Tschechiens Berlusconi drängt an die Macht

22. Oktober 2013

Der reiche Medienbesitzer Andrej Babiš will bei den Wahlen die Politik aufrollen. Seine Schulbildung und das Kapital für seine ersten Firmen kommen aus der Schweiz.

Die blau-weissen Plakate sind überall. Mit markanten Sprüchen wie: «Wir wollen nicht von Dummköpfen regiert werden.» Dazu ein Logo, das man auch als Parole verstehen kann: «Ja, es wird besser.» Am Freitag und Samstag wählen die Tschechen ihr Parlament, und das Finale des Wahlkampfs wird zumindest optisch von einer Partei geprägt: «Ano» ist die Abkürzung für «Aktion beunruhigter Bürger», heisst auf Tschechisch aber auch einfach «Ja». Den Nachsatz «Es wird besser» hat die Partei in ihren Namen aufgenommen. Quasi als Versprechen an die Wähler.

Gegründet wurde Ano erst vor eineinhalb Jahren vom Unternehmer Andrej Babiš, und obwohl sie zum ersten Mal bei Wahlen antritt, werden ihr bis zu 15 Prozent, in manchen Wahlkreisen sogar über 20 Prozent vorausgesagt. Der Auftritt in den letzten Tagen vor diesen vorgezogenen Wahlen dürfte die Bekanntheit der Neulinge noch einmal signifikant steigern. Ano und ihr Spitzenkandidat Babis sind allgegenwärtig. Bei Veranstaltungen, in Radio und Fernsehen, auf den Plakatwänden. Die Slogans und die Auftritte werden von der bekannten US-Agentur Penn Schoen Berland (PSB) gestaltet, die unter anderem für Bill und Hillary Clinton arbeitete.

Der unberechenbare Medienzar

Babiš kann sich die teuren PR-Berater aus Übersee leisten. Sein Vermögen wird auf zwei Milliarden Franken geschätzt, er gilt als der reichste Tscheche und steht auf der «Forbes»-Liste der tausend reichsten Menschen weltweit. Zu seiner Holding Agrofert gehören Unternehmen der Düngemittelbranche und der Landwirtschaft sowie Bäckereien. Für sie arbeiten etwa 20 000 Menschen in Tschechien, der Slowakei und Deutschland. Im Sommer kaufte Babiš dazu noch das grosse tschechische Medienunternehmen Mafra mit den Tageszeitungen «Lidove Noviny» und «Mlada Fronta Dnes». Babiš besitzt zudem noch eine Wochenzeitung, die gratis an alle Haushalte geht, und einen slowakischen Verlag, der die Wirtschaftszeitung «Hospodarske noviny» herausgibt. Der Pluralismus in der tschechischen Medienlandschaft sei durch den überraschenden Kauf zwar nicht gefährdet, sagt der Politologe und ehemalige Berater von Präsident Vaclav Havel, Jiři Pehe: «Wir können aber die Berlusconisierung der tschechischen Politik beobachten.»

Warum steigt ein schwerreicher 59-jähriger Unternehmer in die Politik ein? Politologe Pehe vergleicht Babiš mit dem österreichischen Milliardär und Neopolitiker Frank Stronach: «Diese Leute haben in der Wirtschaft alles erreicht und sehen sich nun zu einer Mission berufen: Sie wollen die Politik verändern und verbessern.» Dabei bauten sie ihre Parteien nur auf ihre Persönlichkeit und ihr Geld auf, «es fehlt den Bewegungen eine Struktur und ein klares Programm. Sie sind unberechenbar.»

Babis kann immerhin prominente Namen auf seine Plakate drucken. Für Ano kandidiert unter anderem der ehemalige EU-Kommissar Pavel Telička, die Partei wird vom bekannten Bus- und Bahnunternehmer Radim Jančura unterstützt. Das Programm richtet sich gegen alle bisher im Parlament vertretenen Parteien. Sie werden als korrupt und unfähig dargestellt. Wie Stronach in Österreich fordert Babiš die Entpolitisierung staatlicher Unternehmen und verspricht die Schaffung neuer Arbeitsplätze. «Wir sind keine Politiker. Wir packen an», heisst es in der Präsentation.

Andrej Babiš wurde 1954 in Bratislava in der damaligen Tschechoslowakei geboren. Seine Eltern waren bekannte Kommunisten, sein Vater durfte als Handelsdelegierter im westlichen Ausland arbeiten. 1968 zog die Familie nach Genf, wo Babiš bis 1974 die Schule besuchte. Danach machte er in Bratislava die Matura und studierte an der Wirtschaftshochschule. In den Ferien sei er jedoch immer wieder in die Schweiz gefahren, schreibt er in seiner Kurzbiografie auf der Website der Partei, «wo ich in kleinen Geschäften und Druckereien arbeitete, Baumwolle verpackte. Das verdiente Geld sparte ich, um ein Haus zu bauen.»

Merkwürdige Verflechtungen

Dass ein junger Mann vom kommunistischen Regime in den Westen gelassen wurde, war eine seltene Ausnahme. Nach der Wende tauchten deshalb Gerüchte auf, Babiš habe für die tschechoslowakische Staatssicherheit StB gearbeitet. Das Magazin «Respekt» fand seine StB-Akten. Babiš entgegnete, er sei kontaktiert, aber nie angeworben worden.

Nach der Wende wurde er Unternehmer, und als sich Tschechen und Slowaken friedlich trennten, gründete er das Unternehmen Agrofert, das in der Slowakei und Tschechien marode Düngemittelfirmen und die petrochemische Industrie aufkaufte. Das Kapital dafür kam von der Schweizer Briefkastenfirma Ost Finanz und Investment (OFI), die damals in Baar und heute in Cham sitzt. Wer hinter dieser Firma steckt, wollte Babiš nie sagen. Dem Magazin «Respekt» versicherte er, dass OFI bei seinen Geschäften keine Rolle mehr spiele. Eine bedeutende Rolle bei den Firmenkäufen von Babiš spielt hingegen die Basler Unternehmerfamilie Zivy. Ihr Getreide- und Düngerhandelskonzern Ameropa mit Sitz in Binningen kaufte sich bei Agrofert ein. Das Verhältnis der beiden Unternehmen heute ist unklar. Eine Tochterfirma der Ameropa ging von Zivy an Babiš. Dessen Schweizer Ableger von Agrofert mit Sitz im Kanton Zug wurde erst umbenannt und 2011 geschlossen.

Die merkwürdigen Firmenverflechtungen sind auch ein Grund, warum andere Parteien vor den Wahlen eine Koalition mit Babiš ausschliessen: Ano sei intransparent. Freilich: «Wenn die Partei wirklich so gut wie prognostiziert abschneidet, wird sie zur begehrten Braut», sagt Jiři Pehe. Er wolle mit seiner politischen Bewegung nur seinem Land helfen, beschreibt Babiš seine Ziele: «Dieses Land hätte das Potenzial, eine weitere Schweiz zu werden. Aber seit 22 Jahren sind wir auf einem Weg, der schlecht endet.»