«Wir sind Freunde Russlands»

15. September 2014

Rechtspopulisten aus Österreich und Frankreich treten bei einer christlichfundamentalistischen Veranstaltung in Moskau auf und hetzen gegen den Westen.

Eine «sehr, sehr starke Lobby» treibe ihr Unwesen in Europa, warnte der Sprecher in Moskau: Die Homosexuellen wollten nicht nur Familienwerte zerstören, «sie halten in ihren Händen Zeitungen und Fernsehkanäle, mit denen sie das Volk beeinflussen. Das ist eine ganz üble Sache.» Der Redner sprach auf Russisch, kam aber aus dem Westen: Johann Gudenus, Abgeordneter der rechtspopulistischen FPÖ im Wiener Stadtparlament und Berater von Parteichef HeinzChristian Strache, durfte vergangenen Donnerstag auf dem Kongress «Mehrkindfamilien und die Zukunft der Menschheit» nicht nur vor einer «Homosexuellenlobby» warnen, sondern sich auch von der Politik der EU gegenüber Russland distanzieren. Er schäme sich dafür, so Gudenus laut der österreichischen Nachrichtenagentur APA: «Das österreichische Volk und das Volk der Europäischen Union denken nicht so. Wir sind Freunde Russlands.»

Die Grossveranstaltung fand im Kremlpalast und in der Christus-ErlöserKathedrale statt, hatte also sowohl den Segen der russischen Regierung als auch der orthodoxen Kirche. Als Veranstalter trat eine Stiftung des russischen Eisenbahnchefs Wladimir Jakunin auf, eines engen Vertrauten des russischen Präsidenten. Von Wladimir Putin wurde eine Grussbotschaft verlesen: Die Mehrkindfamilie müsse zur Norm werden. Weitere Teilnehmer waren der Moskauer Patriarch Kyril, der erzkonservative Oligarch Konstantin Malofejew, der ungarische Regierungspolitiker Gergely Pröhle sowie der EU-Abgeordnete des Front National Aymeric Chauprade.

Kampagne gegen EU-Sanktionen

Malofejew gilt als wichtiger Förderer der russischen Separatisten in der Ostukraine. Zum berüchtigten Separatistenführer Igor Girkin alias Strelkow (der Schütze) hat er enge Kontakte. Es gibt Fotodokumente von einem Treffen Ende August in einem Kloster bei St. Petersburg, bei dem auch der rechtsextreme Chefideologe der eurasischen Bewegung, Alexander Dugin, dabei war.

Gudenus, Chauprade, Malofejew und Dugin trafen einander schon bei einer Geheimkonferenz Ende Mai im Wiener Palais Liechtenstein. Angemeldet wurde die Veranstaltung damals als Erinnerung an die Heilige Allianz Russland, Deutschland und Österreichs gegen Napoleon. In den Reden ging es aber eher darum, wie in der Gegenwart Liberalismus und Homosexuelle Europas traditionell christliche Werte zersetzen würden und warum nur Russland diese Werte schützen könne. An der Veranstaltung in Wien nahm neben Gudenus auch FPÖChef Strache teil.

Seit diesem Treffen in Wien verteidigen Österreichs Freiheitliche Russland gegen westliche Sanktionen besonders häufig und laut. Gestern Sonntag schaltete die FPÖ in den zwei grössten Boulevardzeitungen Österreichs ganzseitige Inserate, in denen Strache den Kanzler und den Bundespräsidenten auffordert, sich den «sinnlosen EUSanktionen» nicht anzuschliessen: «Tun Sie nicht das, was Brüssel und USKonzern- und Nato-Militärinteressen dient.» In einer Pressekonferenz einige Tage zuvor entschuldigte sich Strache beim russischen Volk und kündigte eine Ministeranklage an wegen Verletzung der Neutralität. Bei einer Rede vor FPÖFunktionären in Wien Ende August rechtfertigte Strache die Annexion der Krim durch Russland und forderte ein Ende der US-Hegemonie: Europa sei heute nicht frei, es brauche deshalb eine neue «Heilige Allianz»: «Würden Frankreich, Deutschland, Russland zusammenwachsen, dann wären wir ein starkes Europa.»

Johann Gudenus ist öfter in Russland zu Gast. 2012 besuchte er den tschetschenischen Diktator Ramsan Kadyrow und kam zum Schluss, dass in Österreich abgelehnten Asylwerbern in Tschetschenien keine Gefahr drohe. Im März 2014 war er Beobachter beim international nicht anerkannten Referendum auf der Krim und erklärte es für legitim.

Nachdem die APA Gudenus jüngsten Auftritt in Moskau enthüllt hatte, kam heftige Kritik von allen anderen Parteien. Die SPÖ sprach vom «neuen Höhepunkt antieuropäischer und homosexuellenfeindlicher Politik der FPÖ». Johann Gudenus und sein Chef HeinzChristian Strache schweigen bis jetzt.