Milliardär Frank Stronach hat sein Vermögen in der Schweiz und seine Firmen auf der ganzen Welt. Jetzt steigt der 80-Jährige in die österreichische Politik ein - und verstört mit seinen Auftritten Gegner und Freunde.
Von Bernhard Odehnal, Wien
«Das ist ein sehr wichtiger Tag, der in die Geschichte Österreichs eingehen wird. Und ich glaube auch, dass das in die Geschichte der Welt eingehen wird.»
Frank Stronach strahlt. Er hat zur Präsentation seiner neuen Partei in die Orangerie des Wiener Barockschlosses Schönbrunn geladen, und viele sind gekommen: Kamerateams, Radioreporter, schreibende Journalisten aus dem In- und Ausland. Doch wer an diesem sonnigen Septembertag eine Pressekonferenz mit Fragen und Antworten erwartete, der wurde enttäuscht. Eine halbe Stunde steht der 80-jährige Milliardär auf der Bühne und lehrt den Journalisten sein Weltbild. Fragen? Sind nicht gestattet. Autogramme gibt Stronach gern.
Danach wird das Spektakel in der Agglo südlich von Wien wiederholt. Stronach lädt das Volk in das protzige Veranstaltungszentrum seiner Pferderennbahn Magna Racino nach Ebreichsdorf. Es bekommt Würstel mit Senf und wieder einen Vortrag des Parteivorsitzenden (dieses Mal über eine Stunde lang). Im ersten Werbespot von «Team Stronach für Österreich» erfährt das Publikum, dass Stronach «die Art und Weise, wie Autos gebaut werden, völlig verändert und nebenbei auch den Pferderennsport neu erfunden hat». «Frank», sagt der ehemalige US-Präsident Bill Clinton in die Kamera, «ich bin stolz darauf, dich zu kennen.» Zwei Millionen Euro hat Stronach bis jetzt in sein politisches Projekt investiert.
Die Investition macht sich bezahlt. Stronach tritt in Talkshows in Österreich und Deutschland auf, wird interviewt, zu Vorträgen geladen. Positive Bewertungen bekommt er jedoch kaum. Die Reaktion der Medien reicht von nachsichtigem Lächeln bis beissendem Spott. Eine «Mischung eines Wiedergängers des unseligen Jörg Haider und eines amerikanischen Erweckungspredigers» nennt ihn der deutsche «Spiegel», einen «Messias aus Ebreichsdorf» das österreichische «Profil». Der Angegriffene fühlt sich durch solche Beschreibungen in seinem Weltbild bestärkt. Für Stronach sind Medien «Systemerhalter». Ständig klagt er über Lügen der Journalisten.
«Ich habe nie einen Fehler gemacht.»
In seiner selbst gewählten Rolle als Retter Österreichs vor unfähigen Politikern, gierigen Banken und EU-Bürokraten fühlt sich der 80-Jährige rundum wohl. Er wirkt fit, ist braun gebrannt und kein bisschen müde. Nur der Posten des Bundeskanzlers ist ihm zu anstrengend. Wenn sein Team bei den nächsten Parlamentswahlen den ersten Platz erreiche (davon ist Stronach fest überzeugt), wolle er einfacher Abgeordneter sein. Die Regierung werde ihm sowieso folgen müssen: «Wenn unsere Werte einmal bekannt sind, kann es sich keine andere Partei mehr leisten, andere Werte zu haben.» Die Umfragen geben dem Team Stronach derzeit bis zu 10 Prozent, allerdings sagen 40 Prozent, dass die Partei für sie prinzipiell wählbar wäre. Bei schwierigen Koalitionsverhandlungen könnte Stronach nach den nächsten Wahlen den Königsmacher spielen. Oder selbst in die Regierung gehen. Österreich, schreiben Kommentatoren, sei auf dem Weg zum «Frank-Reich».
«Ich brauch keine Politikberater. Ich setz mich z’samm mit die Arbeiter und frag: Was ist das Problem? Dann machen wir das.»
Obwohl es Österreich nie an Fantasten und Populisten mangelte, ist Stronach einzigartig. Noch nie trat jemand auf die politische Bühne, der seine Partei aus der eigenen Portokasse finanzieren kann. Noch nie präsentierte eine neue Bewegung so wenige Inhalte. Stronachs «Werte» bleiben sein Geheimnis. Mehr als «Fairness» und «Transparenz» verrät er nicht. Das Parteiprogramm wird erst im nächsten April präsentiert. Wer mehr wissen will, der wird gemassregelt: «Das sind jetzt lauter negative Kommentare», bellt Stronach in seinem oststeirischen Dialekt mit amerikanischer Färbung. Oder: «Das habe ich nie so gesagt. Man muss mir zuhören.» Dann redet er über Schulden, die das Land zugrunde richten werden, oder über das Unglück der gemeinsamen Währung. Vor dem Sommer forderte er: raus aus dem Euro, zurück zum Schilling. Anfang September hiess es dann: Der Euro müsse nur in siebzehn konvertierbare Währungen umgewandelt werden.
