Die Wiener SPÖ trickst den Partner aus

2. April 2015

Um ein faires Wahlrecht zu verhindern, werben die Sozialdemokraten einen grünen Abgeordneten ab.

Glücklich sah er nicht aus. Mit hängenden Schultern und trübem Blick sass Senol Akkilic auf seinem neuen Stuhl im Gemeinderat, dem Wiener Stadtparlament. Rund um ihn grinsten und feixten seine neuen Kollegen von der Sozial­demokratischen Partei. Wie eine Trophäe führten sie den 49-jährigen gebürtigen Kurden vor, der sich in seiner Haut so sichtbar unwohl fühlte. 

Dabei ist Akkilic nur ein paar Meter weitergerückt. Von einem Sitz der Grünen zu einem Sitz der Roten. Doch der Wechsel hat es in sich. Dass sich eine Partei Abgeordnete einer anderen Partei kauft, kannten die Österreicher bisher nur vom Team Stronach: Parteigründer Frank Stronach schuf sich eine Parlamentsfraktion ganz ohne Wahlen, indem er Hinterbänkler der ehemaligen Haider-Partei BZÖ zum Überlaufen überredete. Mittlerweile sind diese Abgeordneten samt ihrem Team wieder in der Bedeutungslosigkeit versunken.

Von Regierungsparteien kannte man solche Methoden bisher nicht. Und schon gar nicht, dass sie Abgeordnete des eigenen Koalitionspartners abwerben. Obwohl die Grünen vom Überlaufen ihres für Minderheitenfragen zuständigen Abgeordneten überrascht wurden, wollen sie die Koalition mit der SPÖ in der Hauptstadt nicht beenden. Im Herbst wählen die Wiener ohnehin, und die Grünen würden gerne als Juniorpartner der Roten weiterregieren. Auch wenn das nach dem Eklat nicht mehr ganz so wahrscheinlich scheint und nun selbst bei der als besonders links geltenden Wiener Landespartei Stimmen laut werden, die Zusammenarbeit mit der SPÖ sofort zu beenden.

Aufmüpfige Grüne

Im Bundesparlament sind die Grünen noch immer Opposition, auf Länder­ebene zogen sie jedoch in sechs von neun Regierungen ein, meistens als Juniorpartner eines ÖVP-Landeshauptmanns. Die Zusammenarbeit funktioniert trotz politischer Differenzen bei der Bildungs-, der Verkehrs- und der Ausländerpolitik recht gut. Die Regierungsvariante Rot-Grün gibt es hingegen nur in Wien, seit 2010. Der mächtige Wiener Bürgermeister Michael Häupl verlor damals die absolute Mehrheit für die SPÖ und machte die als unberechenbar geltenden Grünen zum Juniorpartner gegen den Widerstand vieler Genossen, die lieber mit der anspruchslosen und pflegeleichten ÖVP koaliert hätten. Dass die Grünen dann tatsächlich daran gingen, ihr Wahlprogramm umzusetzen, verstörte die Roten noch mehr.

Die Folge waren Gehässigkeiten, Projektblockaden und schliesslich offene Feindseligkeiten zwischen den Koali­tionspartnern. Vor allem die im Koali­tionsabkommen festgelegte Reform des Wahlrechts war Häupls SPÖ ein Dorn im Auge. Das Wiener Wahlrecht bevorzugt derzeit die Partei mit den meisten Stimmen. So bekam die SPÖ 2010 mit 44 Prozent der Stimmen 49 von insgesamt 100 Sitzen im Stadtparlament. Verhandlungen über ein gerechteres Wahlrecht wurden von der SPÖ so lange verschleppt, bis den Grünen der Gedulds­faden riss und sie die Änderung mit der Opposition beschliessen wollten. 

Dies hat die SPÖ nun vereitelt. Mit der Abwerbung des grünen Abgeordneten hat die SPÖ 50 Stimmen und kann die Wahlrechtsänderung verhindern. Zur Belohnung für seinen Parteiwechsel bekam der traurige Senol Akkilic von der SPÖ ein Mandat für die nächsten fünf Jahre versprochen. Bei den Grünen hätte er nur mehr auf unwählbarer Stelle kandieren können. Die oppositionellen Freiheitlichen warfen dem Überläufer vor, er habe sich wie Judas für 30 Silberlinge verkauft.