Ungarn

Orban arbeitet an seiner Wiederwahl

22. September 2012

Ungarns Regierungspartei will die Wahlkreise neu ziehen und die Wähler neu registrieren. Die Opposition sieht darin eine Verletzung der Verfassung.

Bernhard Odehnal, Budapest

Für die Abgeordneten der ungarischen Regierungspartei Fidesz wird ihr jüngster Gesetzesentwurf «das Tor der Demokratie ganz weit öffnen». Die Opposition hingegen wittert einen neuerlichen Anschlag auf die Demokratie und einen Versuch von Regierungschef Viktor Orban, sich die absolute Macht im Staat bei den nächsten Wahlen 2014 zu sichern - und zwar auch mit deutlich weniger Wählerstimmen als bei den Wahlen 2010. Es geht um das Wahlrecht und die Wahlorganisation: Fidesz hat diese Woche dazu ein ganzes Bündel an Gesetzesentwürfen im Parlament eingebracht und wird sie demnächst beschliessen.

Ungarn hofft im Streit mit Armenien auf Schweizer Hilfe

18. September 2012

Budapest hat einen Mörder aus Aserbeidschan freigelassen und damit Armenien brüskiert. Jetzt soll die Schweiz vermitteln.

Von Bernhard Odehnal und Luciano Ferrari

«Das ist nicht unser Konflikt», erklärte Ungarns Regierungschef Viktor Orban unlängst in einem Radiogespräch: «Wir sollten uns da raushalten.» Zu spät. Ungarn ist bereits mittendrin im kriegerischen Konflikt zwischen den beiden Kaukasusstaaten Aserbeidschan und Armenien. Und es sieht nicht so aus, als könnten sich die Ungarn schnell wieder aus dieser misslichen Lage befreien. Die armenische Regierung hat die diplomatischen Beziehungen abgebrochen, in vielen Ländern fanden Kundgebungen armenischer Exilgemeinden vor ungarischen Botschaften statt.

Orban brüskiert den Währungsfonds

11. September 2012

Ungarns Premier hat Bedingungen für einen IWF-Kredit abgelehnt. Der Versuch, in Aserbeidschan einen potenten Partner zu gewinnen, endete aber bereits in einem Desaster.

Von Bernhard Odehnal, Wien

Viktor Orban zeigte wieder einmal gutes Gespür für die richtige Inszenierung. Mit aufgerollten Hemdsärmeln, ernstem Blick und Sorgenfalten auf der Stirn stellte er sich vergangene Woche vor eine wackelige Handkamera und teilte den Zusehern mit, dass Ungarn niemals die neuen Bedingungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) akzeptieren könne. Die Absage des ungarischen Regierungschefs erschien exklusiv auf seiner Facebook-Seite und liess Freunde und Gegner etwas ratlos zurück.

Ungarische Roma gründen Schutztruppe gegen Rechtsextreme

7. September 2012

In der südungarischen Stadt Pécs hat ein Vertreter der Roma-Minderheit die Gründung einer eigenen Schutztruppe bekannt gegeben. Ferenc Bagó will 400 Mitglieder für seine Gruppe rekrutiert haben und sie auf bis zu 8000 Mann aufstocken. Aufgabe der Truppe soll der Schutz von Roma, Juden und anderen Minderheiten vor Übergriffen der rechtsextremen Ungarischen Garde sein - so lange, bis die Polizei eingreift. Bagó nennt sich auch «Hauptmann Daflics», hat eine Glatze und die Figur eines Bodybuilders. Er lässt sich in schwarzem T-Shirt und fingerlosen Lederhandschuhen fotografieren, auf einem Bild ist er mit Schwert zu sehen. Er betont jedoch den friedfertigen Charakter seiner Truppe. Den von ungarischen Medien verwendeten Ausdruck «Roma-Garde» lehnt er auf seiner Facebook-Seite ab: «Wir sind eine Friedenstruppe. Wir Ungarn sitzen alle in einem Boot. Zigeuner und Nichtzigeuner!»

Juden werden wieder auf der Strasse beschimpft

4. September 2012

In Österreich und Ungarn häufen sich antisemitische Attacken. Staat und Gesellschaft reagieren beiderorts gleichgültig.

Von Bernhard Odehnal, Wien

Es geschah am helllichten Tag auf einem der belebtesten Plätze Wiens. EinRabbiner der jüdischen Gemeinde war auf dem Weg zur Synagoge, als er hinter sich die lautstarke Aufforderung «Scheiss-Juden, haut ab!» hörte. Als sich der Mann umdrehte, stand da vor ihm ein Fussballfan, streckte seine rechte Hand zum Hitlergruss aus und brüllte: «Hau ab, du Scheiss-Jude. Juden raus! Heil Hitler!» Der Vorfall wurde nicht nur von Passanten, sondern auch von der Polizei beobachtet.

