetäuscht.

Von Bernhard Odehnal

Besonders angeschlagen sieht er auf aktuellen Fotos nicht aus. Jedenfalls nicht wie ein Mann, der einen Suizidversuch knapp überlebt haben soll. Eher wie jemand, der nicht begreifen kann, dass er die nächsten Monate, vielleicht Jahre im Gefängnis verbringen soll. Rumäniens ehemaliger Premier Adrian Nastase ist soeben von einem Spital in die Krankenstation eines Bukarester Gefängnisses überstellt worden. Die Stahltüren schlossen sich hinter ihm. Erstmals sitzt damit ein osteuropäischer Ex-Regierungschef eine Freiheitsstrafe ab.

Als die Polizei den 62-jährigen Politiker vor einer Woche abholen wollte, soll er versucht haben, sich mit einem Schuss in den Hals das Leben zu nehmen. Diese Version wurde zumindest offiziell verbreitet. Inzwischen deuten jedoch viele Aussagen und Spuren darauf hin, dass Nastase nur einen Spitalaufenthalt erzwingen wollte, um dem Gefängnis zu entgehen. Bei dem vorgetäuschten Suizidversuch sollen ihm Polizisten und ein Arzt geholfen haben.Die plumpe Täuschung erinnert an Manöver des berüchtigten Geheimdienstes Securitate. Nastase sind solche Methoden nicht fremd. Der Apparatschik, der bei öffentlichen Auftritten immer kalt und abweisend wirkte, wurde in Nicolae Ceausescus System gross. Als Sohn regimetreuer Beamter konnte er Jus studieren und Karriere im Aussenministerium machen. In den 80er-Jahren verteidigte er als Botschafter in Europa und China die grausame Diktatur Ceausescus. Als sich ein Teil der Nomenklatur 1989 gegen den «Conducator» stellte, war Nastase jedoch auf der richtigen Seite. Nach der Wende wurde er Aussenminister, Parteichef der Sozialdemokraten und im Jahr 2000 schliesslich Premier.In den vier Jahren seiner Regierung wuchs allerdings nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Korruption. Die Rumänen litten unter der «Spaga» - Schmiergeldzahlungen für Polizei, Beamte oder Ärzte. Derweil kassierten Nastase und seine Freunde im grossen Stil bei der Privatisierung der maroden Staatsindustrie ab. Die meisten Betriebe wurden ohne öffentliche Ausschreibung verkauft, den Zuschlag erhielten auffallend oft Funktionäre der Sozialdemokratischen Partei. Ion Tiriac, ehemaliger Tennisstar und Manager Boris Beckers, wurde zum Leiter eines regierungsnahen Strategierates für ausländische Investoren ernannt. Er schenkte Nastase eine Mercedes-Limousine. Angeblich, um eine Wettschuld zu begleichen.

2004 wollte Nastase seinen politischen Ziehvater Ion Iliescu als Staatspräsidenten beerben. Die Wahl, die er zum «Kampf zwischen der Dunkelheit und dem Licht» emporstilisierte, verlor er unerwartet gegen den Ex-Schiffskapitän Traian Basescu. Auch er einst ein treuer Diener Ceausescus.Nach der Niederlage sank Nastases Stern rasch. Im Januar 2012 wurde er wegen illegaler Parteienfinanzierung zu zwei Jahren Haft verurteilt. Im März wurde das Urteil bestätigt. Das überraschte viele Rumänen, am meisten wohl Nastase selbst. Er hielt sich bis zuletzt für unantastbar. Das hatte auch schon sein ehemaliger Führer Ceausescu getan - und sich damit fatal geirrt. Nastase muss keine Erschiessung fürchten, aber sein tollpatschiger Versuch, sich der Strafe zu entziehen, dürfte ihm hinter Gitter keine Sympathien einbringen. Schon zu seiner Zeit als Regierungschef hatte Amnesty International die Zustände in rumänischen Gefängnissen scharf kritisiert. Ob sich seither etwas gebessert hat, kann Nastase jetzt selbst sehen.