Bike-Business

19. Oktober 2014

  
Firmensitz der Clarence Investments in Cheyenne. Foto: Google Streetview

Luxemburger Treuhänder, eine geheimnisvolle US-Firma und Gernot Rumpold: Wiener Fahrradständer locken merkwürdige Geschäftemacher an.

Pebrican Avenue 1605, Cheyenne, Bundesstaat Wyoming: Wie der Sitz eines international tätigen Investmentunternehmens sieht das Holzhäuschen mit Veranda nicht aus, eher wie das Domizil einer Kleinfamilie. Lange Zeit stand es zum Verkauf und ist deshalb noch auf den Internetseiten amerikanischer Immobilienmakler zu sehen. Dass an dieser Adresse ein Unternehmen gemeldet ist, dem im 8500 Kilometer entfernten Wien über 1000 Fahrradständer im öffentlichem Raum gehören – darüber sagen die Maklerseiten nichts.

In der Pebrican Avenue ist Clarence Investments registriert, über die ausser ihrem Namen nur bekannt ist, dass sie eine Luxemburger Holding namens S.I.F International besitzt. Dieser S.I.F gehören 85 Prozent der niederösterreichischen Firma Ebis GmbH, die in Wien Fahrradständer aufstellt. Die Gemeinde Wien fördert die Aufstellung zwar mit 131 Euro pro Bügel, doch die Anlagen bleiben Eigentum von Ebis.

Das System wird vor allem von den 23 Bezirksvorstehungen Wiens geschätzt. Der steigende Fahrradverkehr erfordert neue Abstellanlagen, deren Errichtung die Bezirksbudgets belasten würden. Doch die Förderung von rund 600.000 Euro in den vergangenen fünf Jahren kommt aus dem Ressort von Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou. Errichtung und Wartung der Ständer zahlt Ebis. Im Gegenzug vermietet das Unternehmen die Blechtafeln an jeder Abstellanlage als Werbeflächen. Produziert werden die Radständer in der Nähe von Wiener Neustadt, zum Teil in Behindertenwerkstätten. „So helfen wir Menschen, die große Probleme haben“, sagt Ebis-Geschäftsführer Alfred Forthuber. Unlängst wurden Forthuber und seine Firma von Umweltminister Andrä Rupprechter als „klimaaktive Partner“ ausgezeichnet.

Warum braucht ein Unternehmen, das in Wien Förderung bekommt und aus- schließlich Fahrradständer in Österreich baut, Eigentümer in Luxemburg und den Great Plains? Geschäftsführer Forthuber ist bei dieser Frage wenig auskunftsfreudig. Er spricht von „Investoren“ in einer „gemischten Gruppe“, die nicht genannt werden wollten. In Österreich vertritt der Jurist und Wirtschaftsmediator Michael Heger die Luxemburger Firma S.I.F. Er ist auch bei Ebis tätig. Die Anfrage von profil beantwortete er nicht.

Als Direktor von S.I.F. zeichnet der Schweizer Christian Bühlmann. Er leitet in Luxemburg die Treuhandfirma Trustconsult, die auf Gründung und Verwaltung von Finanzunternehmen und Investmentfonds spezialisiert ist. In einem Werbevideo beschreibt Bühlmann seine Kunden als „im Allgemeinen sehr vermögend“. Die Anfrage von Profil beantwortet er ebenfalls nicht. Bei S.I.F. ist Trustconsult als Revisionsstelle registriert. Bühlmann prüft sich also selbst. Ein anderer Manager von Trustconsult trat bei der Gründungsversammlung als Vertreter von Clarence Investment auf und kaufte sämtliche Aktien der S.I.F. im Wert von 200.000 Euro. Praktischerweise zahlte er in bar. Offenbar gehört auch die Investmentfirma in Cheyenne zum Netzwerk der Luxemburger Treuhänder.

Wyoming gilt neben Delaware in den USA als Steuerparadies. Unternehmen werden hier mit deutlich mehr Diskretion als in der Schweiz oder Luxemburg behandelt. Geprüft wird fast nichts, Unternehmensbesteuerung gibt es nicht. An Adressen wie jener in der Pebrican Avenue sind manchmal über 100 Firmen gemeldet. In der Regel sind das Gesellschaften mit beträchtlichen Umsätzen – jedenfalls keine Produzenten von Fahrradständern.

Als Tarnung für dubiose Geschäfte dienten Wiener Fahrradständer dem FPÖ-Werber Gernot Rumpold. Im Sommer 2013 stand die Vorgängerfirma von Ebis, die TCI Produktions- und Vertriebs GmbH, kurz im Mittelpunkt des „Telekom III“-Verfahrens. Rumpold sowie Manager der Telekom Austria wurden beschuldigt, mittels Scheinrechnungen der FPÖ 600.000 Euro zugeschanzt zu haben. Rumpold stellte die Rechnungen für angebliche Werbekonzepte für seine Partnerfirma TCI aus. Solche Konzepte, die Fahrradständer der TCI als Werbeflächen zu vermieten, existierten damals jedoch schon. Ein Gerichtsgutachter beschrieb Rumpolds Papiere als „Blindgänger“. Rumpold wurde zu drei Jahren unbedingter Haft verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Dass Rumpold heute etwas mit Ebis zu tun habe, könne er „zu tausend Prozent“ ausschließen, sagt Alfred Forthuber.


