Im Osten das Alte

5. Mai 2015

Staats- und Regierungschefs im Osten der EU werden Europamüde und entdecken ihre seltsame Liebe zum russischen Regime.

Eine so grosse Anerkennung hat Tschechiens Präsident zu Hause noch nie bekommen. Milos Zeman sei mutig und ehrlich, lobte ihn Sergei Naryschkin, Präsident des russischen Parlaments. Der enge Vertraute Wladimir Putins schränkte zwar ein, dass Zeman mit seinen speziellen Ansichten zu Gegenwart und Geschichte viel Kritik ernte. Das aber , sagte er, sei doch nur ein Beweis für sein Verantwortungsbewusstsein: Zeman schütze eben die Wahrheit.

So hohes Lob aus dem Kreml muss jetzt noch verdient werden: Als einziger Präsident eines EU-Staates wird Zeman am 8. und 9. Mai zu den Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag des Siegs der UdSSR über Nazideutschland nach Moskau reisen.

Seine Teilnahme an der grossen Militärparade hat Zeman allerdings in letzter Minute abgesagt. Stattdessen wird er zur selben Zeit in der tschechischen Botschaft in Moskau den slowakischen Regierungschef Robert Fico treffen, der den stillen Protest westlicher Politiker gegen die Annexion der Krim und militärische Intervention in der Ostukraine ebenfalls boykottiert.

Zeman verteidigte auch die geplante Fahrt der russischen Bikertruppe Nachtwölfe von Moskau durch die Slowakei, Tschechien und Österreich nach Berlin (TA von Montag).

Wird der Osten der EU europamüde? Wendet er sich 25 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wieder dem jetzt kleineren Bruder zu, bittet um Sicherheit und billiges Öl? Ungarns Regierungschef Viktor Orban  hat sich für diesen Weg entschieden. Er empfing Putin, als dieser in Europas Hauptstädten – ausser in Wien – schon nicht mehr erwünschter Gast war. Er schloss mit den Russen Energieverträge ab, die Ungarn auf Jahrzehnte hinaus abhängig machen. Er lobte öffentlich den autoritären, «illiberalen» Führungsstil des russischen Präsidenten. Auch Milos Zeman zeigt nicht zum ersten Mal seine Sympathie für Putins Regime, ebenso wie in der Slowakei Ficos sozialdemokratische Regierungspartei Smer.

In allen drei Ländern kritisierten die Regierungen die EU-Sanktionen gegen Russland (trugen sie aber zuletzt doch mit). Auch das Verhältnis zu den USA leidet: In Ungarn wurde der geschäftsführende US-Botschafter so lange geärgert, bis er frustriert das Land verliess. In Tschechien darf der US-Botschafter die Prager Burg, den Amtssitz des Staatspräsidenten, nicht mehr betreten.

Dennoch bleiben Osteuropas Russophile in den eigenen Ländern isoliert. Orbans Lob für Putin provozierte Protestkundgebungen der Opposition und stiess selbst in der eigenen Partei auf Befremden. Hatte die Karriere des Regierungschefs 1989 nicht mit mutiger Kritik an den sowjetischen Besatzern begonnen? Blendete er die brutale Niederschlagung der Revolution 1956, für die sich Russland niemals entschuldigte, völlig aus? Selbst der Oligarch und ehemalige Studienkollege Orbans, Lajos Simicska, versteht die neue Ostpolitik nicht. Er habe nicht die angenehmsten Erinnerungen an die Sowjets in Ungarn und sehe keinen Unterschied zum Benehmen der politischen Klasse Russlands heute, begründete Simicska seinen Bruch mit Viktor Orban.

Das Volk ist dagegen

In Tschechien sagte Präsident Zeman seine Teilnahme an der Militärparade in Moskau erst auf Druck der Regierung ab. Sie drohte, dem Präsidenten die Reisegenehmigung zu entziehen. Die Zivilgesellschaft protestiert mit Humor: In einem offenen Brief bieten tschechische Künstler den Russen Milos Zeman als Geschenk an: «Wir sind eine kleine Nation und haben nichts Wertvolleres als unseren Präsidenten.»

Auch in der Slowakei unterzeichneten 75 bekannte Wissenschafter und Künstler einen offenen Protestbrief gegen Putins Biker. Staatspräsident Andrej Kiska nannte die Fahrt der Nachtwölfe die Demonstration von Arroganz und Macht einer paramilitärischen Truppe.

Zwar kann Putin mit Geld und Geschäften noch einzelne Politiker und Parteien aus osteuropäischen Ländern gewinnen. Die Bevölkerung und auch die Mehrheit der politischen Entscheidungsträger in den ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten sieht ihre Zukunft aber weiterhin in der Europäischen Union.

Wie Russland Freunde behandelt, erfuhren slowakische Journalisten bei einer Pressekonferenz der russischen Botschaft zur Fahrt der Nachtwölfe. Fragen mussten schriftlich eingereicht werden, die Antworten las der Pressesprecher vom Blatt. Ein Gruss wie aus Sowjetzeiten.