Tschechien

Rote Karten für Zeman

22. November 2014

Tschechiens Präsident Milos Zeman hat ein Faible für Schnaps und derbe Schimpfworte und eine Vorliebe für die Regimes in Russland und China. Dass ihn seine Landsleute dafür mit Eiern bewerfen, lässt ihn kalt.

«Ich habe keine Angst vor euch.» Wenn sich ein Staatschef im eigenen Land mit solchen Worten an das Publikum wendet, hat er wohl ein Problem. Tschechiens Präsident Milos Zeman wusste schon, was ihm blüht, als er zum Jahrestag der Samtenen Revolution im Prager Zentrum zum Mikrofon griff: Vor ihm standen Tausende junge Menschen, die mit grossen roten Karten winkten, pfiffen und schrien. Auch auf die folgenden Eierwürfe war Zemans Begleitung vorbereitet, schnell wurden Schirme aufgespannt, um den Präsidenten zu schützen. Pech für Zemans Ehrengast Joachim Gauck: Der deutsche Präsident bekam mehr von der Wut der Zuhörer ab als sein Gastgeber. Dabei war Gauck ganz ­sicher nicht gemeint.

Tschechiens Berlusconi drängt an die Macht

22. Oktober 2013

Der reiche Medienbesitzer Andrej Babiš will bei den Wahlen die Politik aufrollen. Seine Schulbildung und das Kapital für seine ersten Firmen kommen aus der Schweiz.

Die blau-weissen Plakate sind überall. Mit markanten Sprüchen wie: «Wir wollen nicht von Dummköpfen regiert werden.» Dazu ein Logo, das man auch als Parole verstehen kann: «Ja, es wird besser.» Am Freitag und Samstag wählen die Tschechen ihr Parlament, und das Finale des Wahlkampfs wird zumindest optisch von einer Partei geprägt: «Ano» ist die Abkürzung für «Aktion beunruhigter Bürger», heisst auf Tschechisch aber auch einfach «Ja». Den Nachsatz «Es wird besser» hat die Partei in ihren Namen aufgenommen. Quasi als Versprechen an die Wähler.

Aufmarsch der Neonazis

26. August 2013

In acht tschechischen Städten sind Rechtsextreme aufmarschiert und riefen rassistische Parolen gegen die Roma. In Ostrava geriet die Lage ausser Kontrolle.

Zum «Nationalen Kampftag» hatten tschechische Neonazis den vergangenen Samstag erklärt. In acht grösseren Städten des Landes marschierten sie auf, um gegen angebliche Kriminalität der Roma zu protestieren und «Tschechien den Tschechen» zu fordern. Insgesamt gingen laut Polizei rund 1500 Personen auf die Strasse. In der Stadt Duchcov in Nordböhmen demonstrierte die rechtsradikale Arbeiterpartei der sozialen Gerechtigkeit, die bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im Oktober kandidieren will. In den anderen Städten (unter anderem in Pilsen und Budweis) traten die im sogenannten Nationalen Widerstand organisierten Neonazis auf.

Die Stunde der Unbestechlichen

20. Juni 2013

Ein ehrgeiziger Korruptionsermittler und ein kleiner Aussenposten der Staatsanwaltschaft brachten Tschechiens grössten Korruptionsskandal ins Rollen.

Als die tschechische Polizei vergangenen Mittwochabend mehrere Politiker festnahm und die Büros von Lobbyisten, Banken und des Regierungschefs durchsuchte, sah Aussenminister Karel Schwarzenberg sein Land noch am Scheideweg: Entweder die Ermittlungsbehörden seien tatsächlich so unabhängig, dass sie auch gegen die politisch Mächtigen vorgehen, so Schwarzenberg, dann seien die Ereignisse eine Stärkung der Demokratie. Oder die Razzien stellten sich als Teil eines politischen Kampfes gegen die Regierung heraus. Dann sei die Demokratie in Gefahr.

Das «politische Gulasch» lag ihm zu schwer im Magen

17. Juni 2013

Tschechiens Premier Petr Nečas hat nach einem Korruptionsskandal seinen Rücktritt erklärt

Mehrmals schon stand seine Regierung vor dem Scheitern. Mehrmals konnte sie Petr Nečas (48) in letzter Sekunde retten. Mit Tricks und Geld. Diesmal gelang dem tschechischen Regierungschef das Kunststück nicht: Gestern am späten Abend hat der konservative Politiker seinen Rücktritt erklärt.

Am Freitag versuchte Nečas noch, sich mit einer wütenden Rede im Parlament zu verteidigen: Die Medien würden aus «mehreren Geschichten ein politisches Gulasch machen». Tags darauf liess er seine engsten Vertrauten fallen, um den eigenen Kopf zu retten. Er entschuldigte sich bei Personen, die vom militärischen Geheimdienst beschattet wurden, und distanzierte sich von seiner Büroleiterin Jana Nagyová: Sie könne nicht mehr mit der Rückkehr ins Amt rechnen. Davon kann ohnehin keine Rede sein: Nagyová sitzt derzeit in Untersuchungshaft.<--break->

Ein Präsident für die «unteren zehn Millionen»

28. Januar 2013

Tschechiens neues Staatsoberhaupt, Miloš Zeman, polterte gleich in der Wahlnacht gegen Reiche und Journalisten und mischte sich in die Innenpolitik ein.