Seine Zielgruppe wird sich durch diese kleinen Unschärfen kaum irritieren lassen. Stronach zieht Protestwähler an, die aus der Unterschicht kommen. Viele haben sich von der im Korruptionssumpf versinkenden FPÖ abgewandt, andere kommen aus dem sozialdemokratischen Lager. Ihnen imponiert der Aufstieg Stronachs vom Arbeiterkind zum Milliardär. «Das Leben war immer gut zu mir» ist einer seiner Stehsätze: «Aber es ist leichter, glücklich zu sein, wenn man Geld hat.»
Stronach kennt die bittere Armut. Er wird 1932 als Sohn einer Gelegenheitsarbeiterin in der «Kolonie» geboren, einer Barackensiedlung am Rand des steirischen Dorfs Kleinsemmering. Der Bergbau lag zu jener Zeit bereits in den letzten Zügen, die Arbeitslosigkeit war hoch. Stronachs Eltern trennten sich, als der Bub fünf Jahre alt war. Nach dem Krieg kann er eine Lehre als Werkzeugmacher bei einem grossen Unternehmen in der nahen Stadt Weiz beginnen und daneben in einem lokalen Verein Fussball spielen. Schon damals zeichneten ihn Zielstrebigkeit und Härte gegen sich selbst aus, fand sein Biograf Norbert Mappes-Niediek in Gesprächen mit Stronachs Altersgenossen heraus (die Biografie erschien 2004).
Doch Stronach will raus aus dem ärmlichen Leben im Nachkriegs-Österreich. Kurz vor seinem 20. Geburtstag geht er nach Bern, findet eine Stelle als Maschinist und einen Platz im Fussballclub FC Helvetia. Bei seinem Abschied im November 1953 lobt das Vereinsblatt Stronachs «saubere, bescheidene Art» mit der er viele Freunde gewonnen habe.Ein Jahr später bricht Stronach wieder auf, diesmal nach Kanada. Ein paar Franken hatte er noch in der Tasche, doch zum Leben ist es zu wenig: «Es gab Zeiten, in denen ich hungrig war, weil ich kein Geld hatte, um Essen zu kaufen. Das hinterlässt ganz tiefe Eindrücke.» Nach den ersten Gelegenheitsjobs (auch als Tellerwäscher) kann er eine eigene Werkstatt einrichten und grossen Autokonzernen seine Dienste anbieten. Sein Angebot ist einfach und effizient: «Sagt mir, was ihr braucht, ich mache es schneller und billiger als die Konkurrenz.» So entsteht Anfang der 60er-Jahre die Magna. Heute hat der Konzern Fabriken in Amerika, Asien und Europa mit insgesamt über 100 000 Mitarbeitern. Dass Stronach Magna als «die Nummer eins» bezeichnet, gehört allerdings in seine Welt der Übertreibungen.
«Das grösste Problem mit den meisten Leuten ist: Sie machen alles so kompliziert. Ich mache alles einfach.»
Als Unternehmer handelt Stronach wie ein aufgeklärter Monarch: alles für das Volk, nichts durch das Volk. In der «Magna Charta», einer Art Firmenverfassung, ist eine Mitarbeiterbeteiligung am Gewinn festgelegt. Betriebsräte lehnt Stronach jedoch ab, die wollten «nur Politik machen». Wem das nicht passt, der wird gefeuert. Gegen aufsässige Aktionäre sicherte sich Stronach mit dem absoluten Stimmrecht ab. So konnte er sich gegen den Widerstand der Kleinaktionäre jahrelang enorm hohe Beraterverträge auszahlen, laut kanadischen Medien jährlich zwischen 20 und 35 Millionen Dollar. Nach demselben Prinzip hat er die Statuten seiner Partei gestaltet. Der Parteichef bestimmt allein. Wem das nicht passt, der muss gehen.