Ungarns letzte liberale Zeitung bangt um ihre Existenz

8. August 2012

«Népszabadság» gehört zu den wenigen ungarischen Medien, die kritisch über die Regierung berichten. Nun herrscht Unruhe auf der Redaktion: Will der Schweizer Medienkonzern Ringier das Blatt verkaufen?

Von Bernhard Odehnal, Wien

Das Bürohaus in der Budapester Becsi ut (Wiener Strasse) ist gespenstisch leer. Wo einst Hunderte Menschen arbeiteten, sind Zimmer und Gänge verwaist. Nur die Redaktionsbüros der Zeitung «Népszabadság» sind noch besetzt. Aber die Stimmung ist schlecht, geprägt von Nervosität und Gerüchten. Ungarns letzter grosser unabhängiger Zeitung droht der Verkauf und damit ein ungewisses Schicksal.

Ihr könnt euch niemals sicher fühlen

20. Juli 2012

Die Enttarnung von Laszlo Csatary mag wenig zimperlich verlaufen sein. Doch was zählt, ist seine Verhaftung.

Von Bernhard Odehnal, Wien

Kann es so viel Zufall geben? Ungarns Präsident Janos Ader besucht Israel und hält eine Rede vor der Knesset. Zur gleichen Zeit wird in Budapest einer der letzten noch lebenden mutmasslichen Nazikriegsverbrecher verhaftet: Laszlo Csatary soll für die Misshandlung und Deportation von mehr als 15 000 ungarischen Juden aus der Stadt Kassa (heute: Košice) 1944 verantwortlich sein. Nein, die Gleichzeitigkeit ist kein Zufall. Die ungarische Regierung suchte einen Notausgang in letzter Sekunde. Internationale und bilaterale Beziehungen standen auf dem Spiel.

Die Entlarvung des Mr. Smith

17. Juli 2012

Der Kriegsverbrecher Laszlo Csatary hat fast 16 000 Juden nach Auschwitz deportiert. Die Entdeckung des alten Mannes in Ungarn bringt Budapest in Zugzwang.

Von Bernhard Odehnal, Budapest

Der alte Mann war offenbar völlig überrascht. Nur in Unterhosen, Socken und Hemd stand er in der Tür seiner Wohnung und stotterte: «Nein, nein, ich will das nicht diskutieren. Ich habe es nicht getan. Verschwinden Sie.» So beschreiben die Reporter der britischen Boulevardzeitung «The Sun» ihre Begegnung mit dem Kriegsverbrecher Laszlo Csizsik-Csatary in Budapest. Der 97-Jährige war als Kommandant der Gendarmerie in der Stadt Kassa (heute Košice in der Slowakei) für die Deportation von 15 700 ungarischen Juden in das Vernichtungslager Auschwitz verantwortlich. Er soll sich durch besondere Grausamkeit gegenüber Frauen und Kindern hervorgehoben haben. 1948 wurde er dafür in der Tschechoslowakei in Abwesenheit zum Tod verurteilt.

Er hat a jiddische Mame!

6. Juli 2012

Der Albtraum jedes Rechtsextremen wurde für einen ungarischen EU-Abgeordneten wahr.

Von Bernhard Odehnal, Budapest

Wir wissen nicht, wie er es erfahren hat. Doch der Schock sass ganz tief. Er brauche erst einmal etwas Zeit, um die Erkenntnisse zu verarbeiten, verriet der ungarische Politiker Csanad Szegedi der Zeitung «Barikad». Verständlich. Kann es etwas Schlimmeres geben für einen rechtsextremen Politiker, als die Enthüllung, dass seine Vorfahren Juden waren? Juden! Für Szegedis Partei Jobbik ist das nicht nur jenes Volk, das für die Zerstückelung Ungarns im Schandvertrag von Trianon verantwortlich war. Es ist auch das Volk, das die tapferen Magyaren wieder in aller Welt schlechtmachen will. Eine jüdische Weltverschwörung also. Nun soll ein Jobbik-Politiker Teil dieser Verschwörergemeinschaft sein?

Aggressiver Traum von Grossungarn

29. Juni 2012

Wer die heilige Krone beleidigt, soll ins Gefängnis.

«Die Ungarn suchen ihre Zukunft in einer obskuren Mythologie» - so wurde vor einiger Zeit im TA der Rummel um die mittelalterliche Krone des heiligen Stephan (Szent Istvan) beschrieben. Ein harmloser Satz in einer launigen Kolumne - der in Ungarn aber demnächst den Autor ins Gefängnis bringen könnte. Denn das ungarische Parlament hat eine Verschärfung der Strafgesetze ab 1. Juli 2013 beschlossen, darunter Gefängnisstrafe bis zu einem Jahr für die Beleidigung der Fahne, des Wappens, der Hymne und der heiligen Krone. 

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