Ungarn

Ringier gibt «Népszabadság» auf

5. September 2012

Um die Fusionspläne mit Axel Springer nicht zu gefährden, verkauft der Schweizer Medienkonzern Ungarns letzte unabhängige Tageszeitung.

Von Bernhard Odehnal, Wien

Der Schweizer Medienkonzern Ringier möchte sein Engagement in Ungarn reduzieren und die Tageszeitung «Népszabadság» verkaufen. Was bisher nur als Gerücht durch ungarische Redaktionsräume geisterte, wurde vergangene Woche durch den Minderheitseigentümer der Zeitung bestätigt. Die Stiftung für freie Presse, die von der Sozialistischen Partei Ungarns gegründet wurde und ihr weiterhin nahesteht, hält derzeit 27,7 Prozent an der Aktiengesellschaft, Ringier hat 70,8 Prozent, der Rest gehört den Redaktoren. In einem Interview bestätigte der Stiftungsvorsitzende Laszlo Kranitz, dass Ringier seine Anteile verkaufen wolle. Die Stiftung habe ein Vorkaufsrecht und ein «korrektes Kaufangebot» präsentiert. Ringiergibt zu seinen Geschäftsbeziehungen keinen Kommentar ab. Ungarn ist das letzte Land im Osten Europas, in dem der Schweizer Medienkonzern noch keine Partnerschaft mit dem deutschen Axel-Springer-Konzern eingegangen ist. Die ungarische Medienbehörde will diese Fusion aber nur genehmigen, wenn sichRingier von «Népszabadság» trennt.

Klein Helvetien in der Puszta

22. Juli 2017

Der Spezialist für Ultraschall-Diagnostik hat in Ungarn ein Hotel und ein Ausbildungszentrum errichtet. Schweizer Senioren sollen dort ihren Lebensabend verbringen.

«Das wird eine Piratenlandung. Keine Programmierung, nur Handsteuerung.» In einer engen Kurve zieht Beat Dubs den Airbus A 320 über den Greifensee hinweg in Richtung Kloten. Die Landebahn ist in Sicht, Dubs geht in den Sinkflug, fährt das Fahrwerk aus, setzt sanft auf Piste 34 auf. Eine saubere Landung. «Trotzdem würde ich nach so einer Aktion meine Lizenz verlieren», sagt Dubs, steht vom Pilotensitz auf und geht ins Freie. Draussen vertreibt ein kühler Abendwind die Hitze des Tages, der Kuckuck ruft, Frösche quaken, Grillen zirpen. Kein Mensch und kein Motorenlärm stören die Ruhe. Um die Pilotenlizenz muss sich der 67-jährige Dubs keine Sorgen machen. Sein Airbus ist ein Flugsimulator und steht 1000 Kilometer vom Flughafen Zürich entfernt – in der ungarischen Puszta.


Dr. Beat Dubs in seinem Flugsimulator. Foto: Andras D. Hajdu

Ungarns letzte linke Zeitung gehört einer Liechtensteiner Firma

21. Oktober 2016

Ein geheimnisvoller ausländischer Investor will in die Zeitung «Nepszava» Geld stecken. Es soll sich nicht um den Schweizer Jürg Marquard handeln. 

Seit einiger Zeit galt es praktisch als fix: Die Firma Marquard-Media des Schweizer Unternehmers Jürg Marquard werde «Nepszava» übernehmen, die letzte regierungskritische linke Tageszeitung in Ungarn. Eine Pressemeldung der ungarischen Nachrichtenagentur MTI korrigiert nun dieses Gerücht: Nicht Marquard-Media, sondern eine neu gegründete Liechtensteiner Firma wird im ungarischen Medienmarkt mitmischen.

Ungarns regierungskritische Zeitung wurde eingestellt

10. Oktober 2016

Die Journalisten von «Nepszabadsag» wurden am Wochenende putschartig von ihren Arbeitsplätzen entfernt. 

Hunderte Menschen versammelten sich am Samstagabend vor dem Budapester Parlament, um des Todes einer beliebten Tageszeitung zu gedenken. Einige hatten Kerzen mitgebracht, andere Europafahnen. Die Stimmung schwankte zwischen Wut und Resignation. Am selben Tag am frühen Vormittag hatte die Leitung des Konzerns Mediaworks bekannt gegeben, dass «Nepszabadsag» (deutsch: Volksfreiheit) ab sofort nicht mehr erscheinen werde. Die Tageszeitung habe permanent an Lesern verloren und es nicht geschafft, in die schwarzen Zahlen zu kommen. Mediaworks will sich nun auf seine rentablen Produkte, Lifestyle- und Sportmagazine, konzentrieren. 

Der Traum von der «Goldenen Elf»

6. Oktober 2016

Fussball und Politik sind in Ungarn eng verzahnt. Regierung und Grosskonzerne wollen mit viel Geld ein neues Wunderteam schaffen. 

Nach dem Achtelfinal war Schluss: 0:4 verlor Ungarn gegen Belgien und musste Frankreich verlassen. Bei der Rückkehr nach Budapest wurde sie dennoch von tausenden Fans gefeiert, als hätte sie die EM gewonnen. Auch in den Medien bekam das Team Lob in Hülle und Fülle: Es habe das Land aus der Depression geholt, den Ungarn neues Selbstbewusstsein gegeben. Das Gruppenspiel gegen den späteren Europameister Portugal (3:3) gehörte zu den schönsten und spannendsten des gesamten Turniers. 


