Wahltriumph für slowakischen Neofaschisten

25. November 2013

Márian Kotleba verehrt den slowakischen Ex-Diktator Tiso und hetzt gegen Minderheiten. Jetzt ist er zum Präsidenten seiner Region gewählt worden.

Ein Kommentator schreibt von einem Albtraum, ein anderer von einer Katastrophe. Alle reiben sich die Augen und fragen: «Wie konnte das geschehen?» Doch das Wahlergebnis ist eindeutig. Der Führer der slowakischen Rechtsextremen, Márian Kotleba, siegte in der Stichwahl zum Präsidenten der mittelslowakischen Region Banská Bystrica mit 55,5 Prozent über den gemeinsamen Kandidaten von Sozialdemokraten und bürgerlichen Parteien. Kotleba verehrt den 1947 hingerichteten slowakischen Diktator und Hitler-Verbündeten Jozef Tiso, er tritt häufig in schwarzer Uniform mit den alten faschistischen Symbolen auf, hetzt gegen Juden und Roma und ist deshalb mehrmals verhaftet worden. Jetzt hat er eines der höchsten politischen Ämter im Staat.


Márian Kotleba in seiner Heimatstadt Banská Bystrica. Foto: B. Odehnal

Banská Bystrica ist eine der acht selbst verwalteten Regionen der Slowakei, mit der gleichnamigen Industriestadt als Zentrum. Neben den Regionalparlamenten werden auch die Regionspräsidenten direkt vom Volk gewählt. Realpolitisch wird der neue Präsident (Župan genannt) wenig Macht haben, denn im Parlament haben nach wie vor die Sozialdemokraten die relative Mehrheit. Doch der Sieg macht aus einem rechtsextremen Wirrkopf einen legitimierten Politiker. Er bringt den Rechtsextremen mehr Einfluss, neue Finanzquellen und neues Selbstbewusstsein. Kotleba ging mit dem Slogan «Mit Mut gegen das System» in den Wahlkampf. Jetzt ist er selbst Teil des Systems.

Márian Kotleba wurde 1977 in Banská Bystrica geboren und arbeitete als Informatiklehrer an einem Gymnasium. 2003 übernahm er die Führung der neofaschistischen Slowakischen Gemeinschaft und zelebrierte das Andenken an den Diktator Tiso. Der hatte 1939 als williger Vasall Hitlers die Slowakei von Tschechien abtrennen und zu einem selbstständigen Staat machen dürfen. Als Gegenleistung mussten die Slowaken mit der deutschen Wehrmacht kämpfen, und die paramilitärische Hlinka-Garde deportierte rund 70 000 slowakische Juden in das Vernichtungslager Auschwitz.

Die Mitglieder der Slowakischen Gemeinschaft grüssten einander mit dem alten faschistischen Gruss «Auf Wache!», ihre Uniformen erinnerten an die HlinkaGarde. Márian Kotleba führte in Banská Bystrica einen Laden mit Kleidung und Devotionalien für Neonazis.

Nachdem Kotleba und seine Gardisten mehrmals in ostslowakischen Gemeinden Aufmärsche gegen angeblichen «Zigeunerterror» organisierten, die jeweils in Strassenschlachten mit der Polizei endeten, wurde die Slowakische Gemeinschaft verboten. Kotleba gründete daraufhin die Volkspartei Unsere Slowakei LSNS, deren Aktivitäten sich kaum von der alten «Gemeinschaft» unterscheiden. Bei den vergangenen nationalen Wahlen erhielt die LSNS allerdings nur 1,5 Prozent und verpasste den Einzug ins Parlament deutlich. Der Wahlerfolg vom Wochenende ist vor allem ein persönlicher: Auch wenn Kotleba mit Stoppelfrisur und Tarnhosen sehr militant auftritt, ist er in seiner Heimatstadt doch recht beliebt. Im Wahlkampf trat er als slowakischer Robin Hood auf: als einsamer Kämpfer gegen eine abgehobene Elite in Politik und Wirtschaft, als einer, der all jene Probleme offen anspricht, denen die andern aus dem Weg gehen. Vor allem das Problem mit der RomaMinderheit.

Ein Weckruf für die Politik

Zum Sieg verhalfen ihm jedoch nicht so sehr seine Wähler, sondern die vielen Nichtwähler. In der Region Banská Bystrica sind 530 000 Wähler registriert, rund 400 000 gingen nicht zur Wahl. Für den Sieg reichten Kotleba deshalb 72 000 Stimmen. Politische Beobachter sehen in der niedrigen Wahlbeteiligung einen Ausdruck starker Frustration über die Parteien, die als korrupt und unfähig angesehen werden. Der Politologe Samuel Abraham sagt im Interview mit der Nachrichtenagentur Sita jedoch, der Sieg Kotlebas könne auch ein Weckruf für Regierung und Opposition sein, sich endlich ernsthaft mit Problemen wie Armut, Arbeitslosigkeit und Kleinkriminalität in den Roma-Ghettos auseinanderzusetzen. «Wäre ich Zyniker, könnte ich sagen: Die Slowakei hat Kotleba gebraucht», sagt Abraham.

Die sozialdemokratische Regierung weist allerdings jede Verantwortung für den Wahlsieg Kotlebas von sich. In einer ersten Reaktion gibt Regierungschef Robert Fico der rechten Opposition die Schuld: Sie halte selbst Hitler, Mussolini oder den Antichristen für besser als die Regierungspartei Smer, sagte der sichtlich erzürnte Fico am Abend der Wahl.