China schlägt Stadler Rail in Tschechien

5. Oktober 2016

Als erstes Unternehmen in der EU steigt eine tschechische Privatbahn von Stadler-Zügen auf chinesische Schienenfahrzeuge um. 

«Swiss made» lautete das Werbemotto, als das tschechische Eisenbahnunternehmen im November 2012 den Betrieb aufnahm. Der Unternehmer Leos Novotny kaufte bei Stadler Rail fünf Triebzüge des Typs Flirt und fährt seither als Konkurrenz zur tschechischen Staatsbahn auf der Hauptstrecke von Prag über Olmütz nach Ostrava und in die Slowakei. Jetzt will Novotny den Fahrplan verdichten und die Strecke bis nach Polen verlängern. Doch die neuen Züge werden nicht mehr aus Bussnang kommen, sondern aus Zhuzhou in der chinesischen Provinz Hunan. 

 
Die Flottenerweiterung kommt aus China: Ein Flirt von Stadler Rail im Bahnhof Olomouc. Foto: B. Odehnal

Ende September schloss Novotnys Leo Express einen Vertrag mit dem weltgrössten Schienenfahrzeughersteller, der China Railway Rolling Stock Corporation. (CRRC) wird bis 2018 drei Triebzüge liefern, und Leo Express kann danach bis zu 30 weitere Züge bestellen. «Die Qualität von Stadler war wichtig für den Anfang von LeoExpress», sagt Geschäftsführer Peter Köhler. Für die Chinesen hätten jedoch mehrere Faktoren gesprochen: «Die Grösse des Konzerns und die Fähigkeit, ein Modell von Grund auf zu erarbeiten. Auch die Finanzierung spielte eine Rolle.» 

Für CRRC ist es ein winziger Auftrag und doch ein riesiger Schritt. Es ist der erste Auftrag in der EU und soll dem chinesischen Konzern die Türen zu den Staatsbahnen und ihren viel fetteren Aufträgen öffnen. In Wien hat CRRC vor ein paar Tagen sein erstes Büro in der EU eröffnet, um von hier aus die «europäischen Kernmärkte zu erschliessen», wie es in einer Mitteilung heisst. 

Kenner der Branche vermuten, dass die Chinesen der tschechischen Privatbahn ein deutlich günstigeres Angebot als die Schweizer machten – als Einstandsgeschenk im europäischen Markt. Das will Köhler nicht bestätigen: «Es kommt auf den Lebenszyklus und die Möglichkeit an, selbst am Design zu arbeiten und technische Features einzubringen.» Den Preis der chinesischen Produkte will er aber nicht verraten. 

Bei der pompösen Eröffnung des Wiener Büros schwärmte Zhou Qinghe, Präsident des Lokomotivwerks Zhuzhou, von den visionären Ideen seines Konzerns. CRRC werde von Österreich aus «High-End-Market-Aufträge akquirieren und eine globale Lieferkette aufbauen». Das kann man als Kampfansage an die Platzhirsche der Branche verstehen, an Siemens, Bombardier und an Stadler Rail. Die Chinesen beteiligten sich bereits an Ausschreibungen europäischer Staatsbahnen, wurden aber bisher immer in den ersten Runden ausgesondert, da sie keine Werke in Europa haben und noch keiner ihrer Züge auf europäischen Schienen fährt. Das dürfte sich nun mit dem Auftrag von Leo Express bald ändern. 

«Man sollte das sportlich nehmen», empfiehlt Leo-Express-Chef Peter Köhler: «Die europäischen Hersteller kaufen ja auch stark in China ein.» Europa als Wiege der Eisenbahn müsse sich viel mehr auf seine Stärken konzentrieren, sagt Köhler: «Der Markt müsste viel schneller geöffnet und die Eisenbahnsysteme vereinheitlicht werden.» Dazu müssten die nationalen Regierungen die im 4. Eisenbahnpaket der EU beschlossene Liberalisierung des Bahnmarkts tatsächlich umsetzen. Leo Express bereite sich vor, in andere Länder zu expandieren, sagt Köhler: «Wir schliessen nicht aus, in Zukunft wieder Züge bei Stadler zu kaufen.»