Juni 2013

Die Stunde der Unbestechlichen

20. Juni 2013

Ein ehrgeiziger Korruptionsermittler und ein kleiner Aussenposten der Staatsanwaltschaft brachten Tschechiens grössten Korruptionsskandal ins Rollen.

Als die tschechische Polizei vergangenen Mittwochabend mehrere Politiker festnahm und die Büros von Lobbyisten, Banken und des Regierungschefs durchsuchte, sah Aussenminister Karel Schwarzenberg sein Land noch am Scheideweg: Entweder die Ermittlungsbehörden seien tatsächlich so unabhängig, dass sie auch gegen die politisch Mächtigen vorgehen, so Schwarzenberg, dann seien die Ereignisse eine Stärkung der Demokratie. Oder die Razzien stellten sich als Teil eines politischen Kampfes gegen die Regierung heraus. Dann sei die Demokratie in Gefahr.

Das «politische Gulasch» lag ihm zu schwer im Magen

17. Juni 2013

Tschechiens Premier Petr Nečas hat nach einem Korruptionsskandal seinen Rücktritt erklärt

Mehrmals schon stand seine Regierung vor dem Scheitern. Mehrmals konnte sie Petr Nečas (48) in letzter Sekunde retten. Mit Tricks und Geld. Diesmal gelang dem tschechischen Regierungschef das Kunststück nicht: Gestern am späten Abend hat der konservative Politiker seinen Rücktritt erklärt.

Am Freitag versuchte Nečas noch, sich mit einer wütenden Rede im Parlament zu verteidigen: Die Medien würden aus «mehreren Geschichten ein politisches Gulasch machen». Tags darauf liess er seine engsten Vertrauten fallen, um den eigenen Kopf zu retten. Er entschuldigte sich bei Personen, die vom militärischen Geheimdienst beschattet wurden, und distanzierte sich von seiner Büroleiterin Jana Nagyová: Sie könne nicht mehr mit der Rückkehr ins Amt rechnen. Davon kann ohnehin keine Rede sein: Nagyová sitzt derzeit in Untersuchungshaft.<--break->

Schrott auf Schienen

17. Juni 2013

Der niederländisch-belgische Superzug Fyra wird zum Millionendebakel.

Eine «neue Art des Reisens» sollte es sein. Und irgendwie war es das auch. Nur ganz anders, als es die Werbung für den Superzug Fyra im Sinn hatte. Wer jemals in den zweifelhaften Genuss einer Fahrt im Hochgeschwindigkeitszug zwischen Amsterdam und Brüssel kam, wusste wenig Gutes zu berichten. Punkto Komfort hätte dem niederländisch-belgischen Prestigeprojekt auch die Frauenfeld–Wil–Bahn das Wasser reichen können. WLAN? Fehlanzeige. Steckdosen im Waggon? Nicht vorhanden. Platz für Gepäck? Ebenso wenig. Wer am Flughafenbahnhof Schiphol mit Koffern zustieg, hatte Pech.


Fyra: Mit Hochgeschwindigkeit aufs Abstellgleis. Foto: B. Odehnal

Kämpfer an der Wasserfront

12. Juni 2013

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban inszeniert sich in der Flut als Verteidiger der Nation.

Noch ist die Gefahr nicht gebannt. Der Pegel der Donau sinkt nur langsam in Ungarn. Noch immer steht das Wasser bis knapp unter den Rand der Dämme: in Esztergom, im Donauknie und südlich der Hauptstadt. In Budapest stehen die Quais auf beiden Flussseiten weiterhin unter Wasser. Die Donau schwappte zwar nicht über die Sandsackbarrieren, kam aber durch die übervollen Abwasserkanäle an die Oberfläche und flutete Strassen und Plätze. Dennoch stellt der Krisenstab der ungarischen Regierung fest, dass die schwerste Zeit wohl überstanden sei. Das Atomkraftwerk Paks war nicht bedroht, auch die Dämme der hochgiftigen Rotschlammbecken nordwestlich von Budapest haben gehalten.


Land unter: Die Donau flutete die Quais von Budapest. Foto: B. Odehnal

Die Schule voller Geigen

7. Juni 2013

El Sistema hat Hunderttausende von Kindern aus lateinamerikanischen Slums zur klassischen Musik geführt. Jetzt kommt das Projekt unter dem Namen Superar in die Schweiz.

Kurz können Marco und Paolo die Stille geniessen. Dann wird das Musikzimmer gestürmt. 40 Kinder, sechs und sieben Jahre alt, drängen durch die Tür, quatschen, schreien, lachen. Es sieht nach Chaos aus, bis Marco am Klavier einen Rumbarhythmus anschlägt und Paolo ein lateinamerikanisches Kinderlied singt: «Un poquito cantas, un poquito bailas». Sofort sind die Kinder bei der Sache, stellen sich in Reihen auf und stimmen ein: «Un poquito lelola, lelola . . .».


Paolo Vignoli vor den Kindern der Primarschule Sennhof. Foto: B. Odehnal