Kleiderordnung muss sein!

8. Oktober 2013

Die Studenten in der ungarischen Kleinstadt Kaposvár gehen nackt zum Unterricht.

Also lautet ein Beschluss, dass der Mensch sich ordentlich anziehen muss. Und zwar richtig ordentlich. Keine Schlabberhemden, keine zerrissenen Jeans. Auf gar keinen Fall kurze Hosen oder Miniröcke. Und auch kein auffallendes Make-up, keine Flip-Flops an den Füssen, keine langen Haare oder Fingernägel und kein intensives Parfüm. Der gestrenge Rektor will es nicht und hat es deshalb verboten. Seit 1. Oktober ist das Verbot in Kraft.


Ferenc Szávai, Rektor der Uni Kaposvár, gefiel nicht,
was er sah. Foto: Universität Kaposvár

Wo sind wir hier? An der Universität Kabul? Keineswegs. Die fundamentalistische Kleiderordnung ist an der Hochschule von Kaposvár erlassen worden, einer Kleinstadt im Süden Ungarns. Eine Universität gibt es dort erst seit 13 Jahren, und mit ihren vier Fakultäten ist sie die kleinste im Land. Aber auch die strengste. Zumindest, was Aussehen und Auftreten der Studenten betrifft.

Das fand Rektor Ferenc Szávai nämlich nicht so gut. Und so schickte er einen Brief an alle Studierenden. Darin legte er nicht nur das Verbot kurzer Hosen und Röcke fest, sondern schickte gleich die Anweisung mit, wie sich die Studenten zu kleiden haben. Bei Prüfungen und Vorlesungen: lange Röcke für die Frauen, dunkle Anzüge und Krawatten mit seriösem Muster für die Herren.

Was hat sich der Herr Rektor wohl dabei gedacht? Auf der Website der Universität ist ein Bild von ihm, da steht er im schwarzen Samtsakko, mit Schnauz, strengem Blick und der goldenen Rektorenkette um den Hals. Bilder können täuschen, natürlich. Aber dieses vermittelt zumindest nicht den Eindruck, als würde Szávai dem grün-alternativen Lager nahestehen. Oder dem liberalen. Oder irgendeinem Lager, das nicht die Heilige Inquisition als oberste Instanz anerkennt. Und dann wandelt dieser Hüter der reinen Lehre durch die Gänge der Alma Mater und sieht was? Nackte Frauenschenkel! Behaarte Männerbeine! Fleischeslust, überall. Wer würde da nicht zum Taliban werden?

Dummerweise – aber auch nicht wirklich überraschend – hat der Rektor genau das Gegenteil erreicht. Vergangene Woche kam eine Klasse der Kunstfakultät züchtig bekleidet zur Vorlesung, zog sich dann aber im Hörsaal bis auf die Unterhosen aus. Die Bilder davon stellten sie gleich ins Internet. Gestern erschienen etliche Studenten in Strandsandalen zum Unterricht, nur mit einem Handtuch bekleidet. Zu diesem «Tag der Nacktheit» rief die Facebook-Gruppe Dresscode 2013 auf. Deren Mitglieder bezeichnen sich selbst als «Décolletépolizei, Strandschlappenmafia, Kostümkommando».

Immerhin hat es der Rektor geschafft, seine Mini-Uni weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt zu machen. Wer in Zukunft den Namen der Universität Kaposvár googelt, wird wohl früher oder später (eher früher) auf die Fotos der nackten Studenten stossen. Die Gefahr, dass die Universität unter diesen Umständen in den nächsten Jahren von neuen Studenten regelrecht gestürmt wird, scheint aber eher gering.

Überhaupt sind übervolle Hörsäle und ausgebuchte Seminare nicht gerade ein grosses Problem ungarischer Universitäten. Heute habe Ungarn 50 000 Studenten weniger als noch vor zwei Jahren, schreibt die Onlinezeitung «Pester Lloyd». Das liegt weniger an Kleidervorschriften als an den Sparmassnahmen der Regierung von Viktor Orban bei den Hochschulen und am Zwang, nach Studienabschluss im Inland arbeiten zu müssen. Wer das nicht will, muss die Ausbildungskosten zurückzahlen. Die Folge: Junge Ungarn stürmen die Hochschulen – in Österreich, Deutschland und in der Schweiz.

In der satirischen «HeuteShow» des deutschen ZDF bekam Ungarn den ersten Platz im Ranking der «beklopptesten Länder der Woche» – vor Österreich und den USA. Das war vergangene Woche und bezog sich auf ein Verfassungsgesetz der Regierung Orban, das Obdachlose kriminalisiert und ihren Aufenthalt auf der Strasse verbietet. Mit der Kleiderordnung in Kaposvár hat das Land gute Chancen, den Titel diese Woche zu verteidigen.