Tagesanzeiger

Die Entlarvung des Mr. Smith

17. Juli 2012

Der Kriegsverbrecher Laszlo Csatary hat fast 16 000 Juden nach Auschwitz deportiert. Die Entdeckung des alten Mannes in Ungarn bringt Budapest in Zugzwang.

Von Bernhard Odehnal, Budapest

Der alte Mann war offenbar völlig überrascht. Nur in Unterhosen, Socken und Hemd stand er in der Tür seiner Wohnung und stotterte: «Nein, nein, ich will das nicht diskutieren. Ich habe es nicht getan. Verschwinden Sie.» So beschreiben die Reporter der britischen Boulevardzeitung «The Sun» ihre Begegnung mit dem Kriegsverbrecher Laszlo Csizsik-Csatary in Budapest. Der 97-Jährige war als Kommandant der Gendarmerie in der Stadt Kassa (heute Košice in der Slowakei) für die Deportation von 15 700 ungarischen Juden in das Vernichtungslager Auschwitz verantwortlich. Er soll sich durch besondere Grausamkeit gegenüber Frauen und Kindern hervorgehoben haben. 1948 wurde er dafür in der Tschechoslowakei in Abwesenheit zum Tod verurteilt.

Immer im toten Winkel

17. Juli 2012

Wer die Gefahr sucht, findet sie auf osteuropäischen Radwegen.

Von Bernhard Odehnal, Budapest

Radweg in Bratislava: «Steigen Sie vom Rad ab»

Jetzt ist es fast geschafft! Nur noch drei Fahrspuren wechseln und in die Abbiegespur einfädeln. Von hinten kommt der dunkle Schatten eines LKW immer näher. In letzter Sekunde weicht er nach links aus und zieht an mir vorbei, so knapp, dass ich fast unter seine Zwillingsräder gezogen werde. Weiterpedalen, nur weiter. Autos überholen mit Tempo 80, städtische Autobusse drängen mich an den Rand. Aber dann ist es geschafft. Einmal noch über die Tramschienen springen, zweimal Fussgängern ausweichen: Ich stehe vor meiner Wohnungstür. Und habe überlebt. Erneut.

Vor den verschlossenen Türen der Swiss Life

16. Juli 2012

Der Finanzdienstleister AWD ist mit Klagen von Kunden in Österreich und Deutschland konfrontiert. Eigentümerin Swiss Life blockt Fragen ab.

Von Bernhard Odehnal, Wien

Etwas ratlos steht der Reporter vor der Zentrale von Swiss Life in Zürich. Hinein darf er nicht. Ein Manager der Versicherung kommt, sieht die Kamera und geht wieder. Alle Pressesprecher sind angeblich in einem Workshop. Das Team des österreichischen Fernsehens muss wieder gehen, ein Interview hat es nicht bekommen.

Stufenlos in die Design-Sauna

13. Juli 2012

Die Stadt Wien leistet sich ultramoderne Trams und lässt die Fahrgäste darin schwitzen.

Von Bernhard Odehnal, Wien

35 Grad, 36 Grad. Und die Thermometersäule klettert weiter nach oben, auf 37, an einigen Punkten sogar auf 38 Grad. Wien war in den vergangenen Tagen Hitzezentrum Europas, und die Hitzezentren Wiens waren - die Trams. Nicht alle, sondern nur jene, die von den Verkehrsbetrieben, die sich hier Wiener Linien nennen, als die «neue Bim» beworben werden, obwohl sie nun auch schon über zehn Jahre alt sind. Durch die riesigen, leicht gewölbten Scheiben können die Sonnenstrahlen ungehindert eindringen und den Innenraum richtig gut aufheizen. Zu öffnen sind die Fenster nur einen Spaltbreit. In den Wagen entsteht so die heimelige Atmosphäre einer Dampfsauna, in der sich Hitze mit den Ausdünstungen der ermatteten Fahrgäste vermischt. Für die katholischen Wiener (auch die soll es noch geben, auch wenn es nicht mehr viele sein können) hat das höchstens den Vorteil, dass sie gleich ihre Sünden abbüssen und sich den sonntäglichen Beichtgang ersparen.

«Im Kloster lernte ich, auf Gewalt mit Gewalt zu antworten»

12. Juli 2012

Ein weiterer ehemaliger Zögling des Kinderheims in Fischingen erzählt von Schlägen und sexuellem Missbrauch durch einen Priester. Das Kloster lehnt eine kollektive Aufarbeitung weiterhin ab.

