September 2012

Ein tiefer Bückling kann nie schaden

28. September 2012

In Österreich möchte ein Habsburger die Adelstitel wieder einführen.

Ulrich Habsburg will wieder adelig sein. Und das im Namen zeigen. Der Nachkomme des letzten Kaisers und ehemaliger Grün-Politiker in Kärnten findet, dass Österreich seine Adeligen schlecht behandelt, weil es ihnen das Tragen des «von» oder «zu» im Namen ebenso verbietet wie die Anrede «Graf» oder «Fürst». Das Verbot stammt aus dem Jahr 1919: Niemals wieder wollte die junge Republik eine Herrschaft der Blaublütigen zulassen. Deshalb verbot sie auch die Kandidatur der Habsburger für die höchsten Ämter im Staat.

Mit dem Schraubenschlüssel in die Politik

27. September 2012

Österreichs Protestwähler bekommen eine neue Heimat: Der Milliardär Frank Stronach präsentiert heute seine Partei.

Von Bernhard Odehnal, Wien

Die Agglomeration im Süden Wiens ist nicht gerade für ihre Schönheit bekannt. Lagerhallen und Lärmschutzwände entlang sechsspuriger Autobahnen. Neben Ruinen alter Textilfabriken entstehen neue Fertighäuser, Baumärkte und Kreisel. Hinter dem Kreisel der Gemeinde Oberwaltersdorf aber liegt eine andere Welt, mit Villen im Südstaatenstil, künstlichem Teich und Golfplatz. Lautlos gleiten Elektrowägelchen über die Wege. Kein Autolärm, kein Kindergeschrei stört die Idylle.

Im Dienste des finsteren Fürsten

25. September 2012

Wie ich mithalf, die Demokratie in Österreich zu zerstören.

Von Bernhard Odehnal

Es ist Zeit für eine Entschuldigung. Österreichs Demokratie durchlebt gerade dunkle Stunden. Das Vertrauen der Österreicher in die Parteien ist zerstört, der Parlamentarismus nachhaltig beschädigt. Die Axt führt aber nicht ein primitiver Rechtspopulist, sondern ein Vertreter der Regierungspartei SPÖ, ein redegewandter Intellektueller mit einem Faible für französische Kultur. Er heisst Josef Cap - und dass er heute an der Spitze der sozialdemokratischen Fraktion im Wiener Parlament sitzt und von dort aus sein Werk der Zerstörung vollziehen kann, daran bin ich nicht ganz unschuldig. Ich hatte es damals gut gemeint. Heute kann ich mich nur mehr entschuldigen.

Bye bye, Betonspange

21. September 2012

Ein zentrales Bauwerk für die Ski-WM 2013 missfällt dem ÖSV-Präsidenten - und muss weg.

Die Werbemaschine läuft bereits, der Ticketvorverkauf beginnt in diesen Tagen. Alles scheint bereit für die Ski-Weltmeisterschaft im steirischen Schladming, im Februar 2013. Alles - ausser einer Kleinigkeit, die aber leider mehrere Tonnen schwer und aus massivem Beton ist. Deren Entfernung sorgt nun für ordentliche Verstimmung unter Organisatoren und Einheimischen.

Orban arbeitet an seiner Wiederwahl

22. September 2012

Ungarns Regierungspartei will die Wahlkreise neu ziehen und die Wähler neu registrieren. Die Opposition sieht darin eine Verletzung der Verfassung.

Bernhard Odehnal, Budapest

Für die Abgeordneten der ungarischen Regierungspartei Fidesz wird ihr jüngster Gesetzesentwurf «das Tor der Demokratie ganz weit öffnen». Die Opposition hingegen wittert einen neuerlichen Anschlag auf die Demokratie und einen Versuch von Regierungschef Viktor Orban, sich die absolute Macht im Staat bei den nächsten Wahlen 2014 zu sichern - und zwar auch mit deutlich weniger Wählerstimmen als bei den Wahlen 2010. Es geht um das Wahlrecht und die Wahlorganisation: Fidesz hat diese Woche dazu ein ganzes Bündel an Gesetzesentwürfen im Parlament eingebracht und wird sie demnächst beschliessen.