Gleich nach seinem Sieg erklärte sich Miloš Zeman zum Vertreter der Entrechteten und Benachteiligten: Er wolle ein Präsident für die «unteren zehn Millionen Bürger» sein, erklärte das neue Staatsoberhaupt Tschechiens, einem Land mit 10,5 Millionen Einwohnern. Den oberen Fünfhunderttausend sagte der ehemalige Sozialdemokrat den Kampf an: Er werde kein Präsident von Mafiapaten sein, «die an unserer Gesellschaft parasitieren und das Blut aus ihrem Körper saugen».

Vom hoffnungslosen Fall zum Mann der Stunde

25. Januar 2013

Ausländischer Staatsbürger, Adliger, Intellektueller: Karel Schwarzenberg hat viele Eigenschaften, die den Tschechen suspekt sind. Dennoch könnte er jetzt zum Staatspräsidenten gewählt werden.

Wie kann man nur so falsch singen? Und so laut noch dazu. Mit tiefem Bass brummte Karel Schwarzenberg in der Siegesfeier nach der ersten Runde der Präsidentenwahlen die tschechische Hymne. Nur traf er dabei keinen einzigen Ton richtig, und der schöne Text von der Suche nach dem Vaterland schmolz unter seinem Schnauzbart zu unergründbarem Nuscheln.

Wegen Schweizer Staatsbürgerschaft angegriffen

22. Januar 2013

Tschechiens Präsident Vaclav Klaus wirft dem Präsidentschaftskandidaten Karel Schwarzenberg vor, er habe zu viel im Ausland gelebt.

Gar nicht lange hielt sein Versprechen, sich nicht in den Wahlkampf einzumischen. Kaum traten die beiden Kandidaten für die zweite Runde der tschechischen Präsidentenwahlen in den Ring, mischte sich auch der amtierende Präsident Vaclav Klaus wieder ein - mit besonders heftiger Kritik am Kandidaten der Liberalen und Bürgerlichen, Karel Schwarzenberg. Präsident sollte nur jemand werden, so Klaus, der zu Tschechien gehöre, der Teil dieses Landes sei und «sein Leben hier verbracht hat».

Ein Schweizer in der Stichwahl

14. Januar 2013

In Tschechien schnitt Aussenminister Schwarzenberg im ersten Wahlgang überraschend gut ab. Er tritt in zwei Wochen gegen Ex-Premier Zeman an.

Dieses Ergebnis hat kein Meinungsforschungsinstitut vorausgesehen: Am Freitag und Samstag wählten die Tschechen erstmals ihr Staatsoberhaupt direkt: Sie schickten nicht den Bürokraten Jan Fischer in die zweite Runde, sondern Aussenminister Karel Schwarzenberg. Der Fürst mit tschechischem und Schweizer Pass erhielt mit 23,4 Prozent der Stimmen knapp weniger als der ehemalige sozialdemokratische Regierungschef Milos Zeman. Der 75-jährige Schwarzenberg war der älteste Kandidat, bekam aber die meisten Stimmen von jungen Wählern. Sie schätzen an ihm eine für tschechische Politiker ungewöhnliche Offenheit und dass er nicht in Korruptionsaffären verwickelt ist. Seine Partei Top 09 ist zwar in der umstrittenen Koalitionsregierung des bürgerlichen Petr Necas, überstand aber alle Skandale.

Das Monster und der Punk

10. Januar 2013

Zum ersten Mal wählen die Tschechen ihren Präsidenten direkt. Der Wahlkampf aber wird überschattet von den Eskapaden des scheidenden Staatsoberhaupts Klaus.

Vaclav Klaus ist noch bis 7. März im Amt. Aber schon jetzt werden die Fotos des tschechischen Präsidenten aus Schulen und Amtsgebäuden entfernt. Die Initiative ging von der mährischen Stadt Zlin aus, inzwischen haben sich andere Gemeinden angeschlossen. Sie protestieren damit gegen eine der letzten Amtshandlungen des scheidenden Präsidenten: Klaus hatte zu Neujahr eine Amnestie für 7000 Gefangene erlassen. Darunter sind viele Wirtschaftskriminelle, die in den 90er-Jahren die schwachen Kontrollmechanismen der neoliberalen Wirtschaftspolitik ausnutzten und Anleger und Investoren um viele Millionen Kronen betrogen. Damals war Klaus Finanzminister und später Ministerpräsident. Nach der Amnestie hält sich in Tschechien hartnäckig das Gerücht, er werde von einem oder mehreren dieser Grossbetrüger erpresst.

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