Wohltäter in eigener Sache

13. April 2013

Österreichs bestbezahlter Banker gibt einen Teil seiner Jahresgage zurück.

Zu Beginn dieser Woche fanden die Mitarbeiter der Österreichischen Raiffeisen Bank International auf ihren Computern ein Mail des Vorstandsvorsitzenden. Herbert Stepic kündigte eine Gehaltskürzung an, freilich nicht für die Belegschaft, sondern für sich selbst. Er verzichte auf 2 Millionen Euro, schrieb der Manager. Der 66-Jährige bezeichnete den unorthodoxen Schritt als «Akt der Solidarität» mit dem Unternehmen.

Der bullige Stepic, den die «Presse» als «bacchantische Natur mit verschiedensten Lastern» charakterisierte und der in der Bank für seinen rauen Umgangston bekannt ist, wird seinen Lebensstil dennoch nicht ändern müssen. Mit 2,9 Millionen statt 4,9 Millionen Euro Jahresgage gehört er weiterhin zu den zehn bestbezahlten Managern Österreichs.Ganz freiwillig war sein Gehaltsverzicht aber vielleicht doch nicht. Er kam nur wenige Tage vor der jährlichen Bilanzpressekonferenz, in der die Raiffeisenbank gleichzeitig mit einem Gewinnrückgang die Erhöhung der Aktionärsdividende und der Vergütungen für die Geschäftsleitung verkündete. Dass der Big Boss von den Journalisten dazu kritisch befragt werden würde, war absehbar. Ebenfalls eine Rolle dürfte gespielt haben, dass etwa zur selben Zeit die Aktionäre der Schweizer Bank Bär die Zustimmung zu den überhöhten Chefgehältern verweigerten.

Stepic ist Wiener und kommt aus kleinbürgerlichen Verhältnissen. Seine Leidenschaft gilt dem Reisen in ferne Länder, von wo er gerne Souvenirs und Kunst mit nach Hause bringt. Die enorme Sammlung an afrikanischer Schnitzkunst liess er vor zwei Jahren öffentlich ausstellen, ausgerechnet im Kunstforum einer Konkurrenzbank. Ob die Sammlung allerdings tatsächlich so wertvoll ist, wie es ihr Eigentümer behauptet, wird von Afrika-Experten angezweifelt. Stepic dürfte das nicht weiter stören. Er liebt die grosse Geste, das Opulente, da zählt die Fassade manchmal mehr als der Inhalt.

Das Bankgeschäft lernte er bei Raiffeisen von der Pike auf. Unter seinem Vorsitz expandierte die Raiffeisen Bank International dann massiv im Osten Europas und in Russland. Dafür wurde er in Österreich mehrmals mit Titeln wie «Manager des Jahres» oder «Banker of the Year» ausgezeichnet. Heute ist das gelbe Giebelkreuz von Raiffeisen in den Stadtkernen von Budapest, Bukarest, Sofia oder Belgrad an jeder Strassenecke zu sehen.

Nicht sichtbar sind hingegen die Opfer der Expansion: Zehntausende Kunden, die Kredite in Franken aufnahmen, die sie jetzt nicht mehr zurückzahlen können. Zwar warben alle Banken für Fremdwährungskredite als «todsicheres Geschäft», Raiffeisen trat dabei aber am aggressivsten auf. Bekannt und berüchtigt wurde ein TV-Spot in Ungarn, bei dem die Bankberaterin Auskünfte über die Einkommensverhältnisse ihrer Kunden nicht einmal anhören will. «Raiffeisen - mit uns ist es leichter», lautete der Slogan. Viele Kreditkunden im Osten Europas empfinden das heute als blanken Zynismus. Sie müssen aufgrund des steigenden Frankenkurses fast doppelt so viele Zinsen als geplant zurückzahlen. Sie verlieren ihre Wohnung, ihr Auto - alles, was sie haben. Die Nachricht, dass Bankenchef Stepic auf einen Teil seines hohen Salärs verzichtet, wird sie kaum besänftigen. Denn die Rückzahlung von Stepic wird bei Raiffeisen als «Sonderertrag» verbucht. Das kommt vor allem den Aktionären zugute.