Kampfjets, Briefkästen und die UBS

13. November 2012

Um Schmiergelder zu verteilen, bedienen sich Rüstungskonzerne der Netzwerke von Waffenlobbyisten mit Briefkastenfirmen. Die Schweiz hat dabei eine Schlüsselfunktion.

Im Norden die Rigi und der Zugersee, im Süden die mächtigen Gipfel des Berner Oberlands: Der Bürgenstock am Vierwaldstättersee gehört zu den schönsten Aussichtspunkten der Schweiz. Der Deutsche Frank Walter P. nahm hier seinen Wohnsitz aber eher wegen der Nähe zur Nidwaldner Gemeinde Beckenried, wo er mehrere Firmen registrieren liess. An beiden Adressen führte die Schweizer Polizei vergangene Woche auf Antrag der österreichischen Staatsanwaltschaft Hausdurchsuchungen durch (TA vom 8. 11.): Über P.s Firmen in Nidwalden soll der europäische Rüstungs- und Flugzeugkonzern EADS mindestens 10 Millionen Euro Bestechungsgelder verschoben haben.

Die Sonderkommission Hermes der Staatsanwaltschaft Wien vermutet Schmiergeldzahlungen im Zusammenhang mit Österreichs Kauf von Abfangjägern des Typs Eurofighter Typhoon. Der seit 2006 in der Schweiz gemeldete P., dessen Aufenthaltsbewilligung B nächstes Jahr ausläuft, dürfte dabei eine Schlüsselrolle gespielt haben. Für den TA war P. nicht zu erreichen. EADS benutzte aber offenbar auch andere Kanäle in der Schweiz. Über ein Konto der schwedischen Orbital bei der UBS sollen 2 Millionen Euro geflossen sein.

Korruptionsanfällige Branche

Es gibt bis jetzt keinen Hinweis darauf, dass auch beim Wettbewerb um den Schweizer Kampfjetkauf Schmiergelder gezahlt oder versprochen wurden. Aber ein Kampfjet-Geschäft ohne Korruption wäre eher die Ausnahme als die Regel, sagt Josef Lang, ehemaliger Nationalrat der Grünen.

So ermittelte die britische Justiz gegen BAE Systems wegen des Vorwurfs der Bestechung in afrikanischen Ländern, in Saudiarabien und Osteuropa. Der Rüstungskonzern zahlte daraufhin 400 Millionen Dollar, um ein Gerichtsverfahren zu vermeiden. In Ungarn und Tschechien wurden beim Kauf der Saab-Gripen mehrere Millionen Euro Bestechungsgelder gezahlt. Auch hier führt eine Spur in die Schweiz: Im Mittelpunkt der Ermittlungen steht die Firma Valurex mit Sitz in Genf. Lobbyisten, die für die Schweden warben, traten wenig später als Vertreter für Eurofighter auf: BAE Systems ist sowohl an Saab als auch an Eurofighter beteiligt.

Verdacht auf Schmiergeld

In Österreich hat die Staatsanwaltschaft den Verdacht, dass nicht nur beim Kauf der Eurofighter vor zehn Jahren Schmiergeld gezahlt wurde. Noch mehr Geld könnte danach ins Spiel gekommen sein, schreibt das Magazin «Profil». Als die schwarz-blaue Koalition die neuen Kampfjets für knapp 2 Milliarden Euro kaufte, wurde sie für «Verschwendung von Steuergeld» von Opposition und Zivilgesellschaft scharf kritisiert. Als Antwort auf die Kritik vereinbarte die damalige Regierung unter Kanzler Wolfgang Schüssel mit Eurofighter Gegengeschäfte im Wert von 4 Milliarden Euro. Welche Geschäfte tatsächlich abgewickelt wurden, ist aber bis heute geheim.

Eurofighter trat die Verpflichtung an den Mutterkonzern EADS ab – und dieser an eine Briefkastenfirma namens Vector in London. Von dort wurden an die 80 Millionen Euro an mehrere Brokerfirmen verteilt, gestand der verhaftete Besitzer von Vector, der Italiener Gianfranco Lande. Zu diesen Brokern gehören die Orbital mit ihrem UBS-Konto und die Firmen von Frank Walter P. in Nidwalden.

Weitverzweigtes Netzwerk

P.s Unternehmen haben keine lange Halbwertszeit. Zwei, drei Jahre nach der Gründung wechseln sie ihren Namen: von Incuco zu Comco zu FT Capital Markets zu VIL Industrieberatung. Firmensitz bleibt Beckenried, Firmenzweck «Beratung». Dass sie Endabnehmer der EADS-Zahlungen sind, ist unwahrscheinlich. Die Staatsanwaltschaft weiss von Überweisungen der Nidwaldner Firmen an zwei Briefkastenfirmen österreichischer Waffenlobbyisten. Die Firma Brodmann auf den Virgin Islands hatte einen in Zürich lebenden österreichischen Geschäftsführer und gehört zum Netzwerk von Alfons Mensdorff-Pouilly. Der Graf mit Schlössern im Burgenland und in Schottland war im Auftrag von BAE Systems als Lobbyist für Saab und Eurofighter tätig. Wegen des Verdachts der Bestechung in Verbindung mit Kampfjet-Käufen in Osteuropa wird gegen ihn Anklage erhoben.

Die Firma Orbital, über deren UBS-Konto Zahlungen von EADS und Vector gelaufen sein sollen, gehört dem Schweden Johan Leif E., der zuvor eine leitende Stelle in der Flugzeugabteilung von Saab hatte. Danach war er als Experte für Gegengeschäfte sowohl für Saab als auch den Konkurrenten Eurofighter tätig. Etwa zu jener Zeit, als EADS die Millionen an die Brokerfirmen verteilte, arbeitete E. für Vorfeldorganisationen der ÖVP – also jener Partei, die gemeinsam mit der FPÖ den Kauf der Eurofighter durchsetzte. E. trat unter anderem als «Vernetzungs-Coach» für ein Projekt der Wirtschaftskammer Niederösterreich mit der slowakischen Stadt Trnava auf. Ein Schwede als Slowakei-Experte in Österreich? «Es gibt bis heute keine Hinweise, dass bei Orbital nicht alles rechtmässig war», sagt Eduard Salzborn, Wiener Anwalt von E.

EADS droht eine Strafe

Für EADS steht viel auf dem Spiel. Kann der Konzern gegenüber der österreichischen Regierung die Abwicklung der Gegengeschäfte nicht nachweisen, droht eine Strafe bis zu 200 Millionen Euro. In Bern hat sich der Bundesrat zwar für den schwedischen Gripen entschieden. Die EADS-Tochter Eurofighter versucht aber, mit Occasionsangeboten doch noch den Zuschlag zu bekommen. Die neuen Korruptionsvorwürfe samt Hausdurchsuchungen in der Schweiz kommen da zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. EADS werde es in der Schweiz jetzt sehr schwer haben, glaubt Grünen-Politiker Josef Lang.