Wien

Fegefeuer der Eitelkeiten

22. Mai 2015

Begeisterung ist Bürgerpflicht, Ironie verpönt, und Conchita Wurst tönt aus der Kanalisation. Wien im Zeichen des Eurovision Song Contest: Momentaufnahmen einer Stadt im Ausnahmezustand. 

Residenz der Schweizerischen Botschaft. 

«Na, das ist doch nett», seufzt der grauhaarige Diplomat, als der Applaus für die junge Künstlerin verebbt. Ob das ernst oder ironisch gemeint war, ist bei einem Publikum schwer herauszufinden, das sich berufsbedingt stets hinter distanzierter Höflichkeit versteckt. Es ist ein lauer Abend, der Schweizer Botschafter hat zum Empfang geladen. Ehrengäste im frisch renovierten Seitentrakt des barocken Palais Schwarzenberg sind Mélanie René und ihr Team für den Song Contest. Begleitet von einem sensiblen Pianisten, singt die 24-jährige Genferin zwei sehr langsame Jazzstandards und danach von ihrem Weg aus der Dunkelheit, «Time to Shine».

Die Wiener SPÖ trickst den Partner aus

2. April 2015

Um ein faires Wahlrecht zu verhindern, werben die Sozialdemokraten einen grünen Abgeordneten ab.

Glücklich sah er nicht aus. Mit hängenden Schultern und trübem Blick sass Senol Akkilic auf seinem neuen Stuhl im Gemeinderat, dem Wiener Stadtparlament. Rund um ihn grinsten und feixten seine neuen Kollegen von der Sozial­demokratischen Partei. Wie eine Trophäe führten sie den 49-jährigen gebürtigen Kurden vor, der sich in seiner Haut so sichtbar unwohl fühlte. 

Dabei ist Akkilic nur ein paar Meter weitergerückt. Von einem Sitz der Grünen zu einem Sitz der Roten. Doch der Wechsel hat es in sich. Dass sich eine Partei Abgeordnete einer anderen Partei kauft, kannten die Österreicher bisher nur vom Team Stronach: Parteigründer Frank Stronach schuf sich eine Parlamentsfraktion ganz ohne Wahlen, indem er Hinterbänkler der ehemaligen Haider-Partei BZÖ zum Überlaufen überredete. Mittlerweile sind diese Abgeordneten samt ihrem Team wieder in der Bedeutungslosigkeit versunken.

Bike-Business

19. Oktober 2014

  
Firmensitz der Clarence Investments in Cheyenne. Foto: Google Streetview

Luxemburger Treuhänder, eine geheimnisvolle US-Firma und Gernot Rumpold: Wiener Fahrradständer locken merkwürdige Geschäftemacher an.

Pebrican Avenue 1605, Cheyenne, Bundesstaat Wyoming: Wie der Sitz eines international tätigen Investmentunternehmens sieht das Holzhäuschen mit Veranda nicht aus, eher wie das Domizil einer Kleinfamilie. Lange Zeit stand es zum Verkauf und ist deshalb noch auf den Internetseiten amerikanischer Immobilienmakler zu sehen. Dass an dieser Adresse ein Unternehmen gemeldet ist, dem im 8500 Kilometer entfernten Wien über 1000 Fahrradständer im öffentlichem Raum gehören – darüber sagen die Maklerseiten nichts.

Bürgerkrieg auf der Busspur

26. August 2013

Wien hat eine neue Fussgängerzone - und ist darob völlig aus dem Häuschen.

Man könnte meinen, die Apokalypse drohe. Als würde das ach so schöne, gemütliche Wien von einem grünen Monster zertrampelt werden. Verletzte und Tote werden prophezeit, Chaos auf den Strassen und Ökodiktatur im Rathaus. «Wehret den Anfängen», tönt es, als stünde ein neuer Faschismus vor der Tür. So viel Aufregung in einem trägen Sommermonat hat es schon lange nicht gegeben.

Das letzte Gefecht des roten Wiens

30. April 2013

Der Mai-Aufmarsch der Wiener Sozialdemokraten ist ein lebendes Museum der Arbeiterbewegung.

«Und nun sehen wir vor unserer Tribüne die Delegation aus dem Bezirk Simmering. Sie haben den weiten Weg auf sich genommen, um hier die Errungenschaften des roten Wien zu feiern und soziale Gerechtigkeit zu fordern. Wir begrüssen die Simmeringer Genossen mit einem herzlichen: ‹Freundschaft!›» So ähnlich wird es morgen wieder aus den Lautsprechern vor dem Wiener Rathaus und auf der Ringstrasse klingen. Wiens Sozialdemokraten feiern den Tag der Arbeit so, wie sie es seit 123 Jahren tun: mit einem Sternmarsch, der die SPÖOrganisationen aller 23 Stadtbezirke auf die Ringstrasse und vor die Prominententribüne beim Wiener Rathaus führt.

Der Massenmörder im Schlosspark

28. Januar 2013

Das letzte Stalin-Denkmal Europas findet sich in Wien, weil der Diktator einmal hier wohnte.

Zugegeben: Ein Blickfang ist das Denkmal an der gelben Hauswand eines kleinen Hotels nicht. Autos und Busse rasen auf zwei Fahrspuren daran vorbei Richtung Wiener Stadtzentrum. Und Fussgänger sind in der grauen Strasse selten, wo die umstrittene Marmortafel hängt. Ein Kopf mit markantem Schnauzbart prangt da über der Inschrift: «In diesem Haus wohnte im Jänner 1913 J. W. Stalin. Hier schrieb er das bedeutende Werk ‹Marxismus und die nationale Frage›.» Mitten in Wien und nahe des Barockschlosses Schönbrunn, das jedes Jahr Hunderttausende Touristen anzieht, steht das letzte Stalin-Denkmal Europas ausserhalb der ehemaligen Sowjetunion.


Foto: B. Odehnal

Russen brauchen keine Quote

22. Januar 2013

Österreich wird von neureichen Russen besetzt - und aufgekauft.

Wo kommen nur die vielen Russen her? In der Wiener Kärntnerstrasse: «Oj, kak harascho!», in der Salzburger Getreidegasse: «Schto pakupajem?» , beim Skilift in Kitzbühel: «Bystro, bystro, pojechali!» Sie sind überall. Tausende und Abertausende. In den Fussgängerzonen, in Kaffeehäusern, Kaufhäusern, auf den Skipisten. Wo kommen die bloss her?

Gut, allein in Moskau sollen ja fast zehn Millionen Russen leben.

Subscribe to RSS - Wien