Berührende Biographie

Neue Luzerner Zeitung, 17. Juli 2014

Text: Arno Renggli

Als Kopf einer Einbrecherbande erlangte er schweizweite «Berühmtheit». Das Leben von Guido T. ist in einem Klosterheim vorgespurt worden. Und nimmt dennoch unglaubliche Wendungen.

Heute ist Guido T. 70-jährig und blickt auf ein Leben zurück, das alles beinhaltet: Tragik, Abenteuer, Fehltritte, grosse Leistungen, denen grosse Abstürze folgten. Seine Biografie, geschrieben vom «Tagi»-Journalisten Bernhard Odehnal, berührt und schockiert im steten Wechsel.

Schon als Kind gestohlen

Doch kann es überhaupt anders herauskommen nach dieser Kindheit? Der Vater, nach aussen ein liebenswürdiger Zeitgenosse, ist ein aggressiver Alkoholiker und misshandelt ihn sowie die Mutter. Als Siebenjähriger muss Guido T. erleben, wie sein Vater in die Zwangsjacke gesteckt wird. Als dieser freikommt, geht die Gewalt weiter. Sie endet erst, als der Vater sich das Leben nimmt. Es ist der Sohn, der ihn findet.

Guidos Laufbahn als Verbrecher beginnt schon im Kindesalter. Er stiehlt Geld aus den Milchkästen der Wohnungen im Quartier, kauft Lebensmittel für sich und seine Familie. Als er bei einem Ladendiebstahl erwischt wird, kommt er mit elf Jahren ins Heim für Schwer­erziehbare im Kloster Fischingen TG.

Klassenlehrer missbraucht ihn

Es ist die Hölle: Im Kloster, geführt von Patres aus Engelberg und Schwestern aus Menzingen, gehören massive Prügel, Demütigungen oder tagelange Einzelhaft im Kohlekeller zu den Erziehungsmethoden. Vom Klassenlehrer wird er sexuell missbraucht. Viel später, längst erwachsen, wird er schriftlich von den damaligen Peinigern und deren Vorgesetzten Rechenschaft fordern. 2013 erhält er einen Brief vom Direktor des Klosters Fischingen, in dem dieser und der heutige Abt des Klosters Engelberg ein Gespräch anbieten. Guido T. hat den Brief nie beantwortet. Was hätte er den beiden, die mit den damaligen Ereignissen nichts zu tun hatten, sagen sollen?

Mit 15 Jahren kommt Guido T. aus dem Klosterheim und startet ein abenteuerliches Leben: So verbringt er mehrere Jahre als Matrose auf den Weltmeeren, «die schönste Zeit meines Lebens». Danach fällt er in ein Loch. «Ich hatte nichts. Keinen Beruf, keine Lehre, einfach nichts.» Freunde und Akzeptanz findet er im Zürcher Milieu, bald rutscht er in die Kriminalität. Als Kopf einer Einbrechertruppe, der «Durbridge-Bande» (genannt nach den erfolgreichen TV-Krimis von Francis Durbridge), schaffte er es auf die «Blick»-Titelseite.

Karriere in Afrika

In der Zeit lernt er seine spätere Frau Berti kennen, die als Kundschafterin mithilft. Nach geschätzten 40 Einbrüchen kommt er 1968 ins Gefängnis. Andere Frauen werden in sein Leben treten. Etwa die damals 16-jährige Monika, die mit ihm ins Ausland flüchtet und von ihm schwanger wird.

Mehrmals sitzt Guido T. im Knast, erlebt auch dort Gewalt und Demütigung, doch er lernt auch einen Manager von Oerlikon-Bührle kennen, der ihm einen Job in Nigeria vermittelt. In der Folge wird Guido T. in Afrika und Arabien erstaunliche Fähigkeiten zeigen und Karriere machen, etwa als Manager im Wohnungs- oder Hotelbau. Verwundert liest man, was dieser immer noch junge Mann, der in der Schweiz gescheitert ist, alles erlebt und erreicht. Mit 37 hat er zwei Mercedes und einen Privatchauffeur. Mit Frau und Sohn zieht er 1983 in die Schweiz zurück und verfällt dem Alkohol. Als Handwerker findet er aber wieder Boden unter den Füssen.

2011 will er sich einen letzten Traum erfüllen: nach Paraguay auswandern. Das Unterfangen wird zum Misserfolg, er kehrt zurück, muss den Spott der alten Kameraden hören. Vielleicht ist es das letzte grössere Kapitel im bewegten Leben dieses Menschen, der nach einer traumatischen Kindheit die unterschiedlichsten Wege ging. Und dieser Kindheit doch nie ganz entfliehen konnte.