Mobility zieht sich aus Österreich zurück

28. Juli 2012

Nach Jahren der Stagnation steigt im Nachbarland erstmals die Nachfrage nach Carsharing. Trotzdem gibt der Schweizer Anbieter Mobility jetzt den österreichischen Markt auf.

Von Bernhard Odehnal, Wien

Es sieht wie ein Geschäft mit Zukunft aus. Die rot-grüne Stadtregierung in Wien möchte den Autoverkehr deutlich reduzieren und den Bürgern das Autoteilen schmackhaft machen. Der bisherige Monopolist, die Firma Denzel MobilityCarsharing, soll deshalb sein Angebot massiv ausbauen, und neue Unternehmen sollen nach Wien gelockt werden. Ein Carsharing-Auto könne bis zu acht private PW ersetzen und damit mehr Platz in der Stadt schaffen, sagt die Wiener Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou: «In Kombination mit dem öffentlichen Verkehr und dem Fahrrad wird Carsharing grossen Zulauf haben.» Subventionen gibt es zwar nicht, aber die Gemeinde verzichtet in den kommenden Jahren auf Stellplatzgebühren für Fahrzeuge von Carsharing-Firmen. Und auch sonst «werden wir den Unternehmen das Gefühl geben, dass sie hier willkommen sind», sagt der grüne Gemeinderat Christoph Chorherr.

Die Amerikaner steigen ein

Zum ersten Mal gibt es in Österreich also politischen Rückenwind für die Idee vom geteilten Auto. Doch just in dem Moment steigt die Schweizer GenossenschaftMobility aus dem Projekt aus. Anfang Juli verkaufte sie ihren 50-Prozent-Anteil an Denzel Mobility Carsharing. Auch der österreichische Partner, der Autohändler Wolfgang Denzel, stieg aus dem Unternehmen aus. Es gehört jetzt ganz dem Weltmarktführer im Carsharing-Business, dem US-Unternehmen Zipcar.

Mobility begründet den Ausstieg mit einer vor zwei Jahren eingeschlagenen Strategie: «Unser Kernmarkt für Carsharing bleibt die Schweiz», sagt Geschäftsführerin Viviana Buchmann. Den Verkaufspreis will sie nicht nennen. Der Wiener Geschäftsführer von Carsharing, Christian Fuchs, bestätigt aber, dass Mobility die treibende Kraft des Verkaufs gewesen sei. Denzel habe dann seine Anteile ebenfalls angeboten.

Warum aber verkaufen die Schweizer zu einem Zeitpunkt, in dem die Wiener zum ersten Mal offiziell Interesse am Autoteilen zeigen? «Das geht jetzt los wie die Hölle», freut sich der grüne Gemeinderat Chorherr. Er plante vor einigen Jahren die erste autofreie Siedlung in Wien und will jetzt «eine Vielzahl neuer Modelle, die den Wienern den Verzicht auf das eigene Auto leicht machen.»

Der Ausstieg von Mobility kam für die Stadtregierung überraschend. Die Schweizer, vermutet man im Rathaus, könnten sich durch den Ausbau finanziell überfordert fühlen. Indirekt bestätigt das Mobility-Sprecher Alain Barmettler. Der österreichische Markt werde boomen, und das bedinge Investitionen: «Wir sind eine Genossenschaft und haben nicht unbegrenzt Mittel zur Verfügung.»

Mobility will ausserhalb der Schweiz nur mehr als Technologielieferant auftreten. Als erster Erfolg gilt der Pilotversuch von Renault mit der Schweizer Systemplattform Mobisys 2.0. Das Schweizer System ist in Österreich seit zehn Jahren im Einsatz. Wer in Wien oder Linz über die Hotline ein Auto bestellen will, landet im Callcenter in Luzern.

Seit dem Jahr 2008 ist Mobility auch Miteigentümer der Wiener Carsharing Gesellschaft. Die Erwartungen waren gross, die Bilanz ist allerdings ziemlich ernüchternd. Die Akzeptanz in der breiten Bevölkerung brauche mehr Zeit als erwartet. «Sowohl Kundenwachstum wie auch Umsatz und Ertrag blieben unter den Erwartungen», heisst es im Jahresbericht 2011. Österreich sei tatsächlich ein sehr schwieriger Markt, erklärt Geschäftsführer Fuchs. Im Vergleich zu den Schweizern hätten die Österreicher eine viel engere Beziehung zum eigenen Auto. «Sie geben dafür 500 Euro im Monat aus, selbst wenn ihr Wagen nur herumsteht.»

Mobility hat in der Schweiz 102 000 Kunden und 2600 Fahrzeuge auf 1340 Standorten. In Österreich warten 200 Autos auf 11 000 Carsharing-Kunden, verteilt auf 100 Standplätze. Seit zwei Jahren schreibe das Unternehmen «eine schwarze Null», sagt Christian Fuchs. Um Geld zu verdienen, wären mindestens 15 000 Kunden erforderlich. Unter dem neuen Eigentümer Zipcar soll dieses Ziel nun schnell erreicht werden. Noch dieses Jahr sollen neue Standorte in Wien dazukommen. Danach folgt der Ausbau in den Landeshauptstädten. Das Buchungssystem von Mobility wird noch etwa ein Jahr weiterlaufen und erst dann durch jenes des neuen Eigentümers ersetzt werden.

Zipcar will in Europa expandieren. Österreich ist der Einstieg in den deutschsprachigen Markt. Carsharing-Geschäftsführer Fuchs lobt den Auftritt der Amerikaner: Im Vergleich zu den Schweizern seien sie «jünger und trendiger unterwegs». Management und Mitarbeiter stammten aus der Generation Apple und orientierten sich stark an den Neuen Medien. Reservierung sei bei Zipcar auch über Facebook möglich. «Das können wir noch nicht.»

500 Smarts für die Stadt Wien

Dass Autoteilen auch in Wien trendig sein kann, beweist seit einem halben Jahr der Anbieter Car2go. Er bietet ausschliesslich Kleinwagen vom Typ Smart an. Diese können in den innerstädtischen Bezirken an jedem beliebigen Ort übernommen und auch wieder abgestellt werden. Heute hat die Firma 10 000 Kunden und über 500 Autos. Allerdings steht hinter dem Unternehmen der deutsche Autokonzern Daimler, der viel Geld in die Werbung investiert. Der Verkehrsclub Österreich kritisiert Car2go, weil das System zusätzliche Autos auf die Strasse bringt statt den Verkehr reduziert. Christof Fuchs sieht deshalb auch keine Konkurrenz. Die Smarts seien nur für ganz kurze Fahrten geeignet: «Die beiden Systeme können gut nebeneinander existieren.»