Es ist nicht lange her, da fiel ihm das Geld nur so zu. Grössen aus Politik und Wirtschaft scharten sich um den Tiroler. Dann beging der Globus-Besitzer einen Fehler. Die grosse Benko-Story.
Veröffentlicht in: Tagesanzeiger, 17. November 2023
Wie könne ein knallharter Geschäftsmann bloss so beliebt sein, fragt die Moderatorin eines österreichischen Privatsenders am 14. November 2018 in die Kamera. Und bewundernd stellt sie fest: «Wenn es um Immobilienmilliardär René Benko geht, kommt die heimische Prominenz nicht mehr aus dem Schwärmen heraus.»
An diesem Tag vor just fünf Jahren hat Benko wie jedes Jahr in sein Wiener Nobelhotel zum «Törggelen» geladen, einem Südtiroler Erntedankfest mit viel Fleisch und Wein. Und wie jedes Jahr schart sich an diesem Abend die Crème de la Crème der österreichischen Wirtschaft und Politik um den eher kleinen, aber stämmigen Gastgeber: der Bundeskanzler, mehrere Ministerinnen, die Oppositionsführerin, CEOs und mit DJ Ötzi auch ein Vertreter von Österreichs Bussi-Bussi-Gesellschaft. Sie wollen über neue Bauprojekte reden, über Investments in Benkos Signa-Konzern. Oder einfach neben ihm mal kurz im Rampenlicht stehen.
René Benko ist zu jener Zeit auf dem Höhepunkt seiner Macht. Dass der Herr über milliardenteure Immobilien in Europa und Übersee fünf Jahre später vor massiven finanziellen Schwierigkeiten und der Zerschlagung seines Imperiums stehen wird, hätte damals bei Nordtiroler Schinken und Südtiroler Gewürztraminer wohl niemand erwartet. Am wenigsten Benko selbst: «Das Schöne ist, dass alle was wollen», sagt er damals in einem zweiten Fernsehbeitrag über seine Gäste: «Früher musste ich viel mehr Energie aufwenden. Jetzt geht alles leichter.»
Wolkenkratzer und Warenhäuser im Portfolio
Tatsächlich schien damals Benko alles leichtzufallen. Kein Projekt war zu gross, kein Investment zu riskant. In Wien gehörten seinem Konzern Signa einige der imposantesten Gründerzeithäuser, in Bozen ein ganzer Berg, in Deutschland mehrere Kaufhäuser an bester Lage, in der Schweiz die Globus-Kette, in London zumindest noch Anteile der Warenhauskette Selfridges und in New York das Chrysler Building. In Hamburg wollte Benko am dritthöchsten Haus Deutschlands, in Stuttgart eine Sportarena bauen. Doch zurzeit sind die Bauarbeiten wegen der Finanzprobleme bei Signa eingestellt.
Im Erfolgsjahr 2019 verzeichnete Benkos Signa Holding einen Gewinn von 1,1 Milliarden Euro. Der Gesamtwert ihrer Immobilien betrug damals laut eigenen Angaben über 25 Milliarden Euro. Heute sind diese Berechnungen nur schwer nachvollziehbar: Nach dem Kauf wurde der Wert vieler Liegenschaften offenbar in den Büchern nach oben korrigiert. Die Aufwertung sollte, wie unter anderem der «Spiegel» berichtete, neue Kredite ermöglichen und neues Kapital anlocken.
Benko war nicht nur berühmt für seine gigantischen Projekte, sondern auch für sein Mikromanagement. Selbst eine Veranstaltung wie das Törggelen im Wiener Nobelhotel plante er generalstabsmässig. Doch seine wahre Stärke waren persönliche Gespräche im kleinsten Kreis. Benko lud potenzielle Investoren in seine Nobelvilla in Lech am Arlberg ein, zu Jagdausflügen oder auf seine Jacht, er liess sie im Privatjet fliegen. Er imponierte mit Luxus und besten Kontakten zu politischen Entscheidungsträgern.
