Gefährlicher als Dracula

14. Januar 2013

Eine rumänische Sportlerin wird als lesbisch geoutet. Das Land ist entsetzt.

Nein, bei der Handball-Weltmeisterschaft in Spanien ist Rumänien nicht dabei. Die grosse Zeit des rumänischen Handballs liegt schon etwas länger zurück. Dennoch ist der Sport seit einigen Tagen ein Thema, das die ganze Nation beschäftigt. Nicht wegen herausragender Leistungen einer Sportlerin. Sondern wegen ihrer sexuellen Orientierung. Alina Dobrin, langjährige und sehr bekannte Spielerin in der Nationalmannschaft, ist verheiratet und hat ein siebenjähriges Kind. Sie soll daneben aber seit Jahren eine Beziehung zu einer Teamkollegin haben.

Die Affäre flog auf, weil Dobrins Mann, ein ehemaliger Boxer, die Scheidung einreichte und nun vor Gericht das alleinige Sorgerecht für den Sohn erkämpfen will. Mit der Begründung: Eine Lesbe könne ein Kind nicht normal aufziehen.

Nun könnte man meinen, im Europa des 21. Jahrhunderts würde sich doch langsam die Erkenntnis durchsetzen, dass Homosexualität keine Krankheit oder Perversion ist und Menschen mit homosexuellen Neigungen durchaus fähig sind, Kinder grosszuziehen, ohne ihnen nachhaltigen Schaden zuzufügen. Rumänien ist aber anders. Näher an Serbien und Russland als an Europa.

Dobrins Outing im Scheidungsprozess wurde von den Medien zum Skandal aufgeblasen. Zeitungen und Onlineportale titelten mit «Schock!», «Brandsatz im Damenhandball» oder schlicht «Lesbenskandal». Die 36-jährige Sportlerin wurde als Bedrohung der Gesellschaft dargestellt. Anwälte fordern eine Untersuchung des siebenjährigen Sohnes, ob der vielleicht schon Schaden genommen habe. Ein Psychologe erörterte in einer Zeitung, warum Homosexualität die sportliche Leistung mindere.

Die tiefe Abneigung gegen Homosexualität eint in Rumänien fast alle Lager. Von den ultraorthodoxen Linken zur rumänisch-orthodoxen Kirche, von Rechtsextremen zu Christdemokraten: Schwule und Lesben gelten als krank und gefährlich. Im Kommunismus war das Thema tabu: Offiziell gab es so etwas wie Homosexualität gar nicht. Die diskriminierenden Gesetze wurden erst 2003 auf Druck der EU abgeschafft, gesprochen wurde aber immer noch nicht darüber.

Es gibt zwar Homosexuellen-Gruppen, die einmal im Jahr eine Gay-Pride-Parade in Bukarest organisieren. Mehr als 300 Menschen nehmen daran nicht teil. Zwar werden sie nicht überfallen und niedergeschlagen wie in Belgrad, doch die Reaktion der Zuseher lässt keinen Zweifel: Manche spucken in die Demonstration, manche knien und beten Rosenkränze. Schwule und Lesben sind für viele Rumänen genauso ein Mythos wie Dracula. Nur viel gefährlicher.So übel dem ehemaligen Handballstar Dobrin nun im Gerichtssaal und in den Medien mitgespielt wird: Vielleicht kann ihr Fall helfen, das verkrampfte Verhältnis der Rumänen zur gleichgeschlechtlichen Liebe etwas zu lockern. Auch wenn Dobrins Mann eine Schlammschlacht angezettelt hat, so bekommt die Handballerin doch viel Unterstützung. Ehemalige und aktive Kolleginnen ihres Clubs und des Nationalteams erschienen im Gericht, um ihre Solidarität zu zeigen. Die gesamte Galerie sei auf Dobrins Seite gewesen, kommentierten Zeitungen mit Erstaunen. Die Onlinezeitung Prosport.ro brachte eine Liste mit europäischen Handballerinnen in lesbischen Beziehungen. Dazu gehört auch der dänische Star Anja Andersen, die 2011 als Trainerin des rumänischen Clubs Oltchim Valchea engagiert wurde. Es sei damals starker Druck auf sie ausgeübt worden, das Thema Homosexualität nicht anzusprechen, sagt Andersen der rumänischen Zeitung: Ihr sei sehr schnell klar geworden, wie rückständig Rumänien in diesem Bereich sei. Geholfen hat ihr das Schweigen allerdings nicht. Andersen wurde nach nur einem Monat wieder entlassen, offiziell wegen der schlechten sportlichen Leistung des Vereins. Ihr Nachfolger, der ehemalige Nationaltrainer Radu Voinu, will «von solchen Sachen noch nie gehört» haben.