Im Schatten des Fussballstadions: Viktor Orbans Haus in der kleinen Gemeinde Felcsut. Foto: B. Odehnal

Das Böse sitzt in Brüssel

26. September 2016

Mit einer beispiellosen Hasskampagne gegen Flüchtlinge bereiten Viktor Orbans Parteisoldaten die Ungarn auf das Referendum am 2. Oktober vor.

Der Gemeindesaal des Budapester Vororts Csepel ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Manche Besucher müssen im Vorraum stehen. Organisatorin Adrienn Kitzinger wundert sich über das grosse Interesse nicht. Ungarn sei in einer Notlage, «da muss jeder für sein Volk da sein.» Beim Eingang werden Flugblätter verteilt: Eine Fotomontage macht Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz für die Anschläge in Paris und Brüssel verantwortlich. «Nur mit der Volksabstimmung können wir Brüssel stoppen», steht darunter.

 
«Gehen Sie kein Risiko ein!» Werbetafeln der Regierung für das Referendum auf einer Budapester Donaubrücke. Foto: B. Odehnal

Viktors wundersame Welt

8. Juni 2016

Frankenschuldner leben in einem «Wohnpark» im ungarischen Niemandsland, eine Nostalgiebahn fährt nach Nirgendwo: zu Besuch bei Viktor Orbans Prestigeprojekten. 

«Aus der Schweiz kommen Sie? Und in den Wohnpark wollen Sie?» Die Verkäuferin in der Imbissbude an der staubigen ungarischen Landstrasse blickt die Besucher ungläubig an. Als wüsste sie nicht, ob sie die Idee für besonders mutig oder wahnsinnig halten soll. Sie entscheidet sich für einen sehr knappen Rat: «An Ihrer Stelle würde ich das bleiben lassen.» 


Leere Strassen, keine Schule, kein Arzt, kein Supermarkt: Die Siedlung für die ungarischen Opfer des hohen Frankenkurses. Foto: Flavia Forrer

Chaos an der Grenze

10. September 2015

In den Lagern an der Grenze zwischen Serbien und Ungarn droht eine humanitäre Katastrophe. 

Wie lange sitzen sie schon hier auf dem Asphalt? Die ungarischen Polizisten, die rund um die etwa 100 Flüchtlinge stehen, können es nicht sagen. Ahmed, der junge Syrer aus der Stadt Homs, auch nicht. «Zwei Stunden waren es sicher schon», sagt er und wendet sich wieder seiner Familie zu, die unter einem Tuch Schutz vor der stechenden Sonne sucht. Am frühen Vormittag überquerte die Gruppe auf einem Eisenbahngleis die Grenze zwischen Serbien und Ungarn nahe der Gemeinde Röszke. Doch zur Registrierung ins ungarische Lager wollten sie nicht. 


Flüchtlinge warten auf Busse, die sie in ein Lager bringen sollen. Foto: B. Odehnal

Die Helfer sind am Ende ihrer Kräfte

13. September 2015

In Ungarn und Österreich übernehmen Freiwillige die Aufgaben des Staates. In Österreich bleiben sie alleine, in Ungarn werden sie mit Gefängnisstrafe bedroht. 

Einen Polizisten muss sie noch überreden, dann hat es Edna geschafft. Sie schiebt eine syrische Familie durch die Barriere, steckt ihr Tickets zu und winkt noch einmal, als die Eltern mit drei kleinen Kindern den Zug Richtung Österreich besteigen. Dann bricht Edna erschöpft unter Tränen zusammen. Anderthalb Tage hat die Tochter einer Ungarin und eines Palästinensers nicht geschlafen, hat übersetzt, hat sich in die lange Schlange vor dem Ticketschalter im Budapester Ostbahnhof gestellt, um dann von einer Beamtin abgewiesen zu werden. 


Helferin Neda verhandelt am Budapester Ostbahnhof. Foto: Andras D. Hajdu

In die Falle gelockt

4. September 2015

Westlich von Budapest hält die Polizei einen Zug mit rund 500 Menschen fest. Der Weg nach Westen ist ihnen versperrt.

Als der Intercity nach Sopron den Budapester Ostbahnhof verliess, dachten seine Passagiere noch an eine Reise in die Freiheit. Nachdem die ungarische Polizei den Zugang zum Bahnhof Donnerstagmorgen wieder freigegeben hatten, stürmten Hunderte Flüchtlinge die Bahnsteige und in den nächstbesten Zug, der Richtung Westen abfahren sollte. Dass dieser Zug sie nur auf die ­ungarische Seite der Grenze bringen würde, verstanden sie nicht. Ebenso entging ihnen die Ironie der Stunde, dass die Lokomotive mit einer Erinnerung an das paneuropäische Frühstück 1989 bemalt war: Damals gingen die Grenzen des Ostblocks für Tausende Flüchtlinge aus der DDR auf. 


Flüchtlinge halten handgeschriebene Botschaften aus dem Zug. Foto: B. Odehnal

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