Das Monster und der Punk

10. Januar 2013

Zum ersten Mal wählen die Tschechen ihren Präsidenten direkt. Der Wahlkampf aber wird überschattet von den Eskapaden des scheidenden Staatsoberhaupts Klaus.

Vaclav Klaus ist noch bis 7. März im Amt. Aber schon jetzt werden die Fotos des tschechischen Präsidenten aus Schulen und Amtsgebäuden entfernt. Die Initiative ging von der mährischen Stadt Zlin aus, inzwischen haben sich andere Gemeinden angeschlossen. Sie protestieren damit gegen eine der letzten Amtshandlungen des scheidenden Präsidenten: Klaus hatte zu Neujahr eine Amnestie für 7000 Gefangene erlassen. Darunter sind viele Wirtschaftskriminelle, die in den 90er-Jahren die schwachen Kontrollmechanismen der neoliberalen Wirtschaftspolitik ausnutzten und Anleger und Investoren um viele Millionen Kronen betrogen. Damals war Klaus Finanzminister und später Ministerpräsident. Nach der Amnestie hält sich in Tschechien hartnäckig das Gerücht, er werde von einem oder mehreren dieser Grossbetrüger erpresst.

Der Protest gegen Klaus überschattet auch einen der interessantesten Wahlkämpfe in der jüngeren Geschichte des Landes. Am 11. und 12. Januar wird Tschechiens Präsident zum ersten Mal vom Volk gewählt. Bisher stimmten im Parlament das Unterhaus und der Senat über das neue Staatsoberhaupt ab. Die Regierungsparteien beschlossen aber die Einführung der Volkswahl - sehr zum Unwillen des noch amtierenden Präsidenten, der die Direktwahl als Gefahr für die Demokratie bezeichnete.

Zur Wahl stehen neun Kandidatinnen und Kandidaten. Vier von ihnen haben Chancen, in die zweite Runde in vierzehn Tagen zu kommen. Viel mediale Aufmerksamkeit bekommt der Künstler und Professor an der Kunstakademie, Vladimir Franz. Das jedoch weniger für sein politisches Programm als für sein Aussehen. Der 53-jährige Prager ist von der Kopfhaut bis zu den Füssen tätowiert, sein blaues Gesicht mit rosa Ornamenten ist in diesen Tagen auf allen Titelseiten zu sehen. «Franzenstein» taufte ihn die Wochenzeitung «Reflex», zeigte dabei aber auch Sympathie für den Polit-neuling: «Wir lieben die Exoten.»

«Franzenstein» komponiert

Franz machte sich als Komponist einen Namen, sein bislang letztes Werk ist eine Oper nach Karel Capeks weltberühmtem Roman «Der Krieg mit den Molchen». Über seine politischen Ansichten ist wenig bekannt, er positioniert sich als Alternative zur korrupten Parteipolitik. Die Kandidatur entstand auf Initiative einer Facebook-Gruppe, die mittlerweile über 50 000 Mitglieder umfasst. Vor allem Studenten werden den blau- gesichtigen Künstler wählen. In den aktuellen Umfragen liegt Franz bei über 11 Prozent und damit noch vor Aussenminister Karel Schwarzenberg.


Vladimir Franz. Foto aus Facebook

Auch der 75-jährige Vorsitzende der Regierungspartei TOP 09 bemüht sich um die jüngeren Wähler. Plakate und Sticker seiner Kampagne gestaltete der bekannte und umstrittene Künstler David Cerny, der schon mit seiner Europainstallation in Brüssel für Aufregung gesorgt hatte. Aus Schwarzenberg machte Cerny einen Punk mit lila Irokesenschnitt, das Logo «Karel for President» erinnert an den Schriftzug der Punkband Sex Pistols. Schwarzenberg ist der Kandidat des liberalen Bürgertums in Prag und grösseren Städten, dennoch geben ihm die Meinungsforscher derzeit nicht mehr als 11 Prozent.

Favoriten im Wahlkampf sind zwei ehemalige Regierungschefs. Der 68-jährige Miloš Zeman baute nach der Wende die Sozialdemokratische Partei wieder auf und führte sie in die Regierung. Die Genossen dankten ihm das allerdings nicht und liessen ihn vor zehn Jahren im Stich, als er gegen Vaclav Klaus für das Präsidentenamt kandidierte. Zeman verliess verärgert die Partei und zog sich auf sein Landgut in Südmähren zurück. Er wird die Stimmen der Rentner und der Bauern bekommen, die sein polterndes Auftreten und seinen Nationalismus ebenso schätzen wie seine Liebe zu ein, zwei, drei Gläschen Schnaps. Zeman liegt in den Umfragen bei 25 Prozent, Tendenz steigend.

Grossparteien ohne Chancen

Sein schärfster Gegner schwächelt hingegen im Finish. Der 62-jährige parteilose Bürokrat Jan Fischer leitete viele Jahre das staatliche Statistikbüro. In der Regierungskrise 2009 sprang er als Premier ein und rettete damit die tschechische EU-Präsidentschaft. Dass er heute dennoch nicht über 20 Prozent kommt, liegt an seiner Vergangenheit: Fischer war bis zur Wende 1989 Mitglied der Kommunistischen Partei. Kaum Wahlchancen werden dagegen den Kandidaten der oppositionellen Sozialdemokraten sowie der Bürgerpartei ODS von Regierungschef Petr Necas eingeräumt.