Mai 2015

Billett in den Jihad

27. Mai 2015

In Österreich wurde ein 14-Jähriger verurteilt. Er hatte den Wiener Westbahnhof sprengen wollen. 

Es war ein kurzer Prozess. Nach drei Stunden sprachen die Richter Mertkan G. schuldig: Er habe ein Sprengstoff­attentat auf einen Bahnhof geplant und sich dem Islamischen Staat anschliessen wollen. Der 14-Jährige wurde zu zwei Jahren Haft verurteilt, acht Monate davon unbedingt. Fünf Monate sass der Verurteilte schon in Untersuchungshaft. 

Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig: Die Staatsanwaltschaft bat um drei Tage Bedenkzeit, da sie die Strafe als zu gering betrachtet. Der Angeklagte zeige weder Reue noch Schuldbewusstsein. Verteidiger Rudolf Mayer präsentierte seinen Mandanten hingegen als Opfer: des Westens, dessen Nahostpolitik erst die al-Qaida und den Islamischen Staat gross werden liessen, und der österreichischen Politik, die Jugendliche wie Mertkan auf der Strasse stehen lasse.

Fegefeuer der Eitelkeiten

22. Mai 2015

Begeisterung ist Bürgerpflicht, Ironie verpönt, und Conchita Wurst tönt aus der Kanalisation. Wien im Zeichen des Eurovision Song Contest: Momentaufnahmen einer Stadt im Ausnahmezustand. 

Residenz der Schweizerischen Botschaft. 

«Na, das ist doch nett», seufzt der grauhaarige Diplomat, als der Applaus für die junge Künstlerin verebbt. Ob das ernst oder ironisch gemeint war, ist bei einem Publikum schwer herauszufinden, das sich berufsbedingt stets hinter distanzierter Höflichkeit versteckt. Es ist ein lauer Abend, der Schweizer Botschafter hat zum Empfang geladen. Ehrengäste im frisch renovierten Seitentrakt des barocken Palais Schwarzenberg sind Mélanie René und ihr Team für den Song Contest. Begleitet von einem sensiblen Pianisten, singt die 24-jährige Genferin zwei sehr langsame Jazzstandards und danach von ihrem Weg aus der Dunkelheit, «Time to Shine».

Im Osten das Alte

5. Mai 2015

Staats- und Regierungschefs im Osten der EU werden Europamüde und entdecken ihre seltsame Liebe zum russischen Regime.

Eine so grosse Anerkennung hat Tschechiens Präsident zu Hause noch nie bekommen. Milos Zeman sei mutig und ehrlich, lobte ihn Sergei Naryschkin, Präsident des russischen Parlaments. Der enge Vertraute Wladimir Putins schränkte zwar ein, dass Zeman mit seinen speziellen Ansichten zu Gegenwart und Geschichte viel Kritik ernte. Das aber , sagte er, sei doch nur ein Beweis für sein Verantwortungsbewusstsein: Zeman schütze eben die Wahrheit.

So hohes Lob aus dem Kreml muss jetzt noch verdient werden: Als einziger Präsident eines EU-Staates wird Zeman am 8. und 9. Mai zu den Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag des Siegs der UdSSR über Nazideutschland nach Moskau reisen.

Ungarns Regierungschef rüttelt an Europas Grundwerten

1. Mai 2015

Mit einer Bemerkung zur Einführung der Todesstrafe und einer manipulativen Befragung zur Flüchtlingspolitik ärgert Viktor Orban die EU. Brüssel reagiert mit einer Kampfansage, die Wirkung zeigt.  

Ein Überfall am helllichten Tag: In der südungarischen Kreisstadt Kaposvar raubte am 23. April ein junger Mann einen Tabakladen aus, stach dabei die 21-jährige Verkäuferin nieder und verletzte sie so schwer, dass sie kurz danach starb. Der Täter konnte mit 22 000 Forint (76 Franken) fliehen, wurde aber kurz danach von der Polizei gefasst. Der brutale Mord erschütterte das Land, kam aber nicht ganz überraschend.