Die prominenten Namen gepaart mit Benkos selbstbewusstem Auftreten kamen nicht zuletzt bei Bankern gut an: Sie gaben ihm offenbar bereitwillig Millionenkredite. Benko galt als «Wunderwuzzi», wie die Wiener zu einem Wunderkind sagen. Seine Mentoren und Geldgeber suchten nach Ruhm und Profit in seinem Schatten. Auch imponierte ihnen die rührende Geschichte vom kleinen Mann aus Tirol, der es – bildlich gesprochen – vom Tellerwäscher zum Millionär gebracht hatte.
Teller gewaschen hat Benko jedoch nie. Der heute 46-Jährige war immer ein Verkäufer. Der gebürtige Innsbrucker stammt aus einfachen Verhältnissen. Kurz vor der Matura brach er die Schule ab und absolvierte einen Crashkurs beim Finanzdienstleister AWD. Die vom Deutschen Carsten Maschmeyer gegründete Firma bot vermeintlich unabhängige Vermögensberatung an. Tatsächlich wurden Kunden zum Kauf gewisser Immobilienaktien gedrängt. Als der Kurs dieser Aktien in den Keller rasselte, verloren viele Menschen ihr gesamtes Vermögen. AWD wurde später von Swiss Life gekauft und musste für das Fehlverhalten der Vergangenheit Schadenersatz zahlen.
René Benko war zu jener Zeit längst weitergezogen. Er übersiedelte von Innsbruck nach Wien und überzeugte 2001 den Erben einer Tankstellenkette, mit einer zweistelligen Millionensumme bei seiner Immobilienfirma einzusteigen. Benko fiel einmal mehr als harter Arbeiter und blitzschneller Rechner auf. Mit Ideen, die er überzeugend vermittelte. Aber das Geld für die Umsetzung – es kam immer von anderen.
Dem Tankstellenerben folgten als Investoren erst ein griechischer Reeder und danach der israelische Diamantenhändler Beny Steinmetz. Viele weitere Partner von Benko kamen aus der Schweiz. Etwa der ehemalige CEO von Lindt & Sprüngli, Ernst Tanner, oder Arthur Eugster, ein Hersteller von Kaffeemaschinen.
Aus der Spitzenpolitik direkt in Benkos Beirat
Den Sprung in die erste Liga der Immobilienbranche schaffte Benko im Jahr 2004 – mit 27 Jahren. Obwohl er schon in Wien lebte, kaufte er in Innsbruck das heruntergekommene Kaufhaus Tyrol in der Altstadt. Den historischen Häuserkomplex liess er abreissen und durch einen Neubau des Stararchitekten David Chipperfield ersetzen. Der Brite baute später unter anderem in Zürich den Neubau des Kunsthauses.
In Tirol provozierte der Abriss der alten Häuser massive Proteste. Um die Landespolitiker von Benkos Projekt zu überzeugen, intervenierte sogar der damalige Bundeskanzler Alfred Gusenbauer. Benko wusste diesen Dienst zu schätzen: Nach seinem Rückzug aus der Politik 2008 bekam Sozialdemokrat Gusenbauer einen Sitz im wichtigen Beirat der Signa Holding. Sein ehemaliger Assistent im Bundeskanzleramt wurde Mediensprecher und Manager einer Signa-Tochter in Zürich.
Politisch war Benko kaum fassbar. Ideologien schienen für ihn nebensächlich, es ging immer nur ums Geschäft, nie um Ideologie. Er holte Sozialdemokraten, Konservative und eine ehemalige Parteifreundin Jörg Haiders in seine Firma. Er spendete für das humanitäre Projekt eines Grünenpolitikers, der in Wien viel Einfluss bei grossen Bauprojekten hatte. Besonders eng wurde Benkos Beziehung zum Jungstar der Österreichischen Volkspartei, Sebastian Kurz.
Die Beziehungsarbeit trug Früchte. Kurz vor Weihnachten 2017 kaufte der Immobilien-Tycoon eine vom Konkurs bedrohte Möbelkette samt ihrem Stammhaus in Wien günstig. Der damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz half dabei. Einige Jahre später ging die Möbelkette dennoch in Konkurs, über 1500 Menschen verloren ihren Job. Benko aber hatte eine wertvolle Immobilie mehr.
