Der Massenmörder im Schlosspark

28. Januar 2013

Das letzte Stalin-Denkmal Europas findet sich in Wien, weil der Diktator einmal hier wohnte.

Zugegeben: Ein Blickfang ist das Denkmal an der gelben Hauswand eines kleinen Hotels nicht. Autos und Busse rasen auf zwei Fahrspuren daran vorbei Richtung Wiener Stadtzentrum. Und Fussgänger sind in der grauen Strasse selten, wo die umstrittene Marmortafel hängt. Ein Kopf mit markantem Schnauzbart prangt da über der Inschrift: «In diesem Haus wohnte im Jänner 1913 J. W. Stalin. Hier schrieb er das bedeutende Werk ‹Marxismus und die nationale Frage›.» Mitten in Wien und nahe des Barockschlosses Schönbrunn, das jedes Jahr Hunderttausende Touristen anzieht, steht das letzte Stalin-Denkmal Europas ausserhalb der ehemaligen Sowjetunion.


Foto: B. Odehnal

Vom hoffnungslosen Fall zum Mann der Stunde

25. Januar 2013

Ausländischer Staatsbürger, Adliger, Intellektueller: Karel Schwarzenberg hat viele Eigenschaften, die den Tschechen suspekt sind. Dennoch könnte er jetzt zum Staatspräsidenten gewählt werden.

Wie kann man nur so falsch singen? Und so laut noch dazu. Mit tiefem Bass brummte Karel Schwarzenberg in der Siegesfeier nach der ersten Runde der Präsidentenwahlen die tschechische Hymne. Nur traf er dabei keinen einzigen Ton richtig, und der schöne Text von der Suche nach dem Vaterland schmolz unter seinem Schnauzbart zu unergründbarem Nuscheln.

Wegen Schweizer Staatsbürgerschaft angegriffen

22. Januar 2013

Tschechiens Präsident Vaclav Klaus wirft dem Präsidentschaftskandidaten Karel Schwarzenberg vor, er habe zu viel im Ausland gelebt.

Gar nicht lange hielt sein Versprechen, sich nicht in den Wahlkampf einzumischen. Kaum traten die beiden Kandidaten für die zweite Runde der tschechischen Präsidentenwahlen in den Ring, mischte sich auch der amtierende Präsident Vaclav Klaus wieder ein - mit besonders heftiger Kritik am Kandidaten der Liberalen und Bürgerlichen, Karel Schwarzenberg. Präsident sollte nur jemand werden, so Klaus, der zu Tschechien gehöre, der Teil dieses Landes sei und «sein Leben hier verbracht hat».

Russen brauchen keine Quote

22. Januar 2013

Österreich wird von neureichen Russen besetzt - und aufgekauft.

Wo kommen nur die vielen Russen her? In der Wiener Kärntnerstrasse: «Oj, kak harascho!», in der Salzburger Getreidegasse: «Schto pakupajem?» , beim Skilift in Kitzbühel: «Bystro, bystro, pojechali!» Sie sind überall. Tausende und Abertausende. In den Fussgängerzonen, in Kaffeehäusern, Kaufhäusern, auf den Skipisten. Wo kommen die bloss her?

Gut, allein in Moskau sollen ja fast zehn Millionen Russen leben.

Eine Schlammschlacht um das Bundesheer

19. Januar 2013

In Österreich stimmt das Volk über eine Reform von Wehrpflicht und Zivildienst ab. Die Volksbefragung gilt als Testlauf für die Wahlen.

Es hat geschneit, und das Bundesheer ist in der Provinzstadt Baden zur Schneeräumung ausgerückt. Normalerweise wäre das keine Meldung wert, aber weil am Sonntag die Österreicher über die Frage Berufsheer oder Wehrpflicht abstimmen, wird jede banale Handlung der Soldaten zum Politikum. Und so erscheinen die Fotos der schaufelnden Soldaten schnell im Internet - als Beweis für die Notwendigkeit der Wehrpflicht. Geschaltet wird die Kampagne von einem Personenkomitee «Einsatz für Österreich». Die morgige Volksabstimmung ist die erste bundesweite in der Geschichte der Zweiten Republik, und sie betrifft eine Kernfrage der Sicherheitspolitik: Soll der Staat weiterhin junge Männer zu einem sechsmonatigen Wehrdienst oder einem achtmonatigen Zivildienst verpflichten? Oder soll das Bundesheer umgestellt werden auf eine Berufsarmee mit einer schlagkräftigen Miliz? Die Frage spaltet das Land und die regierende Grosse Koalition.

Die Experimente von Münsterlingen waren zahlreicher als angenommen

18. Januar 2013

Die Psychiatrische Klinik Münsterlingen führte ab den 50er-Jahren jahrzehntelang klinische Versuche mit nicht zugelassenen Medikamenten durch - in enger Zusammenarbeit mit Forschern aus Basel.

