Ein schwieriger Moralist

30. August 2013

Der österreichische Regisseur Michael Haneke erhält den Zürcher Filmpreis für sein Lebenswerk.

Natürlich sei es angenehm, gelobt zu werden, sagte Michael Haneke unlängst dem österreichischen Nachrichtenmagazin «Profil»: «Anderseits fragt man sich amüsiert schon auch, ob man vielleicht etwas falsch gemacht habe, wenn einen plötzlich alle lieben.» Es ist wohl auch nicht direkt Liebe, die der Regisseur bekommt. Dafür ist sein Werk noch immer zu umstritten, dafür wirkt er selbst zu kühl und distanziert. Aber er wird anerkannt als einer der herausragenden Künstler in Europa. Und er wird ausgezeichnet: in Cannes, in London, in Berlin, in Los Angeles. Und jetzt auch in Zürich.

Haneke erhält vom Zurich Film Festival den Preis «A Tribute to …» für sein Lebenswerk, fünf seiner Filme werden im September in der Reihe «Kosmos Haneke» gezeigt. Der Regisseur beharre formal und erzählerisch unerbittlich auf Massstäben, die in der Flut der filmischen Dutzendware verloren zu gehen drohen, begründet das Filmfestival seine Entscheidung: Er zeige, «was Filmkunst sein kann».Michael Haneke wurde 1942 in München geboren und wuchs als Sohn eines deutschen Regisseurs und einer österreichischen Schauspielerin in Wiener Neustadt auf. Er begann als Redaktor beim Radio und Drehbuchschreiber und drehte bald auch schon eigene TV-Filme.

Sein erster Spielfilm «Der siebente Kontinent» hat bereits alle Merkmale, die später als «Haneke-Stil» bekannt werden sollten: lange Einstellungen, wenig Text, aber eine präzise Beobachtung der Figuren. Der Film zeigt das scheinbar perfekt organisierte Leben einer Kleinfamilie, das im Suizid endet. Das Thema der Sprach- und Verständnislosigkeit im engsten Familienverband wird Haneke später wieder aufnehmen, etwa in «Benny’s Video» oder in «Das weisse Band», in dem er die Folgen der autoritären protestantischen Erziehung im wilhelminischen Deutschland zeigt.Bereits der erste Film wurde in Cannes gezeigt und erhielt in Locarno den bronzenen Leoparden. International bekannt wurde er 2001 mit der Verfilmung von Elfriede Jelineks Roman «Die Klavierspielerin». Der Film wurde mit Preisen überhäuft, mit Hauptdarstellerin Isabelle Huppert arbeitete Haneke danach immer wieder. Auch Nobelpreisträgerin Jelinek lobt den Regisseur: Er könne seine Figuren sehr gut in den Griff bekommen, «sie machen keine Sekunde mit ihm, was sie wollen».

Dieser Griff ist allerdings auch gefürchtet, vor allem bei Produzenten. Haneke ist berüchtigt für seine Tüftelei am Set, die viel Zeit und Geld kosten. Dennoch leisten sich auch Opernhäuser seine aufwendige Arbeit. Der Mozart-Fan Haneke inszenierte zuletzt «Cosí fan tutte» in Madrid.Heftig kritisiert wurde sein Film «Funny games», in dem ein Ehepaar terrorisiert und ermordet wird. Die meisten Kritiker waren entsetzt über die Darstellung der Gewalt. Auch der italienische Schauspieler Nanni Moretti soll dem 71-Jährigen den Film sehr übel genommen haben. Das hinderte ihn als Jury-Präsident in Cannes aber nicht, Haneke im vergangenen Jahr für dessen Stück «Amour» die goldene Palme zu überreichen.

Diesen Februar erhielt Haneke für den Film auch einen Oscar. Derzeit arbeitet er am Drehbuch für seinen nächsten Film, der die Abgründe elektronischer Kommunikation ausleuchten soll. In Wirklichkeit, so der Regisseur im «Profil», erzähle der Film «wieder von Menschen und Moral».