Ungarn hofft im Streit mit Armenien auf Schweizer Hilfe

18. September 2012

Budapest hat einen Mörder aus Aserbeidschan freigelassen und damit Armenien brüskiert. Jetzt soll die Schweiz vermitteln.

Von Bernhard Odehnal und Luciano Ferrari

«Das ist nicht unser Konflikt», erklärte Ungarns Regierungschef Viktor Orban unlängst in einem Radiogespräch: «Wir sollten uns da raushalten.» Zu spät. Ungarn ist bereits mittendrin im kriegerischen Konflikt zwischen den beiden Kaukasusstaaten Aserbeidschan und Armenien. Und es sieht nicht so aus, als könnten sich die Ungarn schnell wieder aus dieser misslichen Lage befreien. Die armenische Regierung hat die diplomatischen Beziehungen abgebrochen, in vielen Ländern fanden Kundgebungen armenischer Exilgemeinden vor ungarischen Botschaften statt.

Alle gegen die Aufdeckerin

15. September 2012

In Österreich verteidigt die Grüne Gabriela Moser den Korruptionsausschuss im Parlament. Die anderen Parteien fordern ihren Kopf.

Von Bernhard Odehnal, Wien

Man könnte meinen, die Zukunft des Parlamentarismus in Österreich hänge derzeit alleine an einer Frau. Besser gesagt: an ihrem Rücktritt. «Sie kann es nicht», «sie muss weg» - darin sind sich die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP ausnahmsweise mit den rechtspopulistischen Oppositionsparteien FPÖ und BZÖ einig. Mit «sie» ist Gabriela Moser gemeint, Abgeordnete und Verkehrssprecherin der Grünen, seit Januar 2012 Vorsitzende jenes parlamentarischen Ausschusses, der die grossen Korruptionsfälle der vergangenen zehn Jahre untersuchen soll.

Mut sieht anders aus

14. September 2012

Missbrauch: Das Kloster Fischingen lässt die Vorwürfe untersuchen.

 
Von Bernhard Odehnal

Das Thurgauer Kloster Fischingen will Licht ins Dunkel bringen. Vor knapp drei Monaten berichtete der TA zum ersten Mal über die Vorwürfe des ehemaligen Zöglings Walter Nowak, er sei im Kinderheim in den 60er- und Anfang der 70er-Jahre von einem Pater geschlagen und sexuell missbraucht worden. Jetzt will der Trägerverein des Klosters, der Verein St. Iddazell, die Vorwürfe von einer unabhängigen Stelle untersuchen lassen. Das klingt nach einem mutigen Schritt.

Orban brüskiert den Währungsfonds

11. September 2012

Ungarns Premier hat Bedingungen für einen IWF-Kredit abgelehnt. Der Versuch, in Aserbeidschan einen potenten Partner zu gewinnen, endete aber bereits in einem Desaster.

Von Bernhard Odehnal, Wien

Viktor Orban zeigte wieder einmal gutes Gespür für die richtige Inszenierung. Mit aufgerollten Hemdsärmeln, ernstem Blick und Sorgenfalten auf der Stirn stellte er sich vergangene Woche vor eine wackelige Handkamera und teilte den Zusehern mit, dass Ungarn niemals die neuen Bedingungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) akzeptieren könne. Die Absage des ungarischen Regierungschefs erschien exklusiv auf seiner Facebook-Seite und liess Freunde und Gegner etwas ratlos zurück.

Koller entdeckt das österreichische Sieger-Gen

11. September 2012

Österreich fühlt sich stark genug, um heute Erzrivale Deutschland zu schlagen.

