Massendemo für Viktor Orban

31. März 2014

Die ungarische Opposition glaubt selber nicht mehr an einen Sieg gegen den übermächtigen Premier.

Es war das Wochenende der Massenkundgebungen in Budapest. Am Samstag marschierten über 400 000 Menschen zum Heldenplatz, um dort die Wahlkampfrede von Premierminister Viktor Orban zu hören. Gestern rief dann die vereinigte linke und liberale Opposition zur letzten Grosskundgebung vor den Parlamentswahlen am 6. April. Den Reden des sozialistischen Spitzenkandidaten Attila Mesterhazy sowie der ehemaligen Regierungschefs Ferenc Gyurcsany und Gordon Bajnai hörten etwa 50 000 Sympathisanten zu. Nur die rechtsextreme Jobbik verzichtete auf einen Auftritt.

An einen Sieg der Opposition am nächsten Sonntag glaubt niemand mehr, nicht einmal die Oppositionellen selbst. Offen ist nur noch die Frage, ob Orban und seine Jungdemokraten-Partei Fidesz wieder die Zweidrittelmehrheit schaffen. Die Voraussetzungen dafür sind gut, denn im vergangenen Jahr wurde das Wahlrecht zugunsten der Regierungspartei geändert. Fidesz hat die Sitze im ungarischen Parlament von 386 auf 199 verringert, das Persönlichkeitswahlrecht gestärkt und gleichzeitig die Wahlkreise so verändert, dass in den meisten die Mehrheit für den Kandidaten der Fidesz gesichert ist. Dies könnte dazu führen, dass Fidesz mit weniger als 50 Prozent der Stimmen zwei Drittel der Parlamentssitze bekommt.

Keine unangenehmen Fragen

Auf Wahlkampf im klassischen Sinn verzichtete der siegessichere Orban deshalb weitgehend. TV-Diskussionen mit den Spitzenkandidaten lehnte er ab, ebenso Interviews mit der ausländischen und der unabhängigen ungarischen Presse. In der Öffentlichkeit ist Orban dennoch omnipräsent. Ob in Budapest eine neue Metrolinie eröffnet wird, ob die Schweizer Firma Stadlerrail den Staatsbahnen zwei neue Züge übergibt oder der Grundstein für eine neue Fabrik gelegt wird: Orban steht im Mittelpunkt der Berichterstattung und preist die neue «Einheit der Ungarn», die das Land unter seiner Führung aus der Geiselhaft von Liberalen und EU geführt hätte. «Ungarn machts besser» lautet der Wahlslogan von Fidesz.


Viktor Orban und der antisemitische Publizist Zsolt Bayer. Foto: Facebook

Auch die Grosskundgebung am Samstag war nicht als Wahlveranstaltung angemeldet worden, sondern als «Friedensmarsch» eines Forums der Bürgereinheit. Dahinter stehen Anhänger Orbans wie der antisemitische Publizist Zsolt Bayer, der in seinen Zeitungskolumnen Roma als Tiere bezeichnete, die man ausrotten müsse, oder bedauerte, dass nicht alle Linken und Liberalen massakriert wurden. Vergangene Woche trat Orban mit Bayer im rechtsextremen Echo-TV auf: Arm in Arm, scherzend, lachend. Wie zwei sehr gute Freunde.

Vorhang der Freiheit

Ehrengast an der Kundgebung auf dem Heldenplatz war der Präsident der Europäischen Volkspartei (EVP), Joseph Daul. Der Franzose lobte Leistungen der Regierung und rief die Ungarn auf, Orban zu wählen. Ungarn habe «bisher unerreichte Einigkeit» bewiesen, sagte danach Orban in seiner Rede: Nicht nur bei der gerechten Verteilung finanzieller Lasten, auch beim Kampf gegen die «Goliaths der Finanzwirtschaft» und die «Bürokratie des Imperiums», womit wohl die EU gemeint war.

Der Kombination von Nationalismus und wirtschaftlichen Jubelmeldungen hatte die Opposition gestern nicht viel entgegenzusetzen. Ungarn brauche Veränderung, war der Tenor. Der Kandidat der Plattform «Gemeinsam 2014», Gordon Bajnai, forderte seine Anhänger auf, von Haus zu Haus zu gehen und die Menschen zum Wählen zu motivieren. Eine geringe Wahlbeteiligung würde Orban nutzen. Trotz aller Gemeinheiten des Regimes gebe es noch einen Ort der Demokratie, sagte Bajnai: «Dieser Ort ist die Wahlkabine. Hinter dem Vorhang herrscht Freiheit.»