Vergiftetes Österreich

8. April 2015

Die Regierungsparteien wehren sich dagegen, das unselige Erbe des Rechtspopulisten Jörg Haider aufzuarbeiten.

Jetzt ist schon wieder was passiert, würde Krimiautor Wolf Haas schreiben. Und es ist ja wirklich wieder was passiert. Natürlich in Kärnten. Natürlich ein Krimi, aus der endlosen Serie «Die skrupellosen Geschäfte des Dr. Jörg Haider». Die jüngste Episode: 2007 kaufte das Land Kärnten Immobilien an Kärntner Seen um einen masslos überhöhten Preis. Den damaligen Kärntner Landeshauptmann Haider störte das nicht. Kein Wunder: Er schnitt bei dem Geschäft mit. Für seine Partei BZÖ bekam er von den Verkäufern mindestens 700   000 Euro. Den Schaden hatten die Steuerzahler.


Ein Denkmal für Jörg Haider vor dem Dom in Gurk. Foto: B. Odehnal

Der schmutzige Deal wurde jetzt bekannt, weil Haiders damalige Geldbotin, Elisabeth Kaufmann-Bruckberger, ein Geständnis ablegte. Reue zeigt sie freilich nicht, obwohl sie für den Botendienst 35   000 Euro kassierte. Warum auch? Sie stieg in die Politik ein, als Haider seine grössten Triumphe feierte, sie atmete den Geist der schwarz-blauen Koalition unter Kanzler Wolfgang Schüssel. Dass Politiker bei öffentlichen Aufträgen und Geschäften mitschnitten, war damals ganz normal. Weltanschauung war nur eine Tarnkappe, unter der bequem und unbeobachtet kassiert werden konnte.

Langes Leiden

Haider starb 2008 volltrunken in seinem Auto. An seinem Nachlass wird Österreich noch lange leiden. Nicht nur, weil Haider mediokre Karrieristen vom Schlag einer Kaufmann-Bruckberger zu Entscheidungsträgern machte. Vor allem, weil die Dimension der Korruption, die von ihm und seinem Umfeld ausging, so gewaltig ist, dass Affären wie der «Seenkauf» daneben geradezu banal wirken. 700   000 Euro Schwarzgeld? Da lacht der Österreicher. Sechsstellige Schmiergeldsummen regen niemanden mehr auf. Das Gefühl für grosse Zahlen schwindet. Das Gefühl für Unrecht ebenso.

Jörg Haiders Buben nahmen zweistellige Millionenbeträge, und Haiders Bank Hypo Alpe Adria, die eigentlich die Bank des Bundeslandes Kärnten war, haftet für so viele faule Kredite, dass ihre Rettung den Staat Österreich bis zu 15 Milliarden Euro kosten könnte.

Das Wunderbare bei dem ganzen Schlamassel: Niemand fühlt sich verantwortlich. Niemand wird zur Verantwortung gezogen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, aber sie tritt auf der Stelle. Eine unsichtbare Macht hält ihre schützende Hand über Haiders Komplizen.

Nächste Woche wird ein Untersuchungsausschuss die Machenschaften rund um Haiders Bank durchleuchten. Aber die Grosse Koalition von SPÖ und ÖVP wird ihn schnell beenden. Weder Sozialdemokraten noch Konservative sind an einer gründliche Aufarbeitung der Ära Haider interessiert. In Kärnten machten Rot und Schwarz mit Haider gemeinsame Sache. Im Bund liess Wolfgang Schüssel Haider und seinen Buben freie Hand.

Unbewältigte Vergangenheit

Nach dem Ende der schwarz-blauen Koalition drückten sich alle nachfolgenden Regierungen um die ordentliche Entsorgung von Jörg Haiders Altlasten und hofften, sie würden von selber verschwinden. Das taten sie nicht. Auf der Deponie der unbewältigten Vergangenheit begannen sie zu gären, schickten Gasblasen an die Oberfläche und flogen schliesslich der Grossen Koalition um die Ohren. Haider hat das Land vergiftet. Für die Entgiftung werden die Österreicher noch in der nächsten und übernächsten Generation zahlen.