Wegen Schweizer Staatsbürgerschaft angegriffen

22. Januar 2013

Tschechiens Präsident Vaclav Klaus wirft dem Präsidentschaftskandidaten Karel Schwarzenberg vor, er habe zu viel im Ausland gelebt.

Gar nicht lange hielt sein Versprechen, sich nicht in den Wahlkampf einzumischen. Kaum traten die beiden Kandidaten für die zweite Runde der tschechischen Präsidentenwahlen in den Ring, mischte sich auch der amtierende Präsident Vaclav Klaus wieder ein - mit besonders heftiger Kritik am Kandidaten der Liberalen und Bürgerlichen, Karel Schwarzenberg. Präsident sollte nur jemand werden, so Klaus, der zu Tschechien gehöre, der Teil dieses Landes sei und «sein Leben hier verbracht hat».

Klaus schlug sich damit nicht nur auf die Seite des linken Kandidaten Miloš Zeman, er unterstellte Schwarzenberg indirekt, kein echter Tscheche zu sein, weil der Adelige auch die Schweizer Staatsbürgerschaft besitzt und vor 1989 in der Schweiz und in Österreich gelebt hatte. Das Bürgerrecht der Schwarzenbergs geht auf das 18. Jahrhundert zurück, als ein Teil der Familie den bedrängten Zürchern militärisch aushalf.Dass diese Familie seit dem Mittelalter in Böhmen lebte, 1948 vor den Kommunisten aus Prag fliehen musste und der Fürst in den 60er- und 70er-Jahren die tschechoslowakische Dissidentenbewegung unterstützte, spielt in der klausschen Weltsicht keine Rolle. Klaus legte noch nach und erklärte am Wochenende, dass er Schwarzenberg die Aussagen zu den Beneš-Dekreten «niemals verzeihen» könne. Mit den Dekreten hatte der damalige Präsident Edward Beneš 1945 die Enteignung und Vertreibung der deutschen Minderheit verfügt. Viele Sudetendeutsche wurden ermordet oder starben auf Todesmärschen nach Österreich.

Eine lange Partnerschaft

Schwarzenberg hatte schon öfter erklärt, dass er die Dekrete für nicht mehr zeitgemäss halte. Dass er im Wahlkampf den nach wie vor hoch geachteten Beneš mit heutigen Kriegsverbrechern verglich, war allerdings Wasser auf die Mühlen seines Gegners Klaus. Der nimmt Schwarzenberg nicht nur sein entspanntes Verhältnis zur deutschen Minderheit übel, sondern vor allem auch seine Nähe zum verstorbenen Dissidenten und späteren Staatsoberhaupt Vaclav Havel. Dem Technokraten Klaus war Havels Gerede von Moral, Menschenrecht und Liebe immer zutiefst zuwider. Er hasste die Szene der Dissidenten und stellte sie politisch kalt, so gut er konnte.

Dass der Bürgerliche Klaus jetzt den ehemaligen Sozialdemokraten Zeman unterstützt, ist nur auf den ersten Blick ein Widerspruch. Den 71-jährigen Klaus und den 68-jährigen Zeman verbindet eine lange Geschichte der politischen Partnerschaft. Als Zeman in den 90er-Jahren mit dem Sozialdemokraten nur eine Minderheitsregierung bilden konnte, unterstützte ihn Klaus als Vorsitzender der Bürgerpartei ODS im sogenannten Oppositionsbündnis: Zeman konnte regieren, Klaus wurde Parlamentspräsident, Sozialdemokraten und ODS teilten sich die wichtigsten Posten im Staat brüderlich auf. Kontrollmechanismen wurden abgeschafft, die Korruption blühte. Unter Politologen gilt das Bündnis als «bleierne Zeit» der tschechischen Politik. Schwarzenberg konterte deshalb den Angriff des Präsidenten mit der Bemerkung, Klaus und Zeman würden weiterhin eine «Machtgemeinschaft» bilden.

Gemeinden hängen Klaus ab

Diesen Eindruck haben auch viele Tschechen, spätestens seit dem Neujahrstag 2013. Da unterzeichnete der Präsident die grösste Amnestie seit 1989. Dank Klaus kamen viele Wirtschaftsverbrecher frei, die von mangelnder Kontrolle zu Zeiten des Oppositionsbündnisses profitiert hatten. Als Protest gegen seine Amnestie wurden in vielen Gemeinden und Schulen schon jetzt die Bilder des Präsidenten abgehängt, obwohl seine Amtszeit erst am 7. März endet.

Auch in der Europafrage verbindet Klaus mit Zeman viel mehr als mit dem überzeugten EU-Anhänger Schwarzenberg. Beide vertreten einen betont nationalistischen Kurs und sehen in Brüssel vor allem eine Bedrohung. Da ist es nur logisch, dass Klaus und Zeman auch gemeinsam die Beneš-Dekrete verteidigen. Das kommt vor allem bei den älteren Wählern an, die sich immer noch vor einer Rückkehr der Deutschen und ihren Restitutionsforderungen fürchten. Jüngere Tschechen sehen das Thema hingegen entspannter und wollen den Streit lieber ein für allemal beenden.

Auf noch mehr Unverständnis bei den Wählern stösst der Vorwurf von Klaus, dass Schwarzenberg mit seinem Schweizer Pass gar kein echter Tscheche sei und sich zu oft im Ausland aufhalte. In einem Mitgliedsland der Europäischen Union scheinen solche Provokationen eher anachronistisch. Die Zeitung «Dnes» konterte deshalb mit der «Enthüllung», dass auch eine Schwester von Klaus seit langer Zeit in der Schweiz, in der Nähe von Zürich, lebe.