Aufmarsch der Neonazis

26. August 2013

In acht tschechischen Städten sind Rechtsextreme aufmarschiert und riefen rassistische Parolen gegen die Roma. In Ostrava geriet die Lage ausser Kontrolle.

Zum «Nationalen Kampftag» hatten tschechische Neonazis den vergangenen Samstag erklärt. In acht grösseren Städten des Landes marschierten sie auf, um gegen angebliche Kriminalität der Roma zu protestieren und «Tschechien den Tschechen» zu fordern. Insgesamt gingen laut Polizei rund 1500 Personen auf die Strasse. In der Stadt Duchcov in Nordböhmen demonstrierte die rechtsradikale Arbeiterpartei der sozialen Gerechtigkeit, die bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im Oktober kandidieren will. In den anderen Städten (unter anderem in Pilsen und Budweis) traten die im sogenannten Nationalen Widerstand organisierten Neonazis auf.

Wer einen Wasseranschluss will, muss zahlen

9. August 2013

Die ungarische Stadt Ózd öffnet die Brunnen für Roma wieder – aber nur rund die Hälfte und mit stark gedrosseltem Durchfluss. Auch die von der Schweiz finanzierten Wasserleitungen werden die Roma-Häuser nicht erreichen.

Ferenc Bíró hat ein Fax von der Katastrophenbehörde bekommen: Die Hitzewarnung bleibt bestehen, auch in den nächsten Tagen sind in Ungarn Temperaturen bis zu 40 Grad zu erwarten. «Wir werden die Brunnen also offenhalten», sagt der Chef der Wasserwerke von Ózd: «Zumindest über das Wochenende. Danach muss der Bürgermeister entscheiden, ob sie wieder gesperrt werden.» Ózd liegt im Nordosten Ungarns, nahe der slowakischen Grenze. Die Industriestadt geriet in die Schlagzeilen, weil der Gemeinderat beschloss, öffentliche Brunnen stillzulegen oder zumindest die Wasser-Durchlaufmenge radikal zu drosseln.


Roma bekommen nur wenig Wasser: Der Chef der Wasserwerke Ózd, Ferenc Bíró (Mitte), kontrolliert einen Brunnen. Foto: B. Odehnal

Die Entscheidung traf ausschliesslich die 16 Roma-Quartiere der Kleinstadt, die in Ungarn «Segregate» genannt werden. Deren Häuser haben keinen Anschluss an das Wasserleitungsnetz, die Menschen müssen sich aus Brunnen versorgen. In der Siedlung Hétes beispielsweise hatten die 400 Bewohner zwei Brunnen. Einer wurde vergangene Woche ganz stillgelegt, ein anderer gedrosselt. Und das mitten in der Hitzewelle.

Wenn der Finanzberater zweimal klingelt

1. Juli 2013

Mit neuem Namen will Swiss Life dem umstrittenen Finanzberater AWD ein besseres Image geben. An den Methoden, Kunden zu ködern, hat sich nicht viel geändert, wie ein Beratergespräch zeigt.

Der Anruf erstaunt Christina P.* doch sehr. Die Frau am anderen Ende der Leitung stellt sich als Mitarbeiterin von Swiss Life Select Österreich vor und bittet um ein persönliches Gespräch. Es gehe um «Optimierung» von Versicherungen und Vermögen. P. hat das schon einmal erlebt: ein Anruf, eine harmlos klingende Bitte um ein Gespräch, das Angebot einer todsicheren Geldanlage. Zwei Jahre danach stürzten die angeblich sicheren Aktien ins Bodenlose und P. verlor umgerechnet 8500 Franken.

Der Fettnapf-Zehnkampf

1. Juli 2013

Österreichs Minister verpassen keine Gelegenheit, sich so richtig unbeliebt zu machen.

Jetzt hat also die Justizministerin die Führung übernommen. Das ist doch überraschend, denn Beatrix Karl galt eher als Kandidatin für das Mittelfeld. Anderseits: Warum nicht Karl? Bei einem so ungewöhnlichen Wettbewerb muss man immer mit Überraschungen rechnen: In der Österreichischen Volkspartei (ÖVP), der bürgerlichen Partei in der Regierungskoalition, kämpfen die Minister drei Monate vor den Parlamentswahlen um einen ausgefallenen Titel: Wer kann seinen Ruf am schnellsten und am gründlichsten ruinieren?

Die Stunde der Unbestechlichen

20. Juni 2013

Ein ehrgeiziger Korruptionsermittler und ein kleiner Aussenposten der Staatsanwaltschaft brachten Tschechiens grössten Korruptionsskandal ins Rollen.

Als die tschechische Polizei vergangenen Mittwochabend mehrere Politiker festnahm und die Büros von Lobbyisten, Banken und des Regierungschefs durchsuchte, sah Aussenminister Karel Schwarzenberg sein Land noch am Scheideweg: Entweder die Ermittlungsbehörden seien tatsächlich so unabhängig, dass sie auch gegen die politisch Mächtigen vorgehen, so Schwarzenberg, dann seien die Ereignisse eine Stärkung der Demokratie. Oder die Razzien stellten sich als Teil eines politischen Kampfes gegen die Regierung heraus. Dann sei die Demokratie in Gefahr.