Von Bernhard Odehnal, Wien

Walter Nowak will Fischingen nicht mehr besuchen. Nie wieder. Zehn Jahre, von 1962 bis 1972, war der gebürtige Österreicher in der Erziehungsanstalt des Thurgauer Klosters. In einem Bericht im «Tages-Anzeiger» erzählte er von Gewalt und sexuellem Missbrauch durch einen Erzieher (TA vom 26. 6.). Der heutige Klosterdirektor Werner Ibig lud ihn daraufhin zu einem persönlichen Gespräch ein. Der Termin war schon vereinbart, doch vor einigen Tagen sagte Nowak schriftlich ab und schickte Ibig eine ausführliche Begründung: Er vermisse jegliches Schuldbewusstsein, so Nowak sinngemäss: Die Angaben der Opfer würden angezweifelt, der Datenschutz benutzt, um die Täter zu schützen.

Er hat a jiddische Mame!

6. Juli 2012

Der Albtraum jedes Rechtsextremen wurde für einen ungarischen EU-Abgeordneten wahr.

Von Bernhard Odehnal, Budapest

Wir wissen nicht, wie er es erfahren hat. Doch der Schock sass ganz tief. Er brauche erst einmal etwas Zeit, um die Erkenntnisse zu verarbeiten, verriet der ungarische Politiker Csanad Szegedi der Zeitung «Barikad». Verständlich. Kann es etwas Schlimmeres geben für einen rechtsextremen Politiker, als die Enthüllung, dass seine Vorfahren Juden waren? Juden! Für Szegedis Partei Jobbik ist das nicht nur jenes Volk, das für die Zerstückelung Ungarns im Schandvertrag von Trianon verantwortlich war. Es ist auch das Volk, das die tapferen Magyaren wieder in aller Welt schlechtmachen will. Eine jüdische Weltverschwörung also. Nun soll ein Jobbik-Politiker Teil dieser Verschwörergemeinschaft sein?

«Wir Roma hassen Nicolae Romulus M. für das, was er uns angetan hat»

10. November 2007

Weil ein junger Rom in Italien unter Mordverdacht steht, müssen Tausende Roma vor dem Hass der Italiener flüchten. In Rumänien erwartet sie jedoch nur Hoffnungslosigkeit.

Von Bernhard Odehnal, Avrig

Romasiedlung in Avrig, Rumänien

Am Samstag, 3. November, gegen 21 Uhr verliess die 19-jährige Ana Acnana gemeinsam mit ihrem Mann und ihrer dreijährigen Tochter Alexandra für immer ihre kleine Hütte aus Sperrholz im römischen Vorort Prima Porta. Mit einer einzigen Tasche in der Hand gingen sie zum Busbahnhof Tiburtina, wo sie auf dem Boden übernachteten. Gegen 6 Uhr früh stiegen sie in einen Car, der sie ins rumänische Sibiu (Hermannstadt) brachte. Von dort war es eine weitere Stunde Fahrt mit dem Minibus in ihren Heimatort Avrig, wo sie Montagmittag ankamen.

Liechtensteins Regierung will Konsequenzen aus der Dokumenten-Affäre ziehen

23. Dezember 2011

Die Anwaltskanzlei Marxer fühlt sich zu Unrecht in eine politische Geschichte hineingezogen.

Von Bernhard Odehnal, Wien

Eineinhalb Tage brauchte die renommierte Liechtensteiner Anwaltskanzlei Marxer & Partner, um auf die Vorwürfe gegen einen ihrer Rechtsanwälte und Partner zu reagieren. Dem Mann wird vorgeworfen, er habe Dokumente aus einer Hausdurchsuchung aus dem Gericht entwendet und erst sechs Wochen später zurückgegeben (TA von gestern).

Stringtangas für Baku

28. Februar 2012

Österreich bemühte sich mit Geschenken um Druckaufträge für Banknoten aus Diktaturen.

Jetzt einmal klipp und klar: Mit den Skandalgeschichten rund um Karl-Heinz Grassermuss Schluss sein. Grasser hier, Grasser dort, Grasser mit Geldkoffer, Grasser mit Briefkastenfirmen: So etwas schadet nicht nur dem Ruf dieses Mannes, der sich für zu schön und zu klug für diese Welt hält. Die Verdächtigungen bringen ganz Österreich in Verruf. Zu Unrecht! Nicht überall, wo Schmiergeld draufsteht, muss Grasser drin sein.

Schweiz und Liechtenstein behindern österreichische Ermittlungen

6. Dezember 2011

Wichtige Dokumente zu den Korruptionsskandalen rund um Ex-Minister Karl-Heinz Grasser werden nicht ausgehändigt.

Von Bernhard Odehnal, Wien

Seit 25 Monaten werde nun gegen ihn ermittelt, klagte der ehemalige österreichische Finanzminister Karl-Heinz Grasser in den Medien. Dabei gebe es «nichts, keinen einzigen Beweis». Das sei ein Komplott mit der Zielsetzung «mich zu vernichten», soGrasser. Er fühle sich «hundertprozentig unschuldig».

Seiten

Subscribe to RSS - Tagesanzeiger