Ärger mit der Straßenbahn

24. Juni 2012

Von Elisalex Henckel, WELT am Sonntag


Die alte Wiener Straßenbahn sieht freundlich aus mit ihrem roten Bauch und dem weißen Rücken. Früher freute ich mich immer, wenn sie kam. Vielleicht weil sie mich, vor dem Führerschein, dorthin gebracht hatte, wo es aufregend war: in Kinos, Einkaufsstraßen oder Bars. Mit dem Bus war es immer nur in die Schule oder wieder nach Hause gegangen.

Vor anderthalb Jahren wurde aus dieser Zuneigung Hass. Wenn Sie glauben, ich übertreibe, haben Sie noch nie versucht, einen Kinderwagen in das Ding zu bekommen. Es ist anders als beim Wickeln: selbst mit anderthalb Jahren Übung jedes Mal eine Katastrophe. Ich fand aber schnell eine neue Liebe. Sie heißt ULF, das steht für Ultra Low Floor, "Niedrigstflur", und hat nur eine Einstiegshöhe von 18 Zentimetern. Die tollste Straßenbahn der Welt, dachte ich. Bis mich ein Kollege aufklärte.

Der Kollege ist Pufferküsser (so nennt er jedenfalls andere Menschen, die Eisenbahnen so gern mögen wie er selbst) und sagte mir, der ULF sei schuld daran, dass die alten Bahnen noch fahren müssten. Weil er nicht nur sehr teuer, sondern auch anfällig für technische Gebrechen sei. Dass der ULF zu viel Zeit in der Werkstatt verbringt, hat zuletzt sogar der Rechnungshof bemängelt. Ich meide seither alle Straßenbahnen.

Der Kollege sagt aber auch, dass es etwas viel Schlimmeres gibt als den ULF, und zwar den Railjet. Das ist der schnelle Fernreisezug, der etwa von Wien nach München fährt, das andere schicke, (nicht mehr ganz) neue Ding im österreichischen Massenverkehr. Eine Fehlkonstruktion, findet er. Langsam wie die Eisenbahn, unbequem wie ein Jet. Er fragt sich, was Siemens-Leute gegen Österreicher hätten, dass sie ihnen immer die schlechtesten Produkte verkauften.

Ich muss zugeben, dass ich meine seltenen Fahrten im Railjet erster Klasse verbracht habe, weil ich Ruhe wollte, entweder für mein Baby oder zum Arbeiten. Die sei sehr schön gewesen, werfe ich also ein, aber den Kollegen erinnert das bloß an ein weiteres Manko, nämlich das Kinderabteil. Und daran, dass man aus der meist leer stehenden "Business Class" ein Abteil für Fahrräder machen sollte. Die kann man nämlich bisher überhaupt nicht mitnehmen.

Ich überlege, was mir noch bleibt im öffentlichen Verkehr, und lande beim Fliegen, aber nur kurz, denn seit vergangener Woche gibt es am Wiener Flughafen ein neues Terminal, das schon vor seiner Eröffnung zum Synonym für Fehlplanung wurde, und das sagt diesmal mein Lieblingstaxifahrer und auch sonst fast jeder in Wien.

Ich steige also in die U-Bahn, nehme mir vor, nicht auf das Wackeln zu achten, durch die Nase zu atmen oder gar irgendwann mit Verkehrsinsidern über sie zu sprechen, sondern mich einfach nur daran zu freuen, wie schnell ich wieder draußen bin.