Aufruf zum Massenmord

9. Januar 2013

Der ungarische Publizist Zsolt Bayer betrachtet die Roma als Tiere und will sie sofort vernichten.

Eben erst musste Ungarns Regierung erklären, warum sie spät und zaudernd auf Antisemitismus im Parlament reagierte. Jetzt muss sie einen neuen Fall von Rassismus behandeln. Dieses Mal nicht seitens der rechtsradikalen Partei Jobbik, sondern in den eigenen Reihen. Der Publizist Zsolt Bayer, Gründungsmitglied der Regierungspartei Fidesz und persönlicher Freund von Regierungschef Viktor Orban, rief in seiner Kolumne in der Zeitung «Magyar Hirlap» dazu auf, die Roma zu vernichten.

Wörtlich schreibt Bayer, dass ein Grossteil der Roma nicht geeignet sei, unter Menschen zu leben. «Diese Zigeuner sind Tiere und benehmen sich wie Tiere ... Aus ihren Tierschädeln brechen höchstens unartikulierte Laute hervor, und das Einzige, was sie von dieser elenden Welt verstehen, ist Gewalt.» (Übersetzung ins Deutsche durch den Blogger Pusztaranger.) Nachdem er den Roma jegliche menschliche Eigenschaften abgesprochen hat, tut sich Bayer leicht, ihre Vernichtung zu fordern: Man müsse Vergeltung üben, «sie sollen nicht existieren, die Tiere. Nirgendwo. Das muss man lösen – aber sofort und mit allen Mitteln!»

«Beispiel von Zigeunerterror»

Bayer bezieht seinen Ruf nach Rache auf einen Vorfall in einer Budapester Bar in der Neujahrsnacht. Ein junger Sportler wurde von zwei Männern niedergestochen und schwebt in Lebensgefahr. Ein mutmasslicher Täter war Rom. Jobbik nahm die Attacke zum Anlass für eine Hetze gegen die Volksgruppe. Jobbik bezeichnet die Attacke als «typisches Beispiel des Zigeunerterrors», für kommenden Samstag rufen die Rechtsextremen zu einer Demonstration unter dem Motto «Wer beschützt die Ungarn?» auf. Ein Jobbik-Sprecher kündigte an, man werde sich zur Wehr setzen.

Fidesz hat sich bisher nicht an der Hetze gegen die Roma beteiligt. Während der EU-Präsidentschaft stellte die Regierung Orban ein Programm zur Roma-Integration vor. Seine Regierung werde allen ungarischen Roma die Botschaft «ihr seid Teil unserer Nation» vermitteln, sagte damals Staatssekretär Zoltan Balog zum TA.

Zsolt Bayer ist nicht Mitglied der ungarischen Regierung und hat offiziell keine führende Funktion bei Fidesz. Aber er hat als Gründungsmitglied der Partei Einfluss und zeigt sich bei offiziellen Anlässen gern an Orbans Seite. Dass Bayer seit Jahren regelmässig antisemitische Hasstiraden schreibt, störte Orban und seine Parteifreunde offenbar nicht.

So bedauerte Bayer etwa, dass in der Zwischenkriegszeit nicht alle Linken und Liberalen massakriert worden seien. Dennoch durfte er 2012 in Budapest zwei grosse «Friedensmärsche» zur Unterstützung Orbans organisieren und vor mehreren Hunderttausend FideszAnhängern reden.

Auf Bayers Aufforderung zum Massenmord an den Roma hat Orban nicht reagiert. Nur sein Stellvertreter, Justizminister Tibor Navracsics, erklärte, dass für Bayers Worte kein Platz bei Fidesz sei. Von einem Parteiausschluss sprach der Minister allerdings nicht. Linke Oppositionsparteien und Bürgerrechtsgruppen haben gegen Bayer Strafanzeigen wegen Verhetzung eingereicht.