Im Dienste des finsteren Fürsten

25. September 2012

Wie ich mithalf, die Demokratie in Österreich zu zerstören.

Von Bernhard Odehnal

Es ist Zeit für eine Entschuldigung. Österreichs Demokratie durchlebt gerade dunkle Stunden. Das Vertrauen der Österreicher in die Parteien ist zerstört, der Parlamentarismus nachhaltig beschädigt. Die Axt führt aber nicht ein primitiver Rechtspopulist, sondern ein Vertreter der Regierungspartei SPÖ, ein redegewandter Intellektueller mit einem Faible für französische Kultur. Er heisst Josef Cap - und dass er heute an der Spitze der sozialdemokratischen Fraktion im Wiener Parlament sitzt und von dort aus sein Werk der Zerstörung vollziehen kann, daran bin ich nicht ganz unschuldig. Ich hatte es damals gut gemeint. Heute kann ich mich nur mehr entschuldigen.

Josef Cap galt als Rebell und Hoffnungsträger der Linken. Heute wird er selbst von Parteifreunden «Fürst der Finsternis» genannt. Er hält Fraktionskollegen auf Linie, schickt verlässliche Parteisoldaten an die vorderste Front und bestraft Abweichler. Und er beschützt den roten Bundeskanzler Werner Faymann. Der will nämlich nicht als Zeuge vor dem grossen Korruptions-Untersuchungsausschuss erscheinen. Er will nicht zu seinem Verhältnis zu den Boulevardzeitungen befragt werden und zu den Inseraten, die er diesen jahrelang auf Kosten anderer zuschanzte. Der Kanzler verweigert sich dem Parlament, und Fraktionsführer Caperledigt die Formalitäten: Er demontiert die grüne Ausschussvorsitzende, er desavouiert die Opposition, er dreht die Korruptionsermittlungen ab. Einen «Skandal» und eine «Farce» nennen das Juristen, einen «kalten Putsch» ein Chefredaktor.

Nein, so hatten wir das sicher nicht gemeint, als wir für Cap bei den Wahlen 1983 um Stimmen warben. Wir waren jung und links, wir glaubten an die Reformierbarkeit der verkrusteten Sozialdemokratischen Partei. Cap war unser Idol. Wir dachten, er würde für uns sprechen. Wir durften zwar selbst noch nicht wählen, aber wir verteilten Flugblätter mit Caps Foto, wir diskutierten in Arbeiterquartieren mit Leuten, die Jungsozialisten am liebsten zum Frühstück gegessen hätten. Wir klebten in der Nacht die Stadt mit Plakaten voll, immer auf der Hut vor der Polizei und vor den Eltern, die am nächsten Morgen Erklärungen für die Kleisterflecken auf Jacken und Hosen haben wollten.

Der damals 30-jährige Cap hatte seinen Ruf als Rebell durch einen denkwürdigen Auftritt auf einem Parteitag gefestigt, bei dem er die an der Macht fett und selbstgerecht gewordene Parteispitze durch drei freche Fragen provozierte. Er flog aus dem Parteivorstand und wurde für die Parlamentswahlen auf einen aussichtslosen Listenplatz gesetzt. Doch unsere nächtlichen Klebetouren zeigten Wirkung: Cap überholte seine Konkurrenten und zog in den Nationalrat ein. Es war unser Sieg.

Kaum aber sass Cap auf seinem Abgeordnetensitz, war es vorbei mit der Rebellion. Selbst für sozialdemokratische Verhältnisse vollzog er die Wandlung zum braven Parteisoldaten mit atemberaubender Geschwindigkeit. Was blieb, war seine exzellente Rhetorik und sein Zynismus. Die richtete er gegen die alten Freunde.

Fast 30 Jahre ist Cap jetzt roter Zuchtmeister im Parlament. Minister ist er nie geworden, aber er konnte sich mit fünf sozialdemokratischen Parteichefs arrangieren. Er war immer flexibel. Erst reagierten wir auf die blitzartige Wandlung unserer Zukunftshoffnung mit Unglauben, dann mit Verleugnung, schliesslich mit Resignation. Viele von uns kehrten der Sozialdemokratie und der Politik den Rücken. Die Frage, wie wir nur so blöd sein konnten, stellten wir uns erst viel später. Die Antwort kenne ich bis heute nicht.

Andere blieben und traten die «Ochsentour» in der Partei an. Heute sind sie Abgeordnete, Minister - und Bundeskanzler. Ja, auch der in Verruf geratene Werner Faymann machte einst Wahlkampf für Cap. Heute ist er Regierungschef und hat seine eigene Seilschaft. Josef Cap war sein Lehrmeister. Heute ist er sein Vollstrecker.