Rumäniens Eliten zittern vor dem Staatsanwalt

3. März 2015

Seit dem Amtsantritt von Präsident Johannis haben die Korruptionsbekämpfer in Rumänien Rückenwind. Fast täglich werden Politiker und Unternehmer verhaftet.

Rumäniens Regierungschef wird sichtbar nervös: Seine Familie werde «von den Medien gelyncht», klagt Victor Ponta. Dabei sind es nicht nur Journalisten, die sich für die wirtschaftlichen Aktivitäten der Pontas interessieren. Ende Februar stürmten maskierte Polizisten die Wohnung von Iulian Hertanu und verhafteten den Schwager des Regierungschefs. Auch Hertanus Frau, Victor Pontas Schwester, wurde einvernommen, durfte das Polizeikommissariat danach aber wieder verlassen. Fotografen und Kameraleute waren rechtzeitig informiert worden, sie konnten die spektakuläre Verhaftung live verfolgen.

Die Festnahme war von der Nationalen Direktion für Korruptionsbekämpfung (DNA) der rumänischen Staatsanwaltschaft angeordnet worden. Hertanu wird die Bildung einer kriminellen Organisation, Steuerbetrug und Missbrauch von Geld aus EU-Fonds vorgeworfen. Mit ihm wanderten zwei Manager seiner Firmen in Untersuchungshaft. Ganz überraschend kam die Polizeiaktion freilich nicht. Seit etwa einem halben Jahr macht die rumänische Staatsanwaltschaft Ernst mit der Korruptionsbekämpfung auf höchster Ebene. Fast jeden Tag werden nun neue Ermittlungen und neue Festnahmen bekannt. Ehemalige Minister, ehemalige Richter und Staatsanwälte sowie zahlreiche Unternehmer sitzen in Untersuchungshaft.

Dass die DNA die verschärfte Gangart zur selben Zeit einschlug, als der neue Präsident Klaus Johannis sein Amt antrat, ist kein Zufall. Johannis versprach im Wahlkampf, mit der Korruptionsbekämpfung endlich Ernst zu machen, und lässt den Ermittlungsbehörden nun freie Hand. Er wolle die Bekämpfung der Korruption mit allen Kräften unterstützen, um «generell eine bessere Atmosphäre für die Politik zu schaffen», sagte Johannis dem österreichischen Magazin «Profil». Sein Vorgänger im Präsidentenpalast, Traian Basescu, hatte die Korruptionsbekämpfung zwar auch verbal unterstützt. Tatsächlich dürften Basescu und sein Umfeld aber Ermittlungen eher verzögert oder gestoppt haben.

Das gelang ihm freilich in seinen letzten Monaten im Amt nicht mehr. Bereits im Sommer 2014 befreite sich die DNA vom Einfluss des Präsidenten und verhaftete dessen Bruder Mircea Basescu. Dieser wird verdächtigt, von einem Mafiaboss viel Geld verlangt zu haben, um ihm eine Gefängnisstrafe zu ersparen. Präsident Basescu entschuldigte sich damals kleinlaut für die Verhaftung seines Bruders. Er habe von dessen Geschäften keine Ahnung gehabt.

50 Millionen Schmiergeld

Mittlerweile sitzt aber auch Basescus wichtigste politische Mitarbeiterin im Gefängnis: Elena Udrea hatte bei den Präsidentenwahlen im vergangenen November noch für die von Basescu unterstützte Kleinpartei PMP kandidiert. Mitte Februar wurde sie verhaftet, nun sitzt sie mindestens 30 Tage in Untersuchungshaft. Udreas ehemaliger Mann, der Unternehmer Dorin Cocos, ist Hauptbeschuldigter im Siemens-FujitsuSkandal: Beim Ankauf von Computern und Computerprogrammen für rumänische Schulen vor elf Jahren waren bis zu 50 Millionen Euro Schmiergeld geflossen. Cocos soll einen Teil behalten und einen Teil an die Politik weitergegeben haben. Seine damalige Frau Udrea soll davon gewusst, vielleicht auch profitiert haben.

Die 42-jährige Udrea war Fotomodell und häufig auf den Titelseiten rumänischer Modemagazine zu sehen. Dann holte sie Präsident Basescu in die Politik und machte sie zu seiner Beraterin. 2005 musste sie zurücktreten, weil sie ihrem damaligen Mann Cocos lukrative Aufträge für den Bau von Garagen zugeschanzt haben soll. Zwei Jahre danach wurde sie Ministerin, zuständig für regionale Entwicklung und damit verantwortlich für die Verteilung der EU-Förderungen. Basescu bezeichnet sie heute noch als seine «grösste politische Investition»: Er hoffe, sie werde nicht verurteilt. Udrea selbst sieht sich als Opfer einer politischen Justiz. «Sie wollen mich diskreditieren und mich als ‹Mutter der Korruption› darstellen», schrieb sie auf ihrer Facebook-Seite.

Während der zehnjährigen Präsidentschaft des liberalen Basescu richteten sich die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft vor allem gegen die Sozialdemokraten (PSD). Die spektakulärste Verhaftung und Verurteilung traf den ehemaligen Regierungschef der PSD, Adrian Nastase. Nun aber stehen auch hohe Politiker von Basescus Liberaldemokratischer Partei (PDL) und von den Nationalliberalen (PNL) im Visier der Staatsanwaltschaft. Der Co-Präsident der PNL ( jener Partei, die Klaus Johannis für die Präsidentschaftswahlen nominiert hatte), Vasile Blaga, soll im Jahr 2009 in einer Tragtasche 2 Millionen Euro für die Finanzierung der Parlaments- und Präsidentenwahlen erhalten haben. Diese Aussage kommt vom mittlerweile geständigen Oligarchen Dorin Cocos. Er beschuldigt nun nicht nur den Politiker Blaga, sondern auch seine geschiedene Frau Elena Udrea, Schmiergeld verlangt zu haben.

In Rumänien rätseln die Medien nun, wann Ex-Präsident Basescu die Vorladung von der DNA erhalten wird. Allerdings gibt es auch Kritik an der Arbeit der Ermittler, die Verhaftungen als Show inszenieren und dazu extra Fernsehkameras mitnehmen. Nicht alle sind diesem Druck gewachsen: Vergangene Woche brachte sich der rumänische Millionär Costel Comana auf einem Flug nach Costa Rica in der Flugzeugtoilette um. Comana war Eigentümer der privaten Bahngesellschaft Regiotrans, die illegale Subventionen kassiert haben soll. Die DNA ermittelt und nahm mehrere Mitarbeiter des Millionärs bereits in Haft.