Bereits bei seinen ersten Projekten suchte Benko auch den Kontakt zu Schweizer Banken. Entscheidend wurde seine Begegnung mit dem damaligen CEO der Falcon Bank, Eduardo Leemann. Wieder konnte Benko seine Überzeugunskunst ausspielen: Falcon stieg bei Signa ein. Was erst nach einem Glücksfall aussah, wurde für Benko bald zum Ballast. Der Bank wurde die Beteiligung an der Plünderung des malaysischen Staatsfonds 1MDM vorgeworfen. Benko zog die Notbremse und kaufte 2016 die Anteile der Falcon zurück. In der Schweiz wurde Falcon ursprünglich verurteilt, von der Berufungskammer des Bundesstrafgericht im Juli 2023 jedoch freigesprochen. Das Gericht sah keine Vortat jedoch eine «strafrechtlich relevante interne Desorganisation» bei der Bank.
Sein grösster Fehler: Keine Übersiedelung in die Schweiz
Zehn Jahre zuvor war Benko selbst vor Gericht gestanden. Da seine Strafe bereits getilgt ist, darf über den Fall nicht mehr berichtet werden. Etwa zur selben Zeit zog er sich aus der Unternehmensleitung von Signa zurück, bestritt aber jeden Zusammenhang mit dem Urteil.
Seither hat Benko in dem komplizierten Geflecht aus mehreren Stiftungen, einer Holding und Hunderten Subfirmen formal keine Funktion mehr. Sein Name steht in keinem Handelsregister. Er sass aber im Beirat der Holding, zumindest bis Anfang November dieses Jahres, als ihn die Investoren zum Rückzug zwangen und den Sanierer Arndt Geiwitz als Krisenmanager einsetzten. Bis zu diesem Tag sei Benko in Wirklichkeit an der Spitze der Signa gestanden, schreibt die Wiener Stadtzeitung «Falter» und beruft sich als Beweis auf interne Mails, die der Redaktion zugespielt wurden.
Eine Signa nahe stehende Person, die nicht namentlich genannt werden will, erinnert sich, dass Benko einmal in einer kleinen Runde seinen aus seiner Sicht grössten strategischen Fehler offengelegt habe: Dass er 2013 nicht in die Schweiz übergesiedelt sei. Was Benko genau damit meinte, kann der Insider nicht erklären. Vermutlich hätte der Tiroler die Schweizer Diskretion für seine Geschäfte bevorzugt. Andererseits konnte ihm nur Österreich das geben, wonach er sich am meisten sehnte: Den uneingeschränkten Zugang zur Spitzenpolitik und die grenzenlose Liebe der Medien.
Trotzdem erweiterte Benko bald seine Aktivitäten in die Schweiz. Er gründete mehrere Tochterfirmen der Signa in Zürich, holte den ehemaligen Handelschef der Migros in sein Unternehmen und kaufte dieser die Globus-Kette ab. Das Globus-Gebäude in Basel lässt Benko komplett umbauen. Derzeit wirkt die Baustelle wie eine Metapher auf Benkos Business: Hinter der prachtvollen Fassade klafft ein riesiges Loch.
Bleibt erst einmal der Erfolg aus, kann sich in Österreich die öffentliche Meinung erstaunlich schnell drehen. Das erfährt Benko nun am eigenen Leib: Investoren wenden sich gegen ihn, und die Medien, die ihn jahrelang bejubelten, publizieren heute immer mehr Details über Tricks und mutmassliche Gesetzesbrüche bei Signa. Überhaupt scheint der Name Signa toxisch geworden zu sein: Die Politik geht auf Distanz, die Grünen fordern einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu Benko.
René Benko selbst ist untergetaucht. Er spricht nicht mit Medien, sein Aufenthaltsort ist unbekannt. Genau fünf Jahre ist es nun her, dass sich die politische und wirtschaftliche Elite bei Wein und Schinken im Wiener Nobelhotel zum letzten Mal um den Immobilien-Tycoon scharte. Dann kam Corona. Und nach Corona rutschte Signa in die Krise. Benkos «Törggelen» wird wohl nie wieder stattfinden.