Ausgereist trotz Mordverdacht

11. Oktober 2013

Die rechte Hand des iranischen Parlamentspräsidenten soll in Wien drei Kurden ermordet haben. Diese Woche nahm er in Genf an einer Konferenz teil und reiste unbehelligt wieder aus.

Die Konferenz in Genf war gut besucht und hatte für die Gäste aus dem Iran offenbar grosse Bedeutung: Zur Tagung der Interparlamentarischen Union vom 7. bis 9. Oktober reiste sogar der iranische Parlamentspräsident Ali Larijani an. Nach Genf brachte Larijani seinen langjährigen Bürochef Mohammed Jafari Sahraroodi mit. Sahraroodi soll 1989 anlässlich von Geheimverhandlungen mit drei Kurdenführern in Wien an deren Ermordung direkt am Verhandlungstisch beteiligt gewesen sein. Obwohl Sahraroodi verwundet und seine zwei mutmasslichen Mittäter verhaftet werden konnten, durften alle drei in den Iran zurückreisen. Seither wird Sahraroodi wegen des mutmasslichen Dreifachmordes international gesucht. Dennoch konnte er unbehelligt in die Schweiz ein- und wieder ausreisen.


Mohammed Jafari Sahraroodi (Bildmitte) in Genf. Foto: www.icana.ir

Nun erhebt der österreichische Parlamentsabgeordnete Peter Pilz von den Grünen schwere Vorwürfe an die Adresse der österreichischen und schweizerischen Politik. «Die Schweizer Behörden haben sich beim österreichischen Innenministerium erkundigt, ob ein aufrechter Haftbefehl gegen Jafari Sahraroodi vorliege. Das Wiener Innenministerium hat bestätigt, dass es diesen Haftbefehl wegen Mordverdachts gibt», sagt Pilz. Dennoch sei nichts passiert, und der Gesuchte sei mit seiner Delegation bereits wieder weitergereist.

Es sei nicht das erste Mal, dass der Haftbefehl der Justiz aus vermutlich politischen Gründen nicht vollstreckt werde. Bereits 2011 hat Sahraroodi an einer IPUZusammenkunft in Bern teilgenommen. Für die Gemeinschaft der Exil-Kurden ein Affront. Dass ein mutmasslicher Mörder innert zweier Jahre zweimal unbehelligt in die Schweiz habe reisen können, sei schon «sehr merkwürdig», sagt Hiwa Bahrami, österreichischer Vertreter der Demokratischen Partei IranischKurdistans (PDKI), deren Vertreter Sahraroodi 1989 umgebracht haben soll.

Diplomatische Immunität

Folco Galli, Sprecher des Bundesamtes für Justiz (BJ), das für die Vollstreckung internationaler Haftbefehle zuständig ist, bestätigt zwischen den Zeilen, dass Sahraroodi sich diese Woche in der Schweiz aufgehalten hat, jedoch unbehelligt blieb. «Als offizieller Delegierter des iranischen Staates im Rahmen der IPU genoss der Betroffene Immunität und hätte somit auf Schweizer Territorium ohnehin nicht verhaftet werden können», sagt Galli.

Ob, inwiefern und allenfalls welche Schweizer oder österreichischen Behörden in der Sache in Kontakt standen, wird nicht offiziell kommuniziert. «Internationale Fahndungsersuchen unterstehen dem Amtsgeheimnis und sind grundsätzlich vertraulich zu behandeln», sagt Galli. Daran änderten auch die Vorwürfe Pilz’ nichts.

Sahraroodis Flucht und Karriere seit dem Attentat von Wien ist so abenteuerlich wie erfolgreich. Die österreichische Polizei vermutete 1989, dass er die tödlichen Schüsse auf die drei kurdischen Abgeordneten abgefeuert hatte. Sicher ist, dass er beim Attentat von einem Querschläger getroffen und schwer verletzt wurde. Die Attentäter konnten allerdings in die iranische Botschaft flüchten und nach massiver Intervention Teherans das Land verlassen. Die österreichische Justiz begann zwar zu ermitteln, doch Österreichs damalige Regierungsspitze stimmte der Ausreise zu. Der verletzte Sahraroodi wurde sogar mit Polizeieskorte zum Flughafen gebracht. Als die mutmasslichen Mörder in Teheran in Sicherheit waren, schickte Österreich einen internationalen Haftbefehl aus. Er ist bis heute gültig.

General der Revolutionsgarden

Jafari machte danach Karriere in der Islamischen Republik. Er wurde General und Kommandant einer Sondereinheit der Revolutionsgarden Pasdaran, die im Norden des Irak gegen kurdische Politiker operierten. 2007 entkam er knapp der Verhaftung durch US-Truppen im Nordirak. Zu dieser Zeit sei er bereits Mitglied des Nationalen Sicherheitsrats gewesen, schrieb damals das österreichische Magazin «Profil»: Als Stellvertreter von Sicherheitschef Ali Larijani. Als Larijani zum Präsidenten des iranischen Parlaments gewählt wurde, nahm er seinen Vertrauten Jafari als Bürochef mit. Trotz oder vielleicht gerade wegen des internationalen Haftbefehls.