Mit dem Schraubenschlüssel in die Politik

27. September 2012

Österreichs Protestwähler bekommen eine neue Heimat: Der Milliardär Frank Stronach präsentiert heute seine Partei.

Von Bernhard Odehnal, Wien

Die Agglomeration im Süden Wiens ist nicht gerade für ihre Schönheit bekannt. Lagerhallen und Lärmschutzwände entlang sechsspuriger Autobahnen. Neben Ruinen alter Textilfabriken entstehen neue Fertighäuser, Baumärkte und Kreisel. Hinter dem Kreisel der Gemeinde Oberwaltersdorf aber liegt eine andere Welt, mit Villen im Südstaatenstil, künstlichem Teich und Golfplatz. Lautlos gleiten Elektrowägelchen über die Wege. Kein Autolärm, kein Kindergeschrei stört die Idylle.

Das ist «Fontana», die Welt des Frank Stronach. Der 80-jährige gebürtige Steirer hat sie sich vor 20 Jahren geschaffen, als er aus Kanada zurückkam und die europäische Zentrale seines Autozulieferkonzerns Magna eröffnete. Milliardär Stronach hat mit spektakulären Projekten oft für Schlagzeilen und hitzige Diskussionen gesorgt. Er kaufte die österreichische Fussballliga, stellte eine Pferderennbahn auf die grüne Wiese, wollte ein Hochhaus in Form der Weltkugel errichten. Er baute aber auch Fabriken und schuf Arbeitsplätze - immer nach dem Motto «Für das Land Gutes tun». Dass ihm sein besserwisserisches, herrisches Auftreten als reicher Onkel aus Übersee nicht nur Freunde machte, kann er bis heute nicht verstehen.

Mission: Österreich retten

Mit seinem jüngsten Projekt will Stronach die politische Landschaft Österreichs umgraben. In seiner Oberwaltersdorfer Parallelwelt hebt er heute das «Team Stronach für Österreich» aus der Taufe. Mit der neuen Partei wird er bei den Landtagswahlen in Kärnten (vermutlich im Januar 2013) und bei den Parlamentswahlen (Frühjahr oder Herbst 2013) antreten. Stronach will Österreich retten. Er sehe einen Schuldenberg, Bürokratie und die Allmacht der Grossbanken, schrieb er in seiner wöchentlichen Kolumne in der «Kronen Zeitung»: «Mein Gewissen sagt mir, dass ich jetzt etwas dagegen unternehmen soll.»

Meinungsumfragen sagen der Stronach-Partei einen Traumstart voraus. Würde nächsten Sonntag gewählt, könnte das Team Stronach für Österreich 10 Prozent erreichen. Damit wird die Partei bei künftigen Regierungsverhandlungen als Partner in einer Dreierkoalition interessant.

Eigene Meinung nicht gefragt

Dabei ist ihr Programm diffus. Im Interview mit dem privaten Sender Puls TV verweist Stronach auf seine «Werte»: Wer sie teile, könne mit ihm zusammenarbeiten. Er möchte die Flat-Tax, ein Berufsheer und eine radikale Verwaltungsreform. Sein Verhältnis zur gemeinsamen europäischen Währung ist unklar. Vor ein paar Wochen forderte er die Rückkehr vom Euro zum Schilling. Später ruderte er zurück: Der Euro könne bleiben, aber als regionaler Österreich-Euro, Frankreich-Euro und so weiter. Diese Woche relativierte er: «Ich muss darüber noch viel nachdenken.»

Auch mit dem Team hat Frank Stronach noch Probleme. Beim TV-Auftritt diese Woche kann er sich nicht an die Namen seiner Mitstreiter erinnern: Sie aufzuzählen, wäre «Zeitverschwendung». Sein Team besteht aus einigen Hinterbänklern im Parlament und unbekannten Lokalpolitikern. Auch sie werden es nicht leicht haben. Eigene Meinungen sieht der Patriarch bei Mitarbeitern gar nicht gern, Kritik verträgt er ganz schlecht.Für die Wähler spielt das Team aber ohnehin keine Rolle. Stronach zieht Protestwähler an, die es «denen da oben» zeigen wollen. Wählbar ist er für enttäuschte Bürgerliche ebenso wie für Sozialdemokraten, die seinen Aufstieg vom steirischen Arbeiterkind Franz Strohsack zum kanadischen Milliardär Frank Stronach bewundern. Wählbar ist er auch für jene, die sich von der FPÖ abwenden, weil die Rechtspopulisten immer tiefer im Sumpf der Korruption versinken. Stronach hingegen präsentiert sich als Saubermann und ehrlicher Arbeiter: Logo der neuen Partei ist ein Schraubenschlüssel, an dem die rot-weiss-rote Fahne hängt.

Ganz unbefleckt kann auch er nicht in die Politik einsteigen. Ein Schloss am Wörthersee konnte Stronach besonders günstig kaufen, heute ermittelt die Staatsanwaltschaft, ob dabei illegale Parteienfinanzierung im Spiel war. Auch dass Stronach einen selten benützten Wohnsitz in Zug hat und sein Vermögen in der Schweiz versteuert, wird im Wahlkampf eine Rolle spielen. Die FPÖ nennt Stronach einen «Steuerflüchtling». Der Milliardär entgegnet, er zahle auch in Österreich Steuern. Stronach bezeichnet die Schweiz als «Vorbild für die ganze Welt»: Die Wirtschaft funktioniere, und das Land habe seine eigene Währung. Er selbst versteuere in der Schweiz wenig und habe dort «kein Vermögen». Das Wirtschaftsmagazin «Bilanz» führt Stronach auf Rang 83 der 300 Reichsten in der Schweiz. Sein Vermögen beträgt 1,75 Milliarden Franken.