Stadler kämpft gegen Bombardier

6. Oktober 2016

Der Schweizer Hersteller will die Vergabe des Grossauftrags in Österreich gerichtlich prüfen lassen. 

Stadler Rail wird den Auftrag der Österreichischen Bundesbahnen über 2 Milliarden Euro der Konkurrenz nicht kampflos überlassen. Sprecherin Marina Winder bestätigte dem TA, dass die Bussnanger beim österreichischen Bundesverwaltungsgericht am Dienstag einen Nachprüfantrag gestellt haben. 

Die ÖBB müssen ihre Nahverkehrsflotte erneuern und haben den Kauf von insgesamt 300 elektrischen Triebzügen ausgeschrieben. Beworben hat sich neben den bisherigen «Hoflieferanten» der Staatsbahn, Siemens und Bombardier, auch Stadler Rail mit dem bewährten «Flirt», der in der Schweiz und in vielen europäischen Ländern bereits im Einsatz ist. Die Schweizer konnten in Österreich zwar ihre Züge an etliche kleine Privatbahnen verkaufen, jedoch nicht an die grosse Staatsbahn – auch aus politischen Gründen: Für Siemens lobbyierten Sozialdemokraten und Gewerkschaften. Die Chancen schienen dieses Mal aber besser, da Siemens durch technische Probleme beim neuen Triebzug Desiro ML bei den ÖBB etwas in Ungnade gefallen war. 

Ende September ging der Auftrag für die Triebzüge aber nicht an Stadler, sondern an Bombardier. Mit welchen Argumenten die Schweizer nun Einspruch gegen den Zuschlag erheben, bleibt geheim. Stadler-Sprecherin Winder möchte dazu nicht Stellung nehmen, da es sich um ein laufendes Verfahren handelt. Auch die ÖBB bleiben wortkarg und stellen lediglich fest, dass das Verfahren «gut und wasserdicht» durchgeführt worden sei. Bahn-Insider vermuten, dass Stadler vor allem den von Bombardier angebotenen Preis anfechten könnte, da dieser unrealistisch niedrig sei. Auch die Lieferfristen könnten noch Probleme bereiten. Bombardier soll die ersten 20 Züge des Typs Talent 3 ab April 2019 nach Vorarlberg liefern, wo die Landesregierung den S-Bahn-Takt im Rheintal verdichten möchte. 

Gerüchte um Verspätungen 

Allerdings ist Bombardier in der Branche nicht gerade für pünktliche Lieferungen bekannt. Ende September meldeten deutsche Medien, dass der Konzern der Deutschen Bahn einen zweistelligen Millionenbetrag als Entschädigung für die verspätete Lieferung zahlt. Auch die SBB erhalten Schadenersatz, weil Bombardier die Doppelstockzüge für die Ost-West-Achse nicht wie geplant lieferte. Statt Geld bekommt die Bahn von den Kanadiern drei Züge mehr. 

Die ersten der 59, insgesamt 1,9 Milliarden teuren Doppelstockzüge sollten eigentlich seit 2014 im Netz der SBB verkehren. Wegen gravierender Probleme bei Konstruktion und Fertigung wurde die Inbetriebnahme erst auf 2015 und dann auf 2017 verschoben. Nun sagen Branchenkenner, die anonym bleiben wollen, dass auch dieser Liefertermin möglicherweise nicht eingehalten werden kann. Der Sprecher von Bombardier Transportation Schweiz, Andreas Bonifazi, weist das Gerücht zurück: Derzeit werden sieben Vorserienzüge im Werk bei Berlin, im Testgelände der SBB in Villeneuve, auf einer Teststrecke im tschechischen Velim und im Windkanal in Wien intensiv getestet. Die Züge würden 2017 geliefert. Wann sie dann tatsächlich zum Einsatz kämen, sei Sache der SBB. Die Tests begannen im Frühjahr 2015. 

SBB-Sprecher Christian Ginsig nennt den Terminplan «nach wie vor ambitioniert». Die SBB gehen davon aus, dass sie die ersten Doppelstockzüge im Laufe von 2017 einsetzen können. Wann und wo, so der Bahnsprecher, werde erst nach Abschluss des Testprogramms entschieden.