Ein Präsident für die «unteren zehn Millionen»

28. Januar 2013

Tschechiens neues Staatsoberhaupt, Miloš Zeman, polterte gleich in der Wahlnacht gegen Reiche und Journalisten und mischte sich in die Innenpolitik ein.

Gleich nach seinem Sieg erklärte sich Miloš Zeman zum Vertreter der Entrechteten und Benachteiligten: Er wolle ein Präsident für die «unteren zehn Millionen Bürger» sein, erklärte das neue Staatsoberhaupt Tschechiens, einem Land mit 10,5 Millionen Einwohnern. Den oberen Fünfhunderttausend sagte der ehemalige Sozialdemokrat den Kampf an: Er werde kein Präsident von Mafiapaten sein, «die an unserer Gesellschaft parasitieren und das Blut aus ihrem Körper saugen».

Am Samstag wurde der 68-jährige Zeman zum Staatspräsidenten der Tschechischen Republik gewählt. Es war die erste Volkswahl, bis dahin waren die Präsidenten vom Parlament bestimmt worden. Zeman löst den Konservativen Václav Klaus ab, der nach zwei fünfjährigen Amtszeiten nicht mehr kandidieren durfte. In der Stichwahl konnte sich Zeman mit 55 Prozent der Stimmen gegen den amtierenden Aussenminister Karel Schwarzenberg (mit 45 Prozent der Stimmen) durchsetzen. Zeman bekam vor allem die Stimmen der Bauern, Arbeiter und Rentner, während Schwarzenberg bei der Mittelschicht, bei Intellektuellen, Künstlern und Studenten in den Städten punktete. Die Wahlbeteiligung lag mit 59 Prozent unter den Erwartungen.

Zeman will kein «Ficus» sein

Noch in der Wahlnacht schoss Zeman eine Breitseite gegen die liberale Presse, die vor allem seinen Gegner unterstützt hatte: In den Medien gebe es fast keine Profis und schon gar keine Journalisten, die intelligente Fragen stellen könnten. Als Präsident will Zeman aktiver als seine Vorgänger Václav Klaus und Václav Havel sein, an den Regierungssitzungen teilnehmen und die Arbeit der Minister kommentieren. Das Staatsoberhaupt sei kein «Ficus, der in der Zimmerecke steht und dessen Rolle nur darin besteht, von Zeit zu Zeit gegossen zur werden». Gestern forderte er bereits Neuwahlen, weil die Mitte-rechts-Koalitionsregierung zu instabil sei.

Seine Anhänger lieben den bulligen Politiker für solche Sprüche und den bodenständigen linken Populismus. Laut Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Stem/Mark war das stärkste Motiv, Zeman zu wählen, «dass er Tscheche ist». Im Wahlkampf hatte Zeman seinem Gegner Schwarzenberg vorgeworfen, er sei als Schweizer Staatsbürger kein echter Tscheche, könne die Sprache nicht richtig und halte sich zu viel im Ausland auf. Ausserdem nutzt Zeman eine Bemerkung Schwarzenbergs zu den BenešDekreten und schürte bewusst die Angst der älteren Tschechen vor einer Rückkehr der Sudetendeutschen.

Die Kampagne zeigte die erwünschte Wirkung: Viele Wähler gaben an, Schwarzenberg nicht gewählt zu haben, weil sie ihn nicht verstehen würden (der Aussenminister ist für seine nuschelnde Aussprache berüchtigt) und weil er kein echter Tscheche sei. Dass Zeman hingegen als arrogant gilt und für seinen exzessiven Alkoholkonsum berühmtberüchtigt ist, spielte bei der Wahlentscheidung kaum eine Rolle.

Zeman stammt aus der Industriestadt Kolín, vor 1968 sympathisierte er mit den Kommunisten, trat aber nach Niederschlagung des Prager Frühlings aus der Partei aus. Der Dissidentenbewegung schloss sich der studierte Ökonom erst im Herbst 1989 an und baute danach die sozialdemokratische Partei auf. 1998 wurde er Regierungschef einer Minderheitsregierung, unterstützt von der bürgerlichen ODS unter Václav Klaus. 2003 verlor er die Präsidentenwahlen gegen Klaus und zog sich beleidigt aus seiner Partei und der Politik zurück. Von seinem Landgut in Südmähren kommentierte er jedoch die Politik mit seinem charakteristischen Sarkasmus. Zum Präsidenten machten ihn vor allem die Wähler der Sozialdemokraten und der nicht reformierten kommunistischen Partei.