Ein Theaterdirektor ohne Konto, viel Bargeld und eine Steuerfrage

15. März 2014

Ex-Schauspielhaus-Chef Matthias Hartmann bekam bei seinem Wechsel ans Wiener Burgtheater rund 350 000 Franken bar auf die Hand. Es fragt sich, wie er die Summe versteuert hat.

Von Bernhard Odehnal und Thomas Knellwolf, Zürich/Wien

Das Wiener Burgtheater steckt in der schwersten Krise seiner Geschichte. Das grösste und bedeutendste Sprechtheater im deutschen Sprachraum hat Schulden von 8,3 Millionen Euro. Theaterdirektor Matthias Hartmann, der im Sommer 2009 vom Zürcher Schauspielhaus an die Wiener Burg gewechselt hatte, wurde am Dienstag fristlos entlassen. In Rechtsgutachten werden ihm nicht nachvollziehbare Buchhaltung und fehlende interne Kontrolle vorgeworfen. Hartmann hatte für die chaotischen Zustände seine im November entlassene Vizedirektorin Silvia Stantejsky verantwortlich gemacht. Jetzt droht dem Theater auch eine Steuernachzahlung über 5 Millionen Euro.

Matthias Hartmann persönlich muss sich nun auch eine Frage gefallen lassen, die seine privaten Steuern betrifft: Wie hat er jene umgerechnet 350 000 Franken versteuert, die er kurz nach seinem Amtsantritt in Wien in bar bekam? Gegenüber österreichischen Medienvertretern hat er jüngst erklärt, er habe das Wiener Vorschusshonorar versteuert. Das Burgtheater geht bis heute davon aus, dass dies in der Schweiz geschehen ist. Doch ist dem so? TA-Recherchen zeigen: Hartmann war zum Zeitpunkt der Auszahlung(en) bereits offiziell aus Zürich weggezogen.

«Noch kein Konto in Wien»

Auf den 20. Juli 2009 hin hatte sich Hartmann beim Bevölkerungsamt der Stadt Zürich abgemeldet, mit der Begründung: Wegzug nach Wien. Eine amtliche Bescheinigung liegt dem TA vor. Auch das Burgtheater ist im Besitz einer Ansässigkeitsbestätigung des Zürcher Finanzamts für Hartmann bis zum 20. Juli 2009. Neun Tage nach dem offiziellen Wegzug aus der Schweiz liess Hartmann sich von Vizedirektorin Stantejsky in Wien 233 000 Euro geben – als Honorar für Vorbereitungsarbeiten. Das berichtete die Wiener Tageszeitung «Die Presse», und Hartmann bestätigte den Bericht wenige Tage vor seiner Entlassung. Sein Wiener Anwalt Georg Schima erklärte gestern gegenüber dem TA schriftlich, das Geld sei in Teilbeträgen ausbezahlt worden und bar, denn «Herr Hartmann hatte in diesem Zeitraum noch kein Konto in Wien».

Die Honorarnote für diese Auszahlung wurde laut «Presse» erst fünf Wochen später, am 29. August 2009, ausgestellt: mit Hartmanns Namen und der Zürcher Adresse Schiffbaustrasse 4. In Zürich war Hartmann am Schluss seines Engagements in den Büros des Schauspielhauses in der Giessereistrasse 5 gemeldet gewesen (gleich neben der Spielstätte Schiffbau). Zum Zeitpunkt, als das Honorar ausgestellt wurde, aber nachweislich nicht mehr. «Wenn Hartmann seine Rechnung auf eine abgemeldete Zürcher Adresse ausstellt, lässt er damit das österreichische Finanzamt wissen, dass er in der Schweiz Steuer zahlt», sagt der Kultursprecher der österreichischen Grünen, Wolfgang Zinggl: «Die Frage ist nun, wo und ob er das tatsächlich getan hat.»

«Augen und Ohren offen»

Der TA konfrontierte Anwalt Schima mit dem Verdacht, Hartmann habe die Schweizer Steuerbehörden glauben lassen wollen, er sei bereits in Österreich steuerpflichtig, und die österreichischen Behörden, er sei noch in der Schweiz steuerpflichtig. Ist dieser Verdacht völlig unbegründet? Rechtsanwalt Schima gab darauf keine Antwort. Zuvor hatte er geschrieben, er gehe davon aus, dass alles ordnungsgemäss versteuert worden sei.

Der TA hatte zum ersten Mal am Dienstag über das Vorbreitungshonorar für Hartmann berichtet. Der Artikel wurde zumindest in der Stadtzürcher Steuerverwaltung intensiv diskutiert. Zuständig für eine Nachprüfung wären aber die kantonalen Kollegen. Diese halten sich bedeckt. «Wir können aufgrund des Steuergeheimnisses nicht sagen, ob wir die Sache nun nochmals unter die Lupe nehmen», erklärt Roger Keller, Sprecher der Finanzdirektion des Kantons Zürich. «Die Steuersekretäre und die Leitung des kantonalen Steueramts halten aber Augen und Ohren offen, wenn Hinweise auf mögliche Steuervergehen in Medien auftauchen.»

Matthias Hartmann war im Sommer 2005 Intendant des Zürcher Schauspielhauses geworden. Zu seinem Grundlohn von 240 000 Franken kamen noch Anteile am Ticketverkauf und Honorare für eigene Inszenierungen sowie Produktionen am Opernhaus. Insgesamt dürfte Hartmann pro Jahr rund 550 000 Franken verdient haben.

Bereits 2006 gab Hartmann bekannt, er werde Direktor des Wiener Burgtheaters. Und zwar ab der Saison 2009/10. Wie die «Presse» herausfand, bekam Hartmann bereits in der Zeit von 2006 bis 2009, während er noch am Schauspielhaus angestellt war, Honorare vom Burgtheater. In einem Vertrag vom 29. September 2006 waren 85 000 Euro für Vorbereitungsarbeiten vereinbart worden. Bar ausbezahlt wurden aber 230 000 Euro, was beim Kurs von 2009 rund 350 000 Franken entspricht.

Die Differenz zu den vereinbarten 85 000 Euro erklärte Hartmann gegenüber der Zeitschrift «News» mit «Gagen und Rechteabgeltung» für fünf Inszenierungen, die er aus Zürich nach Wien mitgenommen habe.

«In Zürich undenkbar»

Wurde das Zürcher Schauspielhaus über die zusätzlichen Einnahmen des damaligen Intendanten informiert? Er habe nichts von den Honoraren gewusst, sagt Marc Baumann, der als kaufmännischer Direktor nach einem Streit mit Hartmann 2007 das Schauspielhaus verliess. Dass das neue Haus bei einem Intendanzwechsel ein Budget für die Vorbereitung der ersten Saison bereitstelle, sei üblich. Ein «Vorbereitungshonorar» stelle jedoch arbeitsrechtlich eine bezahlte Nebenbeschäftigung dar und hätte eigentlich vom Verwaltungsrat bewilligt werden müssen, sagt Baumann.

Der Verwaltungsrat des Schauspielhauses habe von einer Entschädigung für Vorbereitungsarbeiten in Wien gewusst, stellt der damalige Verwaltungsratspräsident Bruno Bonati fest. Aus Zürcher Sicht sei wichtig gewesen, dass Hartmanns Arbeitsleistung bis zum Schluss gestimmt habe. Der Lohn sei nicht reduziert worden. Entschädigungen für Spesen und Zusatzaufwand seien zwar Praxis beim Wechsel von Intendanten und Regisseuren, sagt Bonati dem TA, «ein Betrag in der Höhe von 230 000 Euro wäre in Zürich aber undenkbar».