Die Versteigerung der Beletage des Signa-Hauptbüros in Wien bietet die einmalige Gelegenheit für einen Blick in die bizarre Welt eines Neureichen.
Veröffentlicht in: Tagesanzeiger, 21. Februar 2024
Die Hasenstatue ist etwa 20 Zentimeter hoch und vergoldet. Der Hersteller beschreibt sie als «eines unserer frechsten Designs». Denn im hervorgestreckten Hintern des Hasen ist ein Schlitz, in den man Münzen werfen kann. Man könnte die Skulptur also als «Spardose» bezeichnen. Man könnte aber auch sagen: «Das Geld ist im Arsch.»
Vielleicht hat sich René Benko über diese Doppeldeutigkeit amüsiert. Vielleicht wollte er sich aber auch nur am Glanz des Edelmetalls ergötzen. Jedenfalls konnte er vom Schreibtisch in seinem knapp einhundert Quadratmeter grossen Büro im Wiener Barockpalais Harrach nicht nur auf ein riesiges Foto des New Yorker Chrysler Building und auf einen Zigarrenhumidor blicken, sondern eben auch auf den Goldhasen.
300’000 Euro Miete pro Monat
Tempi passati. Jetzt trampelt eine Horde Journalisten durch die Beletage des Wiener Hauptquartiers der Signa Holding. Die Mutterfirma von Benkos Immobilien- und Handelsimperium ist seit vergangenen Herbst insolvent, und nun versteigert das Auktionshaus Aurena im Auftrag des Masseverwalters das Inventar. Von den insgesamt 3306 Objekten gingen bei einer ersten Versteigerung bereits 2000 weg. Nun kommen die Filetstücke unter den Hammer. Luxuriöse Luster, Teppiche, so gross wie eine kleine Wohnung, Porzellangeschirr mit Signa-Gravur, Designerstühle, Designertische.
Nicht versteigert wird hingegen das Haus selbst. Denn das ist eine der vielen Absurditäten in der Signa-Story: Benko kontrollierte in seinen besten Zeiten eines der grössten Immobilienunternehmen in Europa. Doch sein Hauptbüro war nur gemietet. Für die drei Etagen in der Wiener Innenstadt soll Signa rund 300’000 Euro gezahlt haben. Pro Monat.
An diesem Mittwoch können am Nachmittag Interessenten die Objekte begutachten, für die sie zuvor bereits online mitgesteigert haben. Die Nachfrage ist riesig, und die Höhe der Angebote «hat unsere Erwartungen übertroffen», sagt Jürgen Blematl vom Auktionshaus Aurena, der kurz vor dem öffentlichen Besichtigungstermin die Journalistengruppe durch Benkos Büro und die gesamte Beletage führt.
Benkos Schreibtisch-Drehstuhl Modell «Chancellor President» der Marke Poltrona Frau wurde mit 4000 Euro ausgerufen und liegt derzeit bei 8400 Euro netto. Für den knapp 4 Meter langen Schreibtisch des Signa-Gründers werden 21’500 Euro geboten. Zum Schreibtisch gehört ein Sideboard, dort liegen ein Taschenrechner, mehrere Signa-Notizblöcke (18 Gebote, 45 Euro) und drei Exemplare des deutschen «Manager-Magazins» mit dem Titel: «Im Rekordrausch der Milliarden». Die Ausgaben sind von 2021. Sie stehen offenbar nicht zum Verkauf. Blätterte Benko häufig in der «Liste der 500 reichsten Deutschen»? Suchte er dort seinen Namen?
Die knapp einstündige Führung durch Benkos ehemaligen Hauptsitz ist ein Eintauchen in die bizarre Welt der Neureichen, wo alles gut ist, was richtig teuer war. Imponieren hatte für Benko offensichtlich Priorität. Der Weg in sein Büro führte über den roten Teppich einer barocken Prunktreppe, vorbei an einer riesigen Spiegelwand mit Signa-Logo (32 Gebote, 320 Euro), im Licht eines 78-flammigen Designlusters, Modell «Nemo Crown Major» (12 Gebote, 1200 Euro).
In diesen Räumen hatte Benko zu seinem Südtiroler Sauf- und Fressgelage namens «Törggelen» geladen, bevor er damit in sein nahe gelegenes Luxushotel Park Hyatt übersiedelte (das nun ebenfalls zum Verkauf steht). Hier sassen auch schon der damalige Kanzler Sebastian Kurz oder der ehemalige Kanzler und Signa-Verwaltungsrat Alfred Gusenbauer im Design-Lounge-Sessel «Archibald Gran Comfort» (30 Gebote, 3400 Euro). Hier bekamen sie von Benko vermutlich teure Zigarren aus dem Mini-Humidor gereicht (46 Gebote, 2400 Euro). Vielleicht mussten sie aber zuvor ihre Mobiltelefone in die abhörsichere Holzbox neben Benkos Schreibtisch legen (30 Gebote, 450 Euro).
Jetzt werden sämtliche Spuren von Kungelei und Männerfreundschaften verwischt, denn alles muss raus. Die Objekte in den drei Etagen der Signa Holding wurden in einem Gutachten auf insgesamt 2,8 Millionen Euro geschätzt. Wie viel die bisherigen Auktionen einbrachten, will das Auktionshaus Aurena nicht verraten. Das werde nach Ende des Verkaufs der Masseverwalter mitteilen.
Die letzte Auktion findet Ende Februar statt, spätestens Mitte März «werden wir die Räume dem Vermieter übergeben», sagt Jürgen Blematl. Die Sorge, dass Objekte keine Käufer finden, hat der Mitarbeiter des Auktionshauses nicht. Selbst ein Schirmständer mit einem billigen Plastikschirm hat bereits Interessenten. Ein Kleiderbügel mit Signa-Logo samt Wandhaken wurde mit 2 Euro ausgerufen. Jetzt liegt er bei 14 Euro.
Lediglich für zwei Papierschredder gibt es noch überhaupt kein Angebot. Der Goldhase als Spardose in Benkos Büro ist hingegen offenbar besonders begehrt. Sein Rufpreis war 9 Euro, nach 39 Geboten ist sein derzeitiger Preis bei 700 Euro.