Schweiz und Österreich planen militärische Zusammenarbeit

18. April 2015

Verteidigungsminister Ueli Maurer möchte mit österreichischer Hilfe den Kauf von Transportflugzeugen verhindern. Im Gegenzug bietet er Hand für die gemeinsame Ausbildung von Rekruten.

Christian Brönnimann, Bern, und Bernhard Odehnal, Wien

Genau 700 Jahre nach der Schlacht von Morgarten wollen die Schweiz und Österreich im militärischen Bereich verstärkt zusammenarbeiten. Das ist das Ergebnis eines zweitägigen Besuchs des österreichischen Verteidigungsministers Gerald Klug (SPÖ) bei seinem Amtskollegen Ueli Maurer (SVP), der gestern bei einem Mittagessen auf der Habsburg im Aargau zu Ende gegangen ist.

Zwei Punkte stehen im Vordergrund: Erstens wollen die Nachbarstaaten 2016 in einem Pilotprojekt eine gemeinsame Rekrutenausbildung testen. Gemäss Informationen des Verteidigungsdepartements (VBS) ist eine drei- bis vierwöchige gemeinsame Übung für 30 bis 40 Rekruten geplant. Die genauen Modalitäten sind noch offen. Die heutige Ausbildungszusammenarbeit zwischen den beiden Ländern beschränkt sich auf den Grad der Offiziere und Unteroffiziere. Der Vorschlag kam von Gerald Klug. Er verspricht sich «einen deutlichen Mehrwert» für die österreichischen Rekruten, wie er am Donnerstag an einem Medientermin in Kehrsatz bei Bern sagte.

Die zweite Idee brachte Verteidigungsminister Ueli Maurer ein. Er möchte beim Lufttransport zusammenspannen. Die Schweizer Armee verfügt derzeit über kein Transportflugzeug und muss diese etwa für die wöchentlichen Flüge nach Kosovo mieten. Österreich hingegen besitzt drei Flugzeuge des Typs C 130 Herkules. Gegen seinen ursprünglichen Willen muss Maurer derzeit die Beschaffung eigener Transportflugzeuge prüfen. Offenbar versucht er nun mit der Kooperationsidee, diesen Kauf zu verhindern. Gemäss Nachrichtenagentur SDA verhehlte Maurer am Medientermin nämlich nicht, dass er eine «Pool-Lösung» mit Österreich einem Kauf vorziehen würde.

Politiker wurden überrascht

Eine Arbeitsgruppe wird nun die Bedingungen der Zusammenarbeit beraten. Ob mit den zwei Vorschlägen bereits das ganze Feld für Kooperationen abgesteckt ist, bleibt offen. Ein VBS-Sprecher beantwortet die Frage, ob auch in anderen Bereichen Möglichkeiten diskutiert wurden, klar mit: «Das war kein Thema.» Anders tönt es bei den Österreichern. Sie liessen in einem Communiqué verlauten, man prüfe «unter anderem» eine gemeinsame Ausbildung von Rekruten und Kooperationen beim Lufttransport.

Für Schweizer Politiker kommen die Pläne überraschend. In den sicherheitspolitischen Kommissionen von National- und Ständerat wurden sie nie vorgestellt, wie mehrere Mitglieder übereinstimmend berichten. Für SP-Nationalrätin Evi Allemann sind die Pläne «logisch und sinnvoll». Sie möchte noch weiter gehen und beispielsweise auch über eine gemeinsame Luftraumüberwachung diskutieren. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums gibt es aber auch skeptische Töne. «Die Pläne ritzen das Prinzip der immerwährenden bewaffneten Neutralität», sagt Hans Fehr von der SVP. Einen Nutzen der Kooperation könne er nicht erkennen.

Auch in Österreich treffen die Vorschläge die Politik völlig unvorbereitet. Vergangenen Dienstag, zwei Tage vor seinem Schweiz-Besuch, sprach Gerald Klug vor dem Verteidigungsausschuss des österreichischen Parlaments, erwähnte dort aber den Plan einer militärischen Partnerschaft mit der Schweiz mit keinem Wort. Das stört nicht nur die Opposition. Er komme sich gefoppt vor, sagt Bernd Schönegger, Wehrsprecher der Koalitionspartei ÖVP. Otto Pendl, Verteidigungssprecher der SPÖ, hätte es von seinem Parteikollegen Klug zumindest «angenehm gefunden, wenn er dazu einen Verweis gemacht hätte». Beide Abgeordneten halten die Pläne ­allerdings prinzipiell für sinnvoll.

Die Opposition hingegen ist skeptisch: «Wir sind ein neutrales Land», sagt FPÖ-Wehrsprecher Mario Kunasek, «und müssen deshalb für unsere Verteidigung selbst aufkommen.» Auch Peter Pilz von den Grünen hält die militärische Zusammenarbeit «neutralitätsrechtlich für extrem problematisch» und vermutet, dass dem österreichischen Minister die Idee dazu spontan kam: Immer, wenn Klug ins Ausland fahre, komme er mit undurchdachten Initiativen zurück: «Wir fragen uns schon ängstlich vor seinen Auslandsreisen, welche Überraschung uns wieder blühen wird.»

Klugs Armee geht es schlecht

Was hätte Österreich neben den Transportflugzeugen überhaupt zu bieten? Österreichs Verteidigungsbudget ist mit knapp 2 Milliarden Euro schon jetzt nicht einmal halb so gross wie jenes der Schweiz. Die Luftwaffe verfügt meistens nur über fünf einsatzbereite Kampfjets des Typs Eurofighter Typhoon. Die Betriebskosten sind so hoch, dass die Flüge auf ein Minimum reduziert werden. Und die Regierung in Wien will weitersparen, Kasernen schliessen und schweres Gerät verkaufen.

Der österreichische Militärexperte Gerald Karner glaubt denn auch nicht an eine permanente Kooperation mit der Schweiz. Nicht nur, weil das der Neutralitätsstatus beider Länder nicht erlaube. Die Ausbildungssysteme der beiden Armeen seien zu verschieden, um gegenseitigen Nutzen daraus zu ziehen, sagt Karner. Vorstellen kann er sich, dass Österreich den Nachbarn Truppenübungsplätze zur Verfügung stellt.