Von Simone Rau, Mitarbeit: Bernhard Odehnal

Im Juni 2012 berichtete der «Tages-Anzeiger» erstmals über die Vorwürfe des Österreichers Walter Nowak gegen das Thurgauer Kloster Fischingen. Der ehemalige Zögling des Kinderheims schilderte die angeblich körperlichen und sexuellen Übergriffe eines Paters in den 60er-Jahren und Anfang der 70er-Jahre. Dieser streitet die Anschuldigungen ab; das Kloster lässt die Vorwürfe untersuchen.

Gefährlicher als Dracula

14. Januar 2013

Eine rumänische Sportlerin wird als lesbisch geoutet. Das Land ist entsetzt.

Nein, bei der Handball-Weltmeisterschaft in Spanien ist Rumänien nicht dabei. Die grosse Zeit des rumänischen Handballs liegt schon etwas länger zurück. Dennoch ist der Sport seit einigen Tagen ein Thema, das die ganze Nation beschäftigt. Nicht wegen herausragender Leistungen einer Sportlerin. Sondern wegen ihrer sexuellen Orientierung. Alina Dobrin, langjährige und sehr bekannte Spielerin in der Nationalmannschaft, ist verheiratet und hat ein siebenjähriges Kind. Sie soll daneben aber seit Jahren eine Beziehung zu einer Teamkollegin haben.

Ein Schweizer in der Stichwahl

14. Januar 2013

In Tschechien schnitt Aussenminister Schwarzenberg im ersten Wahlgang überraschend gut ab. Er tritt in zwei Wochen gegen Ex-Premier Zeman an.

Dieses Ergebnis hat kein Meinungsforschungsinstitut vorausgesehen: Am Freitag und Samstag wählten die Tschechen erstmals ihr Staatsoberhaupt direkt: Sie schickten nicht den Bürokraten Jan Fischer in die zweite Runde, sondern Aussenminister Karel Schwarzenberg. Der Fürst mit tschechischem und Schweizer Pass erhielt mit 23,4 Prozent der Stimmen knapp weniger als der ehemalige sozialdemokratische Regierungschef Milos Zeman. Der 75-jährige Schwarzenberg war der älteste Kandidat, bekam aber die meisten Stimmen von jungen Wählern. Sie schätzen an ihm eine für tschechische Politiker ungewöhnliche Offenheit und dass er nicht in Korruptionsaffären verwickelt ist. Seine Partei Top 09 ist zwar in der umstrittenen Koalitionsregierung des bürgerlichen Petr Necas, überstand aber alle Skandale.

Endstation im Wassertal

10. Januar 2013

Der Schweizer Michael Schneeberger hat sich in Rumänien um die Rettung der letzten Waldbahn bemüht. Er wurde zum Opfer seines eigenen Erfolgs.


Die Wassertalbahn in Viseu de Sus (Rumänien). Foto: B. Odehnal

Zum Schluss musste er noch die Pressemitteilung verfassen: «Der schweizerische Verein ‹Hilfe für die Wassertalbahn› beschloss am 11. November 2012, seine Tätigkeit auf der rumänischen Waldbahn Viseu de Sus offiziell zu beenden.» Ein nüchternes Communiqué, das die mit dem Abschied verbundenen Emotionen nicht einmal erahnen lässt. Vereinspräsident Michael Schneeberger hat die Zeilen in seinem neuen Haus in der ungarischen Puszta verfasst. Vom Schreibtisch aus sieht er jetzt weites, flaches Land. Manchmal vermisst er den Blick auf die Hügel der Karpaten und das schäumende Wasser eines rumänischen Gebirgsbachs. Aber in Rumänien, sagt der 55-jährige Berner, «hat es keinen Spass mehr gemacht».

Das Monster und der Punk

10. Januar 2013

Zum ersten Mal wählen die Tschechen ihren Präsidenten direkt. Der Wahlkampf aber wird überschattet von den Eskapaden des scheidenden Staatsoberhaupts Klaus.

Vaclav Klaus ist noch bis 7. März im Amt. Aber schon jetzt werden die Fotos des tschechischen Präsidenten aus Schulen und Amtsgebäuden entfernt. Die Initiative ging von der mährischen Stadt Zlin aus, inzwischen haben sich andere Gemeinden angeschlossen. Sie protestieren damit gegen eine der letzten Amtshandlungen des scheidenden Präsidenten: Klaus hatte zu Neujahr eine Amnestie für 7000 Gefangene erlassen. Darunter sind viele Wirtschaftskriminelle, die in den 90er-Jahren die schwachen Kontrollmechanismen der neoliberalen Wirtschaftspolitik ausnutzten und Anleger und Investoren um viele Millionen Kronen betrogen. Damals war Klaus Finanzminister und später Ministerpräsident. Nach der Amnestie hält sich in Tschechien hartnäckig das Gerücht, er werde von einem oder mehreren dieser Grossbetrüger erpresst.

Seiten