Schrott auf Schienen

17. Juni 2013

Der niederländisch-belgische Superzug Fyra wird zum Millionendebakel.

Eine «neue Art des Reisens» sollte es sein. Und irgendwie war es das auch. Nur ganz anders, als es die Werbung für den Superzug Fyra im Sinn hatte. Wer jemals in den zweifelhaften Genuss einer Fahrt im Hochgeschwindigkeitszug zwischen Amsterdam und Brüssel kam, wusste wenig Gutes zu berichten. Punkto Komfort hätte dem niederländisch-belgischen Prestigeprojekt auch die Frauenfeld–Wil–Bahn das Wasser reichen können. WLAN? Fehlanzeige. Steckdosen im Waggon? Nicht vorhanden. Platz für Gepäck? Ebenso wenig. Wer am Flughafenbahnhof Schiphol mit Koffern zustieg, hatte Pech.


Fyra: Mit Hochgeschwindigkeit aufs Abstellgleis. Foto: B. Odehnal

Das «politische Gulasch» lag ihm zu schwer im Magen

17. Juni 2013

Tschechiens Premier Petr Nečas hat nach einem Korruptionsskandal seinen Rücktritt erklärt

Mehrmals schon stand seine Regierung vor dem Scheitern. Mehrmals konnte sie Petr Nečas (48) in letzter Sekunde retten. Mit Tricks und Geld. Diesmal gelang dem tschechischen Regierungschef das Kunststück nicht: Gestern am späten Abend hat der konservative Politiker seinen Rücktritt erklärt.

Am Freitag versuchte Nečas noch, sich mit einer wütenden Rede im Parlament zu verteidigen: Die Medien würden aus «mehreren Geschichten ein politisches Gulasch machen». Tags darauf liess er seine engsten Vertrauten fallen, um den eigenen Kopf zu retten. Er entschuldigte sich bei Personen, die vom militärischen Geheimdienst beschattet wurden, und distanzierte sich von seiner Büroleiterin Jana Nagyová: Sie könne nicht mehr mit der Rückkehr ins Amt rechnen. Davon kann ohnehin keine Rede sein: Nagyová sitzt derzeit in Untersuchungshaft.<--break->

Kämpfer an der Wasserfront

12. Juni 2013

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban inszeniert sich in der Flut als Verteidiger der Nation.

Noch ist die Gefahr nicht gebannt. Der Pegel der Donau sinkt nur langsam in Ungarn. Noch immer steht das Wasser bis knapp unter den Rand der Dämme: in Esztergom, im Donauknie und südlich der Hauptstadt. In Budapest stehen die Quais auf beiden Flussseiten weiterhin unter Wasser. Die Donau schwappte zwar nicht über die Sandsackbarrieren, kam aber durch die übervollen Abwasserkanäle an die Oberfläche und flutete Strassen und Plätze. Dennoch stellt der Krisenstab der ungarischen Regierung fest, dass die schwerste Zeit wohl überstanden sei. Das Atomkraftwerk Paks war nicht bedroht, auch die Dämme der hochgiftigen Rotschlammbecken nordwestlich von Budapest haben gehalten.


Land unter: Die Donau flutete die Quais von Budapest. Foto: B. Odehnal

Die Schule voller Geigen

7. Juni 2013

El Sistema hat Hunderttausende von Kindern aus lateinamerikanischen Slums zur klassischen Musik geführt. Jetzt kommt das Projekt unter dem Namen Superar in die Schweiz.

Kurz können Marco und Paolo die Stille geniessen. Dann wird das Musikzimmer gestürmt. 40 Kinder, sechs und sieben Jahre alt, drängen durch die Tür, quatschen, schreien, lachen. Es sieht nach Chaos aus, bis Marco am Klavier einen Rumbarhythmus anschlägt und Paolo ein lateinamerikanisches Kinderlied singt: «Un poquito cantas, un poquito bailas». Sofort sind die Kinder bei der Sache, stellen sich in Reihen auf und stimmen ein: «Un poquito lelola, lelola . . .».


Paolo Vignoli vor den Kindern der Primarschule Sennhof. Foto: B. Odehnal

«Viktor Orbán ist ein grosser Zyniker»

27. Mai 2013

Der Publizist Paul Lendvai gibt der ungarischen Regierung eine Mitschuld am wachsenden Antisemitismus und Nationalismus im Land. Ministerpräsident Viktor Orbán brauche neue Sündenböcke.

Mit Paul Lendvai sprach Bernhard Odehnal in Wien

Müssen Juden in Ungarn heute Angst haben?

Angst vielleicht nicht, aber ein Unbehagen ist schon zu spüren. Es gab ja auch einige Vorfälle: Fussballfans, die im Chor «dreckige Juden» brüllen – ein Rabbi wurde auf offener Strasse niedergeschlagen. Und dann gibt es noch die Beschimpfungen von Juden, über die nicht berichtet wird.


Paul Lendvai. Foto (Copyright): Heribert Corn

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