Radständer der Firma Ebis mit Werbung der Mobilitätsagentur. Foto: B. Odehnal

Dabei stand am Anfang tatsächlich der Wunsch, Fahrräder ordentlich abstellen zu können. Gängige Abstellanlagen fanden in den Augen der Radfahrer keine Gnade. Einige verbogen die Felgen, andere boten zu wenig Halt. In Mürzzuschlag bastelte der umtriebige Erfinder Hermann Stangl deshalb an einer Lösung. Sein Modell „Padera“ wurde von der Radlobby Argus zum „besten Fahrradständer, den wir je ausprobiert haben“, gekürt. TCI übernahm in Wien die Stellplätze des in Konkurs gegangenen Verleihs Viennabike und entwickelte das Konzept „Park Your Bike“ (Payobi) – was Rumpold später der Telekom als brandneu verkaufte. Die Werbewirtschaft zeigte Interesse, der Produzent von Viagra warb auf den Abstellanlagen mit dem Slogan „Diesen Ständer widmet Ihnen Pfizer“. Die Gemeinde Wien ließ den Spruch schnell wieder entfernen.

Während Stangl in der Werkstätte an seinen Produkten tüftelte, drängte sein Co-Geschäftsführer Gerhard Hauer auf den internationalen Markt. Aufträge aus Bern und Hamburg standen im Raum. 2010 lud TCI zu einer Schifffahrt auf dem Zürichsee, um Investoren die Elektromobilität schmackhaft zu machen. Neben dem österreichischen Vertreter der geheimnisvollen Firma S.I.F. seien damals auffallend viele Russen dabei gewesen, erinnert sich Stangl. Damals tauchte das Gerücht auf, hinter S.I.F. stecke der im Kanton Zug beheimatete Rohstoffkonzern Glencore. Beweise gibt es dafür nicht.

Die S.I.F. wurde 2007 gegründet, offenbar allein zu dem Zweck, Anteile an österreichischen Firmen zu erwerben. Das tat sie zuerst bei IKU, einer Wiener Firma, die selbstreinigende Fenster herstellte. Der geheimnisvolle Investor war zwar hoch willkommen. Aber: „Es hat mich damals auch interessiert, wer dahinter steht. Ich habe aber keine Auskünfte erhalten“, erinnert sich Firmenchefin Monika Thurnher. Zwei Jahre später musste die Fensterfirma Konkurs anmelden.

Die Luxemburger zogen weiter und kauften sich bei TCI ein. Die hatte zwar hochtrabende Pläne, war aber wirtschaftlich schon angeschlagen. „Die Werbung funktionierte nicht so, wie wir uns das vorstellten“, sagt Hermann Stangl. „Dann stieg S.I.F. ein, und auf einmal gab es Geldflüsse, die nicht nachvollziehbar waren. Wer wirklich hinter der Firma steckt, weiß ich bis heute nicht.“ Als TCI in Konkurs ging, blieb Stangl mit Schulden von 800.000 Euro über. Das Kapital der Firma, hunderte Fahrradständer in Wien, war auf die neue Firma Ebis übertragen worden. Und Ebis ging zu 85 Prozent an die Luxemburger S.I.F..

Im Sommer 2013 sollte der ehemalige TCI-Geschäftsführer Hauer als Zeuge im Prozess gegen Rumpold über das Scheinkonzept für die Telekom Austria aussagen. Allerdings konnte nur mehr das Protokoll seiner polizeilichen Vernehmung verlesen werden. Hauer war im Jahr zuvor gestorben.

Rechtfertigt das Geschäft mit Fahrradständern eine komplizierte Unternehmenskonstruktion, bei der ausländische Treuhänder und Rechtsanwälte zu bezahlten sind? Firmenchef Forthuber sagt, dass Ebis heute Gewinn mache. Es gebe „ein schönes Portfolio“ mit vielen Werbekunden.

Wer in Wien mit dem Rad unterwegs ist, sieht aber sofort, dass an vielen Fahrradständer die für Werbung vorgesehenen Blechtafeln fehlen. Auf anderen klebt noch immer ein Foto des ehemaligen roten Verkehrsstadtrats Rudi Schicker, der seit vier Jahren nicht mehr im Amt ist. Die aktuelle Werbung kommt in den meisten Fällen von der Mobilitätsagentur der Gemeinde Wien: „Setzt Freude in Gang“. Ein gutes Geschäft kann das für Ebis kaum sein. Für sämtliche Werbeflächen zahlte die Mobilitätsagentur im vergangenen Jahr lediglich 24.000 Euro.

Seit ein paar Wochen hat Ebis ein neues Geschäftsfeld. Im Auftrag der Gemeinde Wien produziert und errichtet die Firma jetzt Abstellanlagen für Scooter im öffentlichen Raum. Auch sie bleiben Eigentum von Ebis und damit jenes Unternehmenskonstrukts, das zu einem schäbigen Einfamilienhaus in Cheyenne, Wyoming, führt.

Auch die Rollerständer werden von der Gemeinde Wien gefördert, mit 43 Euro pro Abstellplatz. Der Sprecher der Wiener Verkehrsstadträtin Vassilakou sagt, dass die Grundsatzentscheidung, Fahrradabstellanlagen im öffentlichen Raum durch Privatunternehmen errichten zu lassen, schon vor mehr als zehn Jahren gefallen sei: „Gefördert werden nicht Firmen, sondern Abstellplätze.“ Und die Radbügel der Firma Ebis erfüllten die Förderbedingungen.