Stronachs Beraterhonorare landeten in der Schweiz, bei seiner Firma Stronach & Co. im zugerischen Cham. Von dort gibt es eine Verbindung zu einer Firma auf der Kanalinsel Jersey, und dann verliert sich die Spur des Geldes. In der «Liste der 300 Reichsten in der Schweiz» des Wirtschaftsmagazins «Bilanz» hat Stronach einen Stammplatz. Sein Vermögen wird auf 1,75 Milliarden Franken geschätzt. In der Stadt Zug hat Stronach eine Wohnung an der Industriestrasse 13b. Er selbst sagt, dass er sich dort nur selten aufhalte und «nur wenig Steuern» zahle.
Stronach lobt die Schweiz für ihre eigenständige Politik und ihre eigene Währung. Über sein Geld spricht er nicht so gern. Als bei der Präsentation ein Zuhörer nach seinem Vermögen in Zug fragt, bezeichnet ihn Stronach als «Gesandten der Roten Armee».
«Ich brauch keine Auszeichnung, ich brauch keine Titel, ich brauch gar nichts. Aber ich habe ein Gewissen. Deshalb stelle ich mich meinem Land zur Verfügung. Mit der Erfahrenheit, die ich habe. Und mit Geld.»
Statt in Zug schlug Stronach sein europäisches Hauptquartier dann doch lieber in Österreich auf. In Oberwaltersdorf (südlich von Wien) errichtete er die Siedlung Fontana mit einem Teich, einem Golfplatz und Luxusvillen. In Ebreichsdorf wollte er einen 50-stöckigen Wolkenkratzer in Form der Weltkugel bauen. Der «Magna Globus» sollte Österreichs neues Wahrzeichen werden. Bürgerproteste und Raumplanung liessen das Projekt früh scheitern.
Auch den österreichischen Fussball wollte Stronach revolutionieren und die Nationalmannschaft zum Weltmeister oder zumindest «besser als die Deutschen» machen. Doch weder als Präsident der Bundesliga noch des Wiener Clubs Austria schuf er bleibende Werte. Trainer wurden teuer eingekauft und schnell wieder entfernt. Auch Joachim Löw musste nach einem halben Jahr wieder gehen, weil ihn Stronach für unfähig hielt. Als Trainer der deutschen Nationalmannschaft ist Löw heute ein Star. Stronach macht einmal mehr andere für den Misserfolg verantwortlich.
«Wer sind die Wirtschaftsforscher? Die haben noch nie Löhne bezahlt. Die reden immer alle so einen Blödsinn zusammen. Ich bin stolz darauf, dass ich so viele Arbeitsplätze geschaffen habe.»
Ganz so neu, wie er jetzt tut, ist Stronach nicht in der Politik. In den 80er-Jahren versuchte er mit einem ähnlichen Konzept bei den kanadischen Liberalen anzudocken. Seine Kandidatur scheiterte trotz des einprägsamen Slogans «Let’s be Frank». Auch in Österreich sei Stronach immer «Teil des politischen Establishments» gewesen, sagt der Politikwissenschafter Anton Pelinka: «Er hat eng kooperiert mit den Parteien, gegen die er nun antritt.» Der Milliardär hatte immer ein gutes Gespür dafür, wer ihm nützlich sein könnte. Als sich er blutjunge FPÖ-Politiker Karl-Heinz Grasser mit seinem Ziehvater Jörg Haider zerstritt, holte ihn Stronach zu Magna. Zwei Jahre später ging Grasser als Finanzminister zurück in die Politik. Seinem Mentor Stronach blieb er verbunden.
Stronach hatte mit keiner Partei Berührungsängste: Von der FPÖ holte er noch Haiders Taschenträger Peter Westenthaler, von der SPÖ den ehemaligen Kanzler Franz Vranitzky, von der ÖVP ausrangierte Landespolitiker. Stronach schimpft über unfähige Politiker, «die nicht einmal einen Krämerladen führen könnten», doch staatliche Förderungen nimmt er immer gerne. In seiner Welt ist das kein Widerspruch: 48 Millionen Euro an Förderungen kassiert, 150 Millionen gespendet, 13 000 Arbeitsplätze geschaffen. Bilanz positiv: wieder etwas Gutes für die Heimat getan. Aber eigentlich will er über sein eigenes Vermögen gar nicht reden, das sei «eine schlechte Tugend». Und schon singt er wieder sein eigenes Lied, von den Schulden, die das Land zerstörten, von der Wirtschaft, die man verstehen müsse, von den klugen Managern und den fleissigen Arbeitern.
«Das Leben war immer unheimlich gut zu mir. Ich komme aus einfachen Verhältnissen, habe viel und hart gearbeitet und mir einen gewissen Wohlstand erworben. Nun möchte ich der Gesellschaft gerne etwas zurückgeben.»