Bernhard Odehnal, Wien

Österreichs Captain Christian Fuchs hat ein «sehr gutes Gefühl», Mittelfeldspieler Veli Kavlak tippt auf einen 2:1-Sieg, und der ehemalige Nationalspieler Hans Krankl glaubt sogar an einen 3:2-Erfolg. Das Selbstbewusstsein der Österreicher vor dem WM-Qualifikationsspiel gegen Deutschland heute Abend in Wien (20.30 Uhr) kennt kaum Grenzen. Bestätigt werden sie durch deutsche Medien, die sich über die «Angst vor den Ösis» (so die «Bild») wundern und der österreichischen Mannschaft «echte Typen» zugestehen.

Ungarische Roma gründen Schutztruppe gegen Rechtsextreme

7. September 2012

In der südungarischen Stadt Pécs hat ein Vertreter der Roma-Minderheit die Gründung einer eigenen Schutztruppe bekannt gegeben. Ferenc Bagó will 400 Mitglieder für seine Gruppe rekrutiert haben und sie auf bis zu 8000 Mann aufstocken. Aufgabe der Truppe soll der Schutz von Roma, Juden und anderen Minderheiten vor Übergriffen der rechtsextremen Ungarischen Garde sein - so lange, bis die Polizei eingreift. Bagó nennt sich auch «Hauptmann Daflics», hat eine Glatze und die Figur eines Bodybuilders. Er lässt sich in schwarzem T-Shirt und fingerlosen Lederhandschuhen fotografieren, auf einem Bild ist er mit Schwert zu sehen. Er betont jedoch den friedfertigen Charakter seiner Truppe. Den von ungarischen Medien verwendeten Ausdruck «Roma-Garde» lehnt er auf seiner Facebook-Seite ab: «Wir sind eine Friedenstruppe. Wir Ungarn sitzen alle in einem Boot. Zigeuner und Nichtzigeuner!»

Ringier gibt «Népszabadság» auf

5. September 2012

Um die Fusionspläne mit Axel Springer nicht zu gefährden, verkauft der Schweizer Medienkonzern Ungarns letzte unabhängige Tageszeitung.

Von Bernhard Odehnal, Wien

Der Schweizer Medienkonzern Ringier möchte sein Engagement in Ungarn reduzieren und die Tageszeitung «Népszabadság» verkaufen. Was bisher nur als Gerücht durch ungarische Redaktionsräume geisterte, wurde vergangene Woche durch den Minderheitseigentümer der Zeitung bestätigt. Die Stiftung für freie Presse, die von der Sozialistischen Partei Ungarns gegründet wurde und ihr weiterhin nahesteht, hält derzeit 27,7 Prozent an der Aktiengesellschaft, Ringier hat 70,8 Prozent, der Rest gehört den Redaktoren. In einem Interview bestätigte der Stiftungsvorsitzende Laszlo Kranitz, dass Ringier seine Anteile verkaufen wolle. Die Stiftung habe ein Vorkaufsrecht und ein «korrektes Kaufangebot» präsentiert. Ringiergibt zu seinen Geschäftsbeziehungen keinen Kommentar ab. Ungarn ist das letzte Land im Osten Europas, in dem der Schweizer Medienkonzern noch keine Partnerschaft mit dem deutschen Axel-Springer-Konzern eingegangen ist. Die ungarische Medienbehörde will diese Fusion aber nur genehmigen, wenn sichRingier von «Népszabadság» trennt.

Juden werden wieder auf der Strasse beschimpft

4. September 2012

In Österreich und Ungarn häufen sich antisemitische Attacken. Staat und Gesellschaft reagieren beiderorts gleichgültig.

Von Bernhard Odehnal, Wien

Es geschah am helllichten Tag auf einem der belebtesten Plätze Wiens. EinRabbiner der jüdischen Gemeinde war auf dem Weg zur Synagoge, als er hinter sich die lautstarke Aufforderung «Scheiss-Juden, haut ab!» hörte. Als sich der Mann umdrehte, stand da vor ihm ein Fussballfan, streckte seine rechte Hand zum Hitlergruss aus und brüllte: «Hau ab, du Scheiss-Jude. Juden raus! Heil Hitler!» Der Vorfall wurde nicht nur von Passanten, sondern auch von der Polizei beobachtet.