Ein in seiner Heimat von der Justiz gesuchter Kiewer Geschäftsmann kaufte sich in die Wiener Gastro-Szene ein. Zwei Jahre danach sind die meisten seiner Projekte schon wieder gescheitert.
Veröffentlicht in: Der Standard, 20. September 2024

Traditionelle japanische Küche als „perfektes Ziel für alle Feinschmecker“. Das verspricht die Website des Funky Izakaya, eines Lokals über zwei Stockwerke in der Mariahilfer Straße. Doch seit mehreren Wochen schon wird dieses Versprechen nicht mehr eingelöst. Das Restaurant mitten in der beliebten Wiener Einkaufsstraße ist geschlossen. An den Fensterscheiben kleben Zettel, auf denen die „lieben Gäste“ um Verständnis gebeten werden. Weder ein Grund wird bekanntgegeben noch ein Termin für die Wiedereröffnung.
Ebenso geschlossen war im selben Haus das Freiraum, das mit Cocktails und hausgemachten Limonaden warb. Dieses Lokal ist seit Anfang September wieder geöffnet, freilich unter einem neuen Betreiber. Nein, Ukrainer seien hier keine mehr, sagt ein Kellner. Und der Japaner nebenan werde wohl „nie wieder aufsperren“.
Offensive des Oligarchen
Dabei sollte hier geklotzt, nicht gekleckert werden. Freiraum und Funky Izakaya gehörten zur Gastro-Offensive des ukrainischen Oligarchen Dmytro Fedotenkow. Gegen den Restaurantbesitzer aus Kiew wird in seiner Heimat wegen des Vorwurfs der Kooperation mit dem russischen Feind sowie der finanziellen Aushöhlung einer großen Baufirma ermittelt (DER STANDARD berichtete). Durch den Bauskandal verloren viele Ukrainerinnen und Ukrainer ihr gesamtes Vermögen, das sie in Eigentumswohnungen investiert hatten, die niemals fertiggestellt wurden.
Fedotenkow aber hat sich der ukrainischen Justiz entzogen. Kurz vor der russischen Invasion im Februar 2022 fuhr er mit seiner Familie in die Winterferien nach Österreich und kehrte nicht mehr zurück. Er ließ sich in Wien nieder und gründete gemeinsam mit seiner Frau mehrere Firmen, mit denen er mindestens acht Restaurants und Bars in Wien übernahm. Es begann mit der Pizzeria Buffalino in Währing, dann folgten das Rubi mit israelischer Küche im selben Bezirk, das griechische Restaurant Iris auf dem Naschmarkt, die beiden Lokale an der Mariahilfer Straße, das in Maya Garden umbenannte Marina-Restaurant am Donauufer, das Nachtlokal Ziizuu an der Ringstraße, eine Beteiligung am Foodcourt Gleisgarten in Meidling sowie weitere Projekte.
Keine Kosten gescheut
Beim Umbau der Lokale wurden keine Kosten gescheut, und auf behördliche Auflagen wurde wenig Rücksicht genommen. Fedotenkow ließ alles neu möblieren, wofür er seinen Leibarchitekten aus Odessa holte. Auch das Lichtdesign stammt von einer ukrainischen Firma. Möbel und Porzellangeschirr wurden in der Ukraine eigens angefertigt und im Lkw nach Österreich gebracht. Die Öffnungszeit vieler Lokale wurde von neun bis 22 Uhr erweitert, der Personalstand vergrößert, wobei viele Kellnerinnen und Kellner nur schlecht Englisch und kein Deutsch sprachen. Das dürfte die Kundschaft in den Gaststätten des Ukrainers aber kaum gestört haben. Auch sie unterhielt sich hauptsächlich auf Russisch oder Ukrainisch. Die schwarzen SUVs vor den Lokalen hatten ukrainische Kennzeichen.
Heute, zweieinhalb Jahre nach dem Auftauchen Fedotenkows in Wien, scheint dessen österreichisches Gastro-Abenteuer so gut wie gescheitert. Neben dem Funky Izakaya ist auch das Rubi in Währing geschlossen. Dort musste eine von ukrainischen Arbeitern aufwendig, aber illegal errichtete Pergola wieder entfernt werden. In den übrigen Lokalen ist es auffällig ruhig. Beim Besuch des STANDARD an einem sonnigen Nachmittag war Fedotenkows griechisches Restaurant das einzige Lokal am Naschmarkt ohne einen einzigen Gast. Auch das Maya Garden an der Donau leidet nicht gerade unter dem Ansturm der Besucher. Aus dem Gleisgarten in Meidling ist indes mittlerweile auch das letzte Restaurant aus Fedotenkows Umfeld ausgezogen.
Nach Spanien weitergezogen
Fedotenkow selbst hatte sich schon kurz nach Erscheinen der ersten Berichte über die Ermittlungen in der Ukraine aus fast allen österreichischen Firmen zurückgezogen. Er übergab Anteile und Geschäftsführung an einen anderen in Wien lebenden Ukrainer. Dieser beantwortet die Fragen des STANDARD nicht. Auch Fedotenkow will nicht reden, wie er über einen Mittelsmann ausrichten lässt.
Wieso zieht sich der Ukrainer nach so massivem Engagement so schnell wieder aus dem Gastro-Geschäft in Wien zurück? Ehemalige Geschäftspartner, die mit dem STANDARD unter Bedingung der Anonymität sprachen, beschreiben den 44-jährigen „Dima“ (so Fedotenkows Spitzname) als charismatisch und extrem durchsetzungsstark. Aber auch als naiv: Er sei nach Wien gekommen in der Annahme, er könne so wie in der Ukraine mit Geld alles regeln. Das habe bei den hiesigen Behörden nicht funktioniert.
„Dima war es einfach nicht gewohnt, sich an Regeln zu halten, die er nicht selbst gemacht hat“, sagt ein ehemaliger Partner. Der Ukrainer sei mit seiner Familie mittlerweile nach Spanien gezogen. Nach Wien komme Fedotenkow nur mehr sporadisch.


Auf Spanien deuten auch Einträge in den sozialen Medien hin: In der Stadt Marbella an der Costa del Sol eröffnete unlängst ein Restaurant namens Maya Garden. Wie die Bilder auf Instagram zeigen, ist nicht nur der Name, sondern auch die Einrichtung beinahe identisch mit jener des Wiener Lokals am Donauufer. Für das Design zeichnet abermals Fedotenkows Leibarchitekt aus Odessa verantwortlich.
Möglicherweise hat der Ukrainer aber mit Wien noch nicht ganz abgeschlossen. Die von ihm gegründete Gastro-Firma Geho30 ist weiterhin aktiv. Sie übersiedelte aus jenem Haus an der Mariahilfer Straße, in dem sich Freiraum und Funky Izakaya befinden, in ein schäbiges Wohnhaus im zweiten Bezirk. Die Tür zu dem angeblichen Büro öffnet eine ukrainische Flüchtlingsfrau. Sie versichert überzeugend, dass in ihrer Wohnung keine Firma tätig sei. Weder den Namen Geho30 noch jenen des ukrainischen Gründers hat